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Parlamentsnachwahl
Agnes Chow - junge Polit-Rebellin in Hongkong

Eigentlich galt Agnes Chow als aussichtsreiche Kandidatin bei der anstehenden Parlamentsnachwahl in Hongkong. Doch die 21-Jährige wurde Anfang des Jahres von der Wahl ausgeschlossen - aus fadenscheinigen Gründen. Aufgeben will die Demokratieaktivistin trotzdem nicht.

Von Steffen Wurzel | 10.03.2018
    Agnes Chow bei einer Unterstützungsveranstaltung
    Agnes Chow wurde von den Parlaments-Nachwahlen in Hongkong ausgeschlossen (imago/Liau Chung Ren )
    Für eine Revoluzzerin sieht Agnes Chow ziemlich brav aus: schulterlange schwarze Haare, eine hochgeknöpfte weiße Bluse und ein grauer Wintermantel. Doch Agnes Chow ist zur Zeit so etwas wie die Staatsfeindin Nummer eins in Hongkong. Denn sie kämpft für mehr Demokratie in der früheren britischen Kolonie. Von der pro-festlandchinesischen Stadtregierung wurde sie deswegen von der Parlamentsnachwahl ausgeschlossen. Die Hongkonger Regierung und und die Staats- und Parteiführung in Peking fürchten sich ganz offensichtlich vor der 21-Jährigen.
    "Die Regierung hat nicht nur Angst vor mir oder meiner Partei Demosisto. Sie will generell junge Menschen loswerden, die eine abweichende Meinung haben gegenüber der Pekinger Zentralregierung."
    Abstimmung hat symbolischen Wert
    Bei der Nachwahl fürs Hongkonger Parlament geht es zwar nur um wenige Sitze, doch symbolisch ist die Abstimmung enorm wichtig. Denn es geht auch um die Frage, ob der pro-demokratische Block im Hongkonger Parlament stark genug bleibt, um gegen Entscheidungen der festland-treuen Stadtregierung Vetos einlegen zu können. Bis Agnes Chow Ende Januar von der Wahl ausgeschlossen wurde, galt sie als aussichtsreiche Kandidatin.
    Zum Verhängnis wurde ihr, dass sie und ihre Partei fordern, was aus westlicher Sicht völlig normal ist: Demokratische Selbstbestimmung und das Recht, selbst über die Zukunft entscheiden zu können.
    "Demokratische Selbstbestimmung oder ein Referedum über eine mögliche Unabhängigkeit der Stadt verstoßen gegen das Grundgesetz der Sonderverwaltungszone Hongkong," so begründete der Chef der pro-pekinger Stadtverwaltung Matthew Cheung den Ausschluss der Demosisto-Kandidatin von der Wahl.
    "Außerdem widerspricht Selbstbestimmung den Prinzipien der Volkrepublik China."
    Seit nun fast 21 Jahren gehört Hongkong zu China. Also etwa, seit Agnes Chow geboren wurde. Seitdem gilt in der Stadt eigentlich das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme". Zum Beispiel gibt es - anders als in Festlandchina - Rechststaatlichkeit, Presse- und Meinungsfreiheit und eben auch teilweise demokratische Wahlen. Doch die Staats- und Parteiführung in Peking mischt sich zunehmend in die Geschicke Hongkongs ein.
    "Vor zwei Jahren wurden die Kandidaten ausgeschlossen, die für eine Unabhängigkeit waren. Dieses Mal trifft es Menschen wie mich, die einfach nur Selbstbestimmung fordern."
    Agnes Chow hat die politische Debatte in Hongkong mitbestimmt
    Unter anderem die Bundesregierung, die EU und die USA haben gegen den Wahl-Ausschluss von Agnes Chow protestiert. Geholfen hat es nichts.
    Sie wird bei der Parlamentsnachwahl nicht auf dem Abstimmungszettel stehen. Trotzdem hat sie die politische Debatte in Hongkong in den vergangenen Wochen mitbestimmt. Vor allem viele junge Leute unterstützen sie und die Forderungen ihrer Mitsteiter von Demosisto. Die Partei ist aus den pro-demokratischen Regenschirmprotesten im Sommer 2014 hervorgegangen. Damals hatten wochenlang zehntausende Menschen für mehr Demokratie in Hongkong protestiert. Doch die Pekinger Zentralregierung hatte die Demonstrationen damals einfach ausgesessen.
    Demokratie, Menschenrechte und die Möglichkeit sich politisch zu Beteiligen sollten Grundrechte für alle sein, fordert Agnes Chow. Doch in Hongkong gebe es das alles nicht.
    "Wir haben leider nicht so viel Glück wie die Menschen in demokratischen Staaten. Deswegen opfern sich zur Zeit viele Menschen in Hongkong auf. Sie werden ins Gefängnis geschickt, ihnen werden wie mir politische Grundrechte entzogen, einfach weil sie für mehr Demokratie kämpfen. Ich möchte allen im Westen sagen: Nehmt Eure Grundrechte nicht als Selbstverständlichkeit hin. Ich bitte Euch: Wisst Eure Rechte es zu schätzen und das, was in euren Gesellschaften und Euren Ländern geschieht."
    Aufgeben ist für Agnes Chow keine Option
    Nicht alle Hongkonger wünschen sich mehr Demokratie. Im Gegenteil. Bei mehreren öffentlichen Veranstaltungen in der chinesischen Sonderverwaltungszone schlug der 21-jährigen Agnes Chow blanker Hass entgegen, zum Beispiel von dieser Rentnerin aus dem pro-festlandchinesischen Lager der Stadt.
    "Du siehst Dich doch nicht mal als Chinesin! Wie kannst Du dann antreten wollen fürs hongkong-chinesische Parlament? Du und Dein Leute, ihr leugnet doch die Bedeutung unserer Flagge, Ihr beleidigt unsere Nation. Allein deswegen gehörst Du von der Wahl ausgeschlossen."
    Trotzdem. Aufgeben will Agnes Chow nicht, sondern sich weiter politisch engagieren.
    "Der Kampf für mehr Demokratie in Hongkong ist ein langer Weg. Aber wenn wir aufgeben, für das zu kämpfen, was richtig ist – für Demokratie und Menschenrechte – dann schreitet die Unterdrückung durch das Regime noch schneller voran."