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Parlamentswahl
Spanien steht wieder vor politischer Blockade

Bei der Parlamentswahl in Spanien zeichnet sich ein Sieg der Sozialistischen Arbeiterpartei ab. Die Partei von Ministerpräsident Sánchez erhält nach Prognosen die meisten Stimmen. Sie ist aber von einer regierungsfähigen Mehrheit weit entfernt. Die Rechtsextreme Partei Vox wird künftig mitreden; sie hatte vor der Wahl mit Frauenfeindlichkeit provoziert.

28.04.2019
    Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien
    Die Partei von Ministerpräsident Sánchez erhält nach Prognosen die meisten Stimmen, ist aber von einer regierungsfähigen Mehrheit weit entfernt (dpa / picture alliance)
    Die Sozialistische Arbeiterpartei PSOE gewinnt zwar die Wahl mit knapp 30 Prozent, verpasst aber die absolute Mehrheit deutlich. Die konservative Volkspartei (PP) wird mit knapp 15 Prozent zweitstärkste Kraft, halbiert aber im Vergleich zur letzten Wahl 2016 ihr Ergebnis. Die Liberalen der Ciudadanos (CS) werden mit knapp unter 14 Prozent drittstärkste Kraft. Das Linksbündnis Unidas Podemos (UP) wird mit knapp 14 Prozent viertstärkste Kraft. Die ultrarechte Partei Vox zieht mit rund 10 Prozent ins Parlament ein.
    Schwierige Regierungsbildung
    Mit diesen Zahlen würden die möglichen Koalitionspartner PSOE und Podemos zusammen im günstigsten Fall auf 166 Abgeordnete kommen. Für die absolute Mehrheit würden damit zehn Sitze fehlen. Bei den Parteien des rechten Spektrums (PP, Ciudadanos und Vox) würden mindestens 14 Sitze zur Bildung einer regierungsfähigen Koalition fehlen.
    Damit droht der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone erneut eine komplizierte Patt-Situation, wie sie es bereits 2016 gab - die sogenannte "Blockade". Nach dem Ende des faktischen Zweiparteiensystems und der Zersplitterung der Stimmen war Spanien damals fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung geblieben - trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten.
    Anschließend hielt die Regierung von Mariano Rajoy nur gut eineinhalb Jahre. Bei den Wahlen 2016 führte Sánchez die Sozialisten zu einem der schlechtesten Wahlergebnisse ihrer Geschichte. Dennoch übernahm er 2018 die Macht - zusammen mit der linkspopulistischen Podemos, katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern und baskischen Nationalisten. Seine Minderheitsregierung stellt aktuell nur 84 von insgesamt 350 Abgeordneten im Congreso de los Diputados. Regierungschef Sanchez musste Neuwahlen ausrufen, nachdem im Februar sein Haushaltsentwurf im Parlament scheiterte.
    Hohe Wahlbeteiligung
    Bis zum frühen Abend zeichnete sich eine der höchsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte der spanischen Demokratie ab. Wie die Wahlbehörde in Madird mitteilte, gaben bis 18 Uhr fast 61 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen ab. Das sind rund 9,5 Punkte mehr als im selben Zeitraum bei der letzten Parlamentswahl im Jahr 2016.
    Es war bereits die dritte Parlamentswahl innerhalb von nur dreieinhalb Jahren. Knapp 37 Millionen Bürgerinnen und Bürger waren zur Wahl aufgerufen. Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien, darunter Oppositionsführer Pablo Casado (PP), sprachen von der "wichtigsten Wahl, an die man sich erinnern kann". Die Liste der Probleme ist lang: Der Konflikt in Katalonien, drohender politischer Stillstand sowie erste Anzeichen einer Konjunkturabschwächung bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit.
    Vox provoziert mit Frauenfeindlichkeit
    Mit der erst 2013 gegründeten Partei Vox wird erstmals seit Jahrzehnten eine rechtsextreme Partei ins Madrider Parlament einziehen. Noch vor einem Jahr existierte die Partei in Meinungsumfragen praktisch nicht, bei den andalusischen Regionalwahlen im Dezember betrat sie dann mit fast elf Prozent der Stimmen die politische Bühne. Die Partei von Santiago Abascal tritt unter anderem für eine Bekämpfung illegaler Einwanderung und eine Lockerung des Umweltschutzes ein. Außerdem fordert die Partei die Abschaffung des Gesetzes zum Schutz der Frau. Und das, obwohl die Gewalt gegen Frauen in Spanien weit verbreitet ist. So summierte sich die Zahl der getöteten Frauen seit 2010 auf 1011, was mehr Todesopfer sind als die Attentate der inzwischen aufgelösten baskischen Untergrundorganisation ETA forderten. Rund zwei Drittel aller Vox-Wähler sind Männer.
    Das amtliche Endergebnis der Parlamentswahl soll gegen 22.00 Uhr vorliegen.