Freitag, 19. April 2024

Archiv

Parlamentswahlen
Nikol Paschinjan erzielt absolute Mehrheit in Armenien

Ministerpräsident Nikol Paschinjan hat die Parlamentswahlen in Armenien gewonnen. Sein Bündnis "Mein Schritt" erreichte die absolute Mehrheit. Nach seinem Sieg versprach er weitere Reformen. Experten warnen vor neuen Protesten, falls Paschinjan diese Reformen nicht umsetzen sollte.

Von Thielko Grieß | 10.12.2018
    Der armenische Premierminister Nikol Pashinyan geht zur Wahlurne
    Sieger der vorgezogenen Parlamentswahlen in Armenien: Ministerpräsident Nikol Paschinjan (dpa / picture alliance / Tugrul Cam)
    Ziel erreicht: Nikol Paschinjan erreicht mit seinem Bündnis "Mein Schritt" mit 70,2 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit, meldet die Wahlkommission in der Nacht.
    Bei einem kurzen Auftritt in Jerewan sagte Wahlsieger Paschinjan, die Revolution sei noch nicht beendet. Soweit sei es erst, wenn Armenia ein wirtschaftlich entwickeltes Land sei, ein starkes Mitglied der internationalen Gemeinschaft. Er versprach weitere Reformen.
    "Mein Schritt" hat dazu nun alle parlamentarischen Möglichkeiten, da es in der neuen Nationalversammlung nur noch zwei weitere, viel kleinere Fraktionen geben wird: "Blühendes Armenien", geführt vom Oligarchen Tsarukjan und die liberale Partei Leuchtendes Armenien. Nicht im Parlament: Die einstige Staatspartei, die Republikaner.
    Niedrige Wahlbeteiligung
    Nachdem, was am Morgen bekannt ist, hat es wenige Unregelmäßigkeiten gegeben. Eine Überraschung allerdings ist die Wahlbeteiligung: Sie liegt bei knapp 49 Prozent – was angesichts der Euphorie, die spürbar war und ist, niedrig erscheint. Ein Sprecher Paschinjans findet diese Erklärung:
    "Die Wahllisten entsprachen nicht der Wirklichkeit. Auf ihnen waren viele Menschen registriert, die im Ausland leben, aber eine Registrierung in Armenien besitzen."
    Eine Reform des Wahlrechts, die Listenführung eingeschlossen, war am Widerstand der nun abgewählten Republikaner gescheitert.
    "Mein Schritt" hatte sich vor der Wahl den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben. Es folgten tatsächlich bereits Steuerprüfungen in Unternehmen, die Revision von Staatsaufträgen, und Bürger berichten, auch die Polizei halte sich mehr an Recht und Gesetz. Aber der Politologe Alexander Iskandarjan vom Caucasus Institute macht darauf aufmerksam: Bislang hat es vor allem einen Kampf gegen korrupte Funktionsträger gegeben. Nun müsse die neue Regierung außerdem die Strukturen verändern. "Anti-Monopol-Gesetzgebung, Transparenz beim Treffen von Entscheidungen und dergleichen sind alles Probleme des Systems. Das lässt sich machen, und muss sich machen lassen, aber es ist Arbeit für Jahrzehnte."
    An ein sehr hohes Popularitätsniveau gewöhnt
    Es sei nun einmal Merkmal einer Revolution, dass sie auf komplizierte Probleme einfache Antworten gebe. Seine große Beliebtheit könne sich für Paschinjan noch als ein Hindernis erweisen, sagt Politologe Iskandarjan. "Die neuen Machthaber sind an ein sehr hohes Popularitätsniveau gewöhnt. Streng genommen haben sie sonst nichts. Aber sie wird sicher enden. Euphorie kann per Definition nicht lange anhalten. Aber diese Leute haben keine Vorstellung davon, wie sie mit einem weniger Legitimität leben sollen."
    Womit nur die Innenpolitik beschrieben ist. Die Außenpolitik komme noch oben drauf; die strategisch schwierige Lage habe sich nicht verbessert. "Gleichzeitig muss man Krisenmanagement betreiben. Der Konflikt mit Aserbaidschan, Sicherheitsfragen, die Region ist recht schwierig. Der Gegensatz zwischen dem Westen und Russland spiegelt sich hier wieder, ebenso die Sanktionen gegen den Iran, ein Nachbarland Armeniens, recht viele Risiken. Und das Land hat recht große Kreditpflichten."
    Außenpolitisch hat Nikol Paschinjan früh den Kontakt zu Russland gesucht und mehrfach erklärt, die Revolution richte sich nicht gegen Moskau, das mit eigenen Soldaten in Armenien präsent ist. Der Kreml hat die Vorgänge in Armenien zurückhaltend kommentiert.