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Parteienvertreter in Talkshows
Ein Recht auf Sendezeit gibt es nicht

CDU/CSU vor SPD vor Grünen - das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat nachgezählt, welche Parteien am häufigsten in Talkshows von ARD und ZDF zu Gast sind. Und behauptet: AfD und Linke seien unterrepräsentiert. Ein Missverständnis, kommentiert Arno Frank.

Von Arno Frank | 18.12.2019
Schriftzug der ARD Talkshow "Hart aber Fair" im Studio
"Hart aber Fair" - eine der "Großen Vier" unter den TV-Talkshows aktuell (picture alliance/Horst Galuschka/dpa)
Es gilt als Ausweis staatsbürgerlichen Interesses an den wichtigen Debatten unserer Zeit, hin und wieder bei Maybrit Illner, Sandra Maischberger, Anne Will oder Frank Plasberg einzuschalten.
Das haben auch dieses Jahr wieder die Journalistinnen und Journalisten vom "Redaktionsnetzwerk Deutschland" getan – und gezählt, wie oft welche Politikerinnen und Politiker bei den "großen vier" politischen Talkshows zu sehen waren. So erfahren die Zuschauer, was sie ohnehin schon im Gefühl hatten: dass beispielsweise 2019 die Grünen-Chefin Annalena Baerbock ihren Kollegen Robert Habeck überholt hat.
Verbunden wurde die Erhebung mit der Kritik, dass manche Parteien – etwa AfD und Linke – zu kurz kämen, während andere – in diesem Fall die Grünen – überrepräsentiert seien. Immer unter Ausschluss von Markus Lanz, der seit einer ganzen Weile die interessantesten Gespräche führt – und trotzdem leider nicht mitgezählt wird. Und immer gemessen an der Sitzverteilung der Parteien im Bundestag.
Hier liegt ein Missverständnis vor, vielleicht auch eine berufsbedingte Selbstüberschätzung.
Keine Auswahl der Gäste nach Proporz
Zunächst ist die Talkshow ein Ort, an dem aktuelle Themen diskutiert werden. Diese Themen unterliegen Konjunkturen. Gilt die Sorge der Öffentlichkeit dem Umweltschutz, sind grüne Gäste angebracht. Gilt sie der Wirtschaft, wären Fachleute der FDP gefragt. Vorlieben oder Abneigungen der Redaktionen sind daran nicht abzulesen.
Die Auswahl der Gäste erfolgt nicht nach demokratischem Proporz, sondern nach redaktionellen Erwägungen. Jede Sendung ist der Versuch, eine ergiebige Gesprächsrunde zu orchestrieren.
Wenn die Linke zur Digitalisierung nichts Substanzielles beizutragen hat, braucht sie auch nicht in die Kamera zu lächeln. Und wenn das ZDF entscheidet, einem Faschisten wie Björn Höcke grundsätzlich kein Forum in einer Talkshow mehr zu geben, dann ist das das gute Recht des ZDF.
Grundsätzlich ist die Talkshow eben kein Mikroparlament, in dem sich politische Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln müssen.
Nicht verwechseln mit dem Bundestag
Mag sein, dass etwa die CDU in Talkshows unterrepräsentiert ist – anderswo ist sie es nicht. Mag sein, dass die AfD zu kurz kommt – die hat ohnehin längst das Internet für sich entdeckt. Ein Recht auf Sendezeit um der Sendezeit willen gibt es nicht. Wie Einschaltquoten nicht mit Wählerstimmen zu verwechseln sind, so sollte auch die politische Talkshow nicht mit der eigentlichen politischen Arena verwechselt werden.
Den Ort, an dem in aller Öffentlichkeit ausgewogen und ausdauernd debattiert wird, gibt es nämlich schon. Es ist der deutsche Bundestag.