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Parteireform
"Die CDU muss erkennbar bleiben"

Die CDU verliert Mitglieder und scheint vor allem in den städtischen Milieus nicht mehr anzukommen. Chancen, die Partei moderner zu gestalten, sieht Steffen Flath, CDU-Fraktionsvorsitzender im sächsischen Landtag, vor allem bei einer besseren Einbindung der Mitglieder. Doch bei aller Buntheit müsse die CDU erkennbar bleiben, sagte er im DLF.

Steffen Flath im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 24.06.2014
    Steffen Flath, Fraktionschef der sächsischen CDU im Landtag in Dresden (Sachsen)
    Steffen Flath, Fraktionschef der sächsischen CDU im Landtag in Dresden (Sachsen) (picture-alliance/dpa/ Sebastian Kahnert)
    Dirk-Oliver Heckmann: Die inhaltlichen Wolken, die die CDU unter Angela Merkel hingelegt hat, sind beachtlich. Da war die Abkehr von der Atomkraft, die Aussetzung der Wehrpflicht, zuvor bereits der Modernisierungsschub in der Familienpolitik. Jetzt, zusammen mit der SPD, kommt das, wogegen die CDU immer gewettert hatte: der gesetzliche Mindestlohn nämlich. Und trotzdem lässt sich eine Tendenz offenbar nicht aufhalten, dass die CDU mehr und mehr Mitglieder verliert und vor allem in den städtischen Milieus einfach nicht mehr ankommt. Nach dem Verlust Düsseldorfs gibt es keinen einzigen Oberbürgermeister in Deutschland in den zehn größten Städten, der der CDU angehört. Generalsekretär Peter Tauber will das jetzt ändern. Er will, dass die Partei jünger, weiblicher und ja auch bunter wird, und hat dazu gestern eine groß angelegte Reform angekündigt.
    Steffen Flath ist Fraktionsvorsitzender der CDU im sächsischen Landtag. Er gehört dem Berliner Kreis an, einem Zusammenschluss konservativer Abgeordneter innerhalb der CDU. Schönen guten Morgen, Herr Flath!
    Steffen Flath: Guten Morgen aus Dresden.
    Heckmann: Nach all den erwähnten Richtungswechseln, nachdem zentrale Markenkerne der Union geräumt sind, wie groß ist Ihr Bedarf nach einer CDU, die sich noch moderner gibt?
    Flath: Ich sehe nicht unbedingt den Bedarf, dass sich die CDU noch moderner gibt. Aber modern - da kann ich Herrn Tauber entgegenkommen - ist, die richtigen Fragen zu stellen. Aber eine Partei die Mitglieder verliert - im Übrigen: die SPD verliert ja noch mehr Mitglieder, also es ist nicht nur ein Problem der CDU) -, dann muss man doch die entscheidende Frage stellen: Was erwartet jemand, was erwarten junge Leute, Frauen, aber auch junge Männer können ruhig eintreten in die CDU, aber was verbinden die damit. Und da muss es doch offensichtlich ein Problem geben, dass es offensichtlich nicht gerade modern ist, einer Partei anzugehören. Das hat man schon gerade im Kommunalwahlkampf daran gesehen, wie viele mittlerweile damit werben, dass sie parteilos sind und sich dadurch einen Vorteil erwarten.
    Attraktivität einer Parteimitgliedschaft stärken
    Heckmann: Es ist nicht gerade modern, einer Partei zuzugehören. Da haben Sie schon Recht. Die Mitgliederzahlen insgesamt, die gehen ja runter bei allen Parteien. Aber die CDU, die hat doch ein besonderes Problem gerade in den Städten, oder?
    Flath: Es fällt auf, dass wir im ländlichen Raum eher gewinnen als in Städten. Aber das ist dann eher eine Frage, wie eine CDU sich dann auch taktisch, wie sie sich werbemäßig aufstellt, wie sie in den Gruppen einer Großstadt vertreten sind. Das ist eine Diskussion wert. Aber ich habe ja Herrn Tauber so verstanden, dass er viel grundsätzlicher ansetzt, dass er da ansetzt, gelingt es der CDU, eine Mitgliederpartei zu bleiben, oder wird nicht die CDU zunehmend – gut, Funktionärpartei, ich tue mich immer ein bisschen schwer mit Funktionär, dann wäre ich ja selber ein Funktionär -, sagen wir also besser ein Funktionsträger.
    Da hat er natürlich vollkommen Recht. Wenn man sich Parteitage anschaut, dann ist der Anteil von Funktionsträgern, der bewegt sich in Richtung 100 Prozent, und da ist die Frage ja erlaubt, gibt es nicht vielleicht gerade durch Internet oder Online Möglichkeiten, eine Parteimitgliedschaft wieder lukrativ zu machen. Das halte ich für einen richtigen Ansatz, das müssen wir diskutieren, und im Übrigen erwarte ich als Konservativer – ich habe übrigens mal als Moderner begonnen in der CDU und ich habe meine Meinung nicht so viel geändert. Deshalb könnte es durchaus sein, dass eine stärkere Mitgliederbeteiligung vielleicht auch wieder zu mehr Vernunft bei politischen Entscheidungen führen könnte.
    Heckmann: Die Mitgliederbeteiligung ist das eine. Es wird ja immer wieder das Schlagwort "Mitmachpartei" genannt. Das ist ja ein Thema, mit dem sich wie gesagt alle Parteien eigentlich beschäftigen. Aber es geht natürlich auch um Inhalte und nicht nur vielleicht um eine taktische Aufstellung, wie Sie gerade sagten. Peter Tauber hat gestern gesagt, junge Frauen, Migranten, die fühlen sich von uns nicht unbedingt adressiert, wir müssen uns fragen, ob die CDU auf diese Menschen ausreichend zugeht, auch mit Inhalten.
    Flath: Auch da kann ich nicht sofort Herrn Tauber widersprechen, weil er hat ja einfach die Mitgliedschaft analysiert, und wenn man sich dann anschaut, wie hoch die Anteile von Migranten zum Beispiel in Großstädten sind, dann stellt man fest, dass das mit der Mitgliederstruktur der CDU nicht übereinstimmt. Da hat er doch völlig Recht. Jetzt ist nur die Frage, ob ich darüber diskutiere, dass ich eine CDU-Mitgliedschaft wieder lukrativer mache als bisher, oder ob ich der Meinung bin, ich muss mit den Themen so weit den verschiedenen Interessengruppen in der Bevölkerung entgegenkommen, um dann gewählt zu werden. Das sind ja zwei sehr unterschiedliche Fragen. Vom Zeitpunkt her hat Herr Tauber das sehr gut angelegt, weil wir sind nach der Bundestagswahl ein Jahr, die CDU regiert schon eine ganze Weile in Deutschland und die nächsten Bundestagswahlen sind weit genug weg, so dass tatsächlich die Möglichkeit ist, in einer Partei mal grundlegende Fragen zu diskutieren. Ich halte das für notwendig.
    Heckmann: Wie groß ist auf der anderen Seite die Gefahr, dass die CDU ihren potenziellen Wählerinnen und Wählern hinterherläuft und noch mehr Markenkerne der Union von Bord wirft?
    Flath: Das ist ja immer mein Anliegen: Die CDU muss erkennbar bleiben. Und bei aller Buntheit der Gesellschaft wird ja gerade danach gesucht, dass ich Orientierung habe und dass ich weiß, wofür jeweils eine Partei steht. Nur, glaube ich, gerade in dem Ansatz, wenn ich die Mitgliederrechte in einer Partei stärke, dann bin ich überzeugt, dass das Profil eher zulegen könnte, weil wir haben ja im Augenblick ...Nehmen wir mal die Situation in Berlin. Die CDU hat sehr, sehr gut bei den letzten Bundestagswahlen abgeschnitten und die Mitglieder schütteln jetzt fast täglich den Kopf und sagen, das ist doch mehr oder weniger SPD-Politik, was da gemacht wird. Man stelle sich nur mal einen Moment vor, man hätte die Mitgliederschaft in so einer Frage zum Beispiel der Energiewende mal befragen können – ich bin nun kein Prophet, aber ich erlaube mir mal die These, dass dann möglicherweise ein ganz, ganz anderes Ergebnis herausgekommen wäre.
    Kernthemen innere Sicherheit und Finanzen
    Heckmann: Das kommt darauf an, wann man diese Befragung gemacht hätte, denn nach Fukushima wäre das sicherlich sehr eindeutig gewesen. Heutzutage sieht das möglicherweise anders aus. – Sie sagten gerade, die Partei, Ihre Partei, die CDU, die muss erkennbar bleiben, muss Orientierungen liefern. Auf welchen Feldern sollte sie denn besonders erkennbar bleiben aus Ihrer Sicht?
    Flath: Da rate ich immer wieder der CDU, bei den Kernthemen zu bleiben, weil das auch die wichtigen Fragen in der Bevölkerung sind. Nennen wir innere Sicherheit: Dort ist doch fast noch die CDU die einzige, die konsequent dort zur Polizei steht. Oder nehmen wir die Finanzen: Wir haben gerade jetzt wieder die Diskussion in Europa, soll man Stabilität anstreben, wieder anstreben, oder soll man sie aufweichen. Oder Bildungsfragen, Bildungsfragen natürlich: Wie erreiche ich, dass die Leute natürlich selbst, aber dass sie Gerechtigkeit erleben, was die Chancen betrifft. Das sind Kernthemen der CDU und ich rate bloß immer wieder dazu, sich nicht irritieren zu lassen, nicht irgendwo in einem bunten Feld unerkennbar zu werden. Ich verspreche mir von einer solchen Parteireform, die Herr Tauber jetzt anspricht, durchaus auch wieder mehr Chancen der Konservativen in der Politik.
    Urwahl des Kanzlerkandidaten möglich
    Heckmann: Wir haben gerade auch schon über die Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitglieder der CDU gesprochen. Es wird ja auch diskutiert über eine mögliche Urwahl des nächsten Kanzlerkandidaten. Der Generalsekretär, Peter Tauber, der zeigt sich dafür offen. Sie auch?
    Flath: Ja klar! Das sollten wir diskutieren, bei allen Vor- und Nachteilen. Aber nehmen wir mal jetzt die ganz aktuelle Frage, Günther Oettinger als Kommissar: Ich würde mal davon ausgehen, dass er eine sehr, sehr gute Arbeit gemacht hat, in der Partei gut anerkannt ist, gut verankert ist. Er hätte bei einer Mitgliederbefragung aus meiner Sicht eine klare Mehrheit. Also lasst uns in der CDU darüber diskutieren, weil es ist wichtig, und ich glaube, ein Mitglied könnte wieder größeres Interesse haben, wenn es das Recht hat, auch Personalfragen oder vor allen Dingen auch inhaltliche Fragen mitzubestimmen und das vielleicht übers Internet ganz aktuell kundtun kann. Ich glaube, das wäre ein Wettbewerbsvorteil innerhalb der Parteien für die CDU.
    Heckmann: CDU-Generalsekretär Peter Tauber kündigt eine groß angelegte Reform an – wir haben darüber gesprochen mit dem Fraktionschef der CDU im sächsischen Landtag, mit Steffen Flath. Herr Flath, danke Ihnen für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Flath: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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