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Parteitag in Nürnberg
"Die CSU hat sich berappelt"

Der langjährige Chefredakteur der CSU-Zeitung "Bayernkurier" bewertet den aktuellen Parteitag positiv. Führung und Wähler könnten zufrieden sein, sagte der Journalist und CSU-Mitglied Wilfried Scharnagl im Dlf. Der Parteitag habe alle Voraussetzungen geschaffen, um bei der 2018 anstehenden Landtagswahl wieder an frühere Höhen heranzukommen.

Wilfried Scharnagl im Gespräch mit Philipp May | 16.12.2017
    Der CSU-Politiker und Journalist Wilfried Scharnagl
    Auch die Kanzlerin dürfte mit Erleichterung auf den CSU-Parteitag in Nürnberg blicken, vermutete der Journalist Wilfried Scharnagl im Dlf (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Philipp May: "Er schreibt, was ich denke, und ich denke, was er schreibt", das soll kein Geringerer als Franz Josef Strauß gesagt haben über Wilfried Scharnagl, über zwei Jahrzehnte Chefredakteur der CSU-Zeitung "Bayernkurier". Jetzt ist er am Telefon, Herr Scharnagl, ich grüße Sie!
    Wilfried Scharnagl: Hallo, grüß Gott! Das soll Strauß nicht gesagt haben, er hat es gesagt.
    May: Na, umso besser. Was würde Strauß also denken über die CSU von heute?
    Scharnagl: Ich glaube, er wäre gelegentlich stark dazwischengefahren sein, um es so zu sagen, aber im Grunde genommen ist er mit dieser Partei kämpferisch, durchsetzungsstark durchaus auch in der Lage, heftige persönliche Gegensätze auszutragen, wäre er zufrieden, denn es ist nur der verschleierte Blick in die Vergangenheit, der immer meint, früher sei alles auf einer Mondschein beglänzten Wiese in Frieden und Eintracht gegangen.
    Kampf und Krach und Wettbewerb und persönlicher Wettbewerb gehört in der Politik und vor allem in einer demokratischen Politik unabdingbar dazu. Die CSU hat eine solche Phase hinter sich. Sie hat sie, wie ich meine, glaubwürdig bewältigt, und Ihr Korrespondent aus München hat ja im Großen und Ganzen auch gesagt, es scheint gelungen zu sein.
    Und ich meine, es ist gelungen, weil ich ja nun jetzt auch wochenlang die internen Diskussionen mitgemacht habe, und ich kann nur sagen, die CSU hat sich berappelt, wie man bei uns sagt. Sie steht da, sie weiß, was in der Landtagswahl auf sie zukommt, sie weiß auch, was in Berlin auf sie zukommt – ohne CSU keine Mehrheit, keine Regierung.
    Und so glaube ich, dass es ein Parteitag ist, mit dem die CSU insgesamt – die Mitglieder, die Führung, die Wähler, auch die Wähler, die sie bei der letzten Wahl am 23. September verlassen haben – zufrieden sein können.
    May: Eine lahme Ente als Parteivorsitzender, so wie Horst Seehofer, das fände er auch gut?
    Scharnagl: Was heißt lahme Ente? Herr Seehofer ist für zwei Jahre gewählt, und wie gerade vorhin ein bisschen von Ihrem Kollegen angedeutet, ja, und dann irgendwie Ende, Abschied …
    "Seehofer ist umunstritten gewählt"
    May: Das sehen Sie nicht so?
    Scharnagl: Da kann ich nur sagen, ein Blick in den Kalender zeigt, Horst Seehofer ist 68 Jahre, wenn er zwei Jahre Parteivorsitzender ist, mit aller Kraft und wie ich ihn kenne und wie Sie ihn auch gerade in seiner Rede erlebt haben, wie er ist, wird sicherlich - dann ist er im 71. Lebensjahr in zwei Jahren. Was dann sein wird, das ist die Gnade und Güte Gottes herausgefordert zu sagen.
    Vielleicht ist er so gut im Schuss, dass er sagt, jetzt mache ich noch einmal oder zweimal oder dreimal, vielleicht sagt er auch, das mache ich nicht, aber er ist für zwei Jahre gewählt, er ist unumstritten gewählt. Er hat ein ordentliches Ergebnis, es ist kein berauschendes Ergebnis, was auch absurd wäre nach dem Wahlergebnis vom 23. September, da mag es hundert Mal Berlin geschuldet zu sein. Auch wir in Bayern waren dabei in Merkels Geleitzug und müssen damit die Zeche mitbezahlen, haben sie auch bezahlt, wobei man natürlich nicht vergessen kann, wenn man jetzt diese prachtvolle Zahl von tausend Delegierten sieht, weil die CSU eine funktionierende Volkspartei ist, wo die Vertreter und die Delegierten aus dem Volk kommen und nicht nur politische und Parteifunktionäre sind, da kann ich sagen, alle Stimmkreise in Bayern direkt gewonnen, fast 39 Prozent.
    Hätte eine andere Partei bei der Bundestagswahl 39 Prozent gehabt, würden heute noch Festwochen und Festspiele anhalten. Wir sind als große Höhe gekommen, und für uns ist das Ergebnis völlig unzureichend, aber ich glaube, dieser Parteitag hat alle Voraussetzungen geschaffen, um bei der Landtagswahl wieder an frühere Höhen heranzukommen.
    "Alle müssen anpacken in dieser Partei"
    May: Das heißt, 40 Prozent plus X, das muss Markus Söder jetzt schon erreichen?
    Scharnagl: Das muss nicht Markus Söder erreichen, das müssen alle zusammen erreichen. Dieses Ergebnis muss vom Parteivorsitzenden und vom Ministerpräsidenten, von Horst Seehofer und Markus Söder und von der gesamten Partei erreicht werden.
    Es ist doch töricht, zu sagen: Wir lehnen uns zurück und schauen, was Markus Söder macht. Alle müssen anpacken in dieser Partei, was sie dann auch immer getan hat. Die CSU mag ein bisschen was Panzerhaftes haben, bis sie so in Marsch kommt, aber wenn sie in Marsch kommt, und sie wird bei dieser Landtagswahl dramatisch in Marsch kommen, und zwar in anderer Weise als bei der Bundestagswahl, wo wir durch das Berliner Versagen in der Flüchtlingspolitik mit einem starken Defizit belastet waren. Dieses haben wir bei der Landtagswahl nicht, da besteht Klarheit. Dort, wo CSU draufsteht, ist CSU drin.
    "An Wahlergebnissen werden alle gemessen"
    May: Aber am Ende wird Markus Söder doch wie jeder andere CSU-Spitzenkandidat und -Politiker an seinem Wahlergebnis gemessen werden, und vor allen Dingen er und weniger die Partei, oder auch die Partei, aber vor allem er.
    Scharnagl: Ja, gut, an Wahlergebnissen werden alle gemessen, auch Seehofer ist am Wahlergebnis gemessen worden. Selbstverständlich werden auch sein Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten daran gemessen. Aber wenn ich meine Partei richtig verstehe, ist seit diesem Friedensschluss, um es so zu sagen, und diesem Schub der Erleichterung, der durch die CSU und durch ganz Bayern gegangen ist und auch bei unseren Wählern, die uns verlassen haben, weil sie mit uns nicht zufrieden waren - auch dort stelle ich überall fest, Aufwind und Rückenwind. Und das ist beachtlich, und dass Söder und Seehofer diesen Wind in einen Sturm zugunsten der CSU drehen werden, da bin ich eigentlich relativ überzeugt. Ich hab mit der CSU schon vieles an Höhen und Tiefen erlebt, aber ich glaube, alle die, die gemeint haben nach dem 23. September, sie könnten die CSU im Allgemeinen und Horst Seehofer im Besonderen abschreiben als erledigten Posten auf der politischen Agenda, die werden sich gewaltig täuschen.
    Und die CSU wird in München wirklich ihren Weg für Bayern kraftvoll fortsetzen, wird aber auch in Berlin ihre mitwirkende Unerlässlichkeit oder ihre unerlässliche Mitwirkung kraftvoll unter Beweis stellen.
    Es ist ja unumstritten und auch geradezu sensationell, dass, als die Jamaika-Koalitionsverhandlungen gescheitert sind, sich alle Vertreter der teilnehmenden Parteien – und nicht nur die der CSU – einig waren, dass der kompetenteste, der Informierteste, der Durchsetzungsfähigste, aber auch der Gesprächsbereiteste Horst Seehofer war. Das ist ein Pfund, mit dem die CSU und die Union insgesamt in Berlin wird wuchern können.
    May: Herr Scharnagl, wenn ich da kurz einhaken darf: Als wir kurz nach der Bundestagswahl miteinander gesprochen haben, das war auch in dieser Sendung, "Informationen am Mittag", da haben sich ja in der Partei schon die Ersten für einen Wechsel zu Markus Söder, zumindest was den Ministerpräsidenten angeht, ausgesprochen, Sie haben klar gesagt, nein, Seehofer ist der richtige Mann. Glauben Sie, dass Söder jetzt der Richtige ist?
    Scharnagl: Selbstverständlich. Ich meine, erstens ist es eine große demokratische Entscheidung, dass Söder ein großer, erfolgreicher Minister und Politiker ist, das ist jetzt auch von seinem Parteivorsitzenden nachdrücklich bestätigt worden.
    "Die CSU hat in ihrer Geschichte alle Variationen ausprobiert"
    May: Hat er auch schon mal anders gesehen.
    Scharnagl: Selbstverständlich hätte er auch, bin ich überzeugt, hätten wir auch mit Seehofer in die Wahl gehen können, aber es war eine große demokratische Entscheidung, die dadurch möglich war, dass Seehofer selbst gesagt hat, ich mache ein zweites Amt frei und dafür schlage ich, was er noch heute noch einmal nachdrücklich getan hat, Markus Söder war. Dann ist das auch eine hervorragende Lösung, mit der die CSU gut fahren wird.
    Die CSU hat in ihrer Geschichte alle Variationen ausprobiert: das Ministerpräsidenten- und Parteivorsitzendenamt in einer Hand, aber auch die beiden Ämter in getrennten Händen. Es kommt immer auf die jeweilige Situation an, und da gibt es kein dauerhaftes Rezept. Eines auf jeden Fall habe ich in Erinnerung: Die Zeit, als Alfons Goppel 16 Jahre lang bayrischer Ministerpräsident war und Franz Josef Strauß Parteivorsitzender, dieses war sozusagen das Goldene Zeitalter der CSU, was die Wahlergebnisse angeht, die wir in dieser Dauer dann nicht immer ganz erreicht haben, aber es geht sowohl die Trennung als die Vereinigung. Jetzt haben wir die Trennung der Ämter, und ich glaube, es ist ein guter Schritt, der getan worden ist. Der Parteitag, von dem man hätte vielleicht auch noch manche Verwerfungen erwarten können, hat diese Verwerfungen nicht gebracht. Er hat sichtbare Geschlossenheit gebracht. Man hört – also gut, wenn eine Handvoll Söder-Freunde sitzen bleibt bei der Wahl bei Seehofers Beifall, dann nimmt man das hin, aber das ist ja kein Beinbruch. Das ist, wenn Sie so wollen, ein Sitzenbleiben, aber kein Bein-gebrochen-haben in der Partei. Ich glaube, insgesamt wird jetzt dann der Parteitag mit großer Erleichterung für die CSU, aber mit großer Erleichterung für die Menschen in Bayern zu Ende gehen.
    Und ich glaube, wenn auch jemand – und das ist ja schon fast wieder kurios – mit großer Erleichterung auf diesen Parteitag blicken wird, ist es die Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, die, glaube ich, weiß, wie sehr sie auf die CSU angewiesen ist.
    May: Der CSU-Kenner und langjährige Chefredakteur der CSU-Zeitung "Bayernkurier", Wilfried Scharnagl. Herr Scharnagl, vielen Dank für das Gespräch!
    Scharnagl: Bitte schön, schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.