Freitag, 19. April 2024

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Passig/Scholz: "Handbuch für Zeitreisende"
Zurück in die Vergangenheit

Im "Handbuch für Zeitreisende" vermitteln Kathrin Passig und Aleks Scholz alles, was Zeitreisende wissen müssen. Es sei ein Reiseführer der besonderen Art, der mit dem Vorurteil aufräume, es sei leicht, die Vergangenheit zu ändern, erklärte Kathrin Passig im Dlf.

Kathrin Passig im Corsogespräch mit Christoph Reimann | 16.07.2020
Zeitreisen - in der coronagebeutelten Ferienzeit könnte man schon auf den Gedanken kommen. Das Autorenduo Kathrin Passig und Aleks Scholz hat dazu das passende "Handbuch für Zeitreisende" verfasst. Ein Reiseführer der etwas anderen Art, der ursprünglich eigentlich ein Buch über die Schwierigkeit der Weltverbesserung hätte werden sollen, wie Kathrin Passig im Corsogespräch verrät. Im Buch komme zum Beispiel eine Episode vor, in der es darum gehe, wie man Scott bei seiner für ihn tödlichen Südpol-Expedition hätte helfen können. Ein relativ komplizierter Vorschlag für Zeitreisende wäre, ein Depot an der richtigen Stelle anzulegen. "Das ist natürlich für normale Urlaubsverhältnisse eine schon hohe Schwierigkeit."
Eingriffe in die Geschichte
Der Wunsch, die Dinge rückblickend besser zu machen, beschäftigt Kathrin Passig häufig beim Lesen. "Das ist so knapp gescheitert, könnte man nicht an irgendeinem kleinen Regler drehen, dass es doch noch gut ausgeht." Doch solche Eingriffe in die Geschichte seien viel schwerer, als man denkt. Nicht allein aus dem Zeitreisebuch-üblichen Grund, "dass wir sagen, man kommt dann zurück, und die Gegenwart sieht ganz anders aus."
Oft habe sie diesen Impuls in der aktuellen Coronazeit verspürt, da es in ihrem Buch ohnehin viel um Seuchen- und Hygienefragen gehe. "Könnte man durch Informationen helfen? Ich bin da in den letzten Monaten skeptischer geworden," sagt Passig. "Wahrscheinlich würde es genauso laufen. Aber die Wirtschaft, unsere Stoffimporte in Genua, unsere gewohnten Wohnverhältnisse rufen. Ich glaube man unterschätzt in der Naivität des Nachdenkens darüber, wie herrlich man die Vergangenheit besser einrichten könnte, wie viel Beharrungs-Faktoren im Spiel sind."
Aus dem "Handbuch für Zeitreisende" solle man die Erkenntnis mitnehmen, dass die Leute in der Vergangenheit nicht blöder waren, als sie es in der Gegenwart sind."
Keine touristischen Annehmlichkeiten
Kathrin Passig selbst würde als Zeitreise-Ziel eine Epoche wählen, "in der Menschen so dünn gesäht sind, dass man ihnen nicht unbedingt begegnet." Aber das sei zum Teil nicht ungefährlich. "Ich fürchte mich schon in Gegenwartsurlauben vor den Einheimischen." Das Zeitreisemodell in ihrem Buch komme auch ohne touristische Annehmlichkeiten der Gegenwart aus. Es gäbe keine speziellen Hotels und Anlaufstellen speziell für Zeitreisende, "weil jeder in der Vergangenheit, die man bereist, immer der einzige ist, der dort jemals aus der Zukunft aufgetaucht ist."
Durch die Zeitreise entstehe eine zweite Paralellwelt. "Damit vermeiden wir diese ganzen Paradoxa, bei denen man die Gegenwart umschreibt und dann zurückommt und selber gar nicht mehr existiert, - was immer unkomfortabel ist." Ihr Zeitreisemodell sei kein komplett ausgedachter Quatsch, sondern lasse sich durchaus mit dem, "was in der Quantenphysik so vermutet wird, in Einklang bringen."
Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Kathrin Passig/Aleks Scholz: Handbuch für Zeitreisende
Von den Dinosauriern bis zum Fall der Mauer
Rowohlt Berlin 2020, 338 S., 20,00 €