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Pate für Poesie

Der Deutschlandfunk sucht gemeinsam mit dem Deutschen Philologenverband und dem Verlag "Das Wunderhorn" junge Lyrik-Talente. Auf der Leipziger Buchmesse stellt der Sender den Schülerwettbewerb "lyrix" vor. Deutschlandradio-Programmdirektor Günter Müchler erläutert die "Lyrik-Offensive" des Senders.

Moderation: Christian Schütte | 13.03.2008
    Christian Schütte: Literarische Lesungen, Buchrezensionen gehören seit langem ja schon zum klassischen Kanon im Radio. Bei der Lyrik ist das anders. Deshalb hat der Deutschlandfunk dem Gedicht als Kunstform im Hörfunk zu einer ja doch viel beachteten Renaissance verholfen. Im Studio ist der Programmdirektor des Deutschlandradios, Günter Müchler. Guten Morgen!

    Günter Müchler: Guten Morgen, Herr Schütte!

    Schütte: Vor über zwei Jahren hat der Deutschlandfunk damit begonnen, Tag für Tag ein Gedicht ins Programm zu streuen. Eines haben wir gerade gehört. Diese Woche ist das 800. Gedicht gelaufen. Herr Müchler, war es das?

    Müchler: Oh nein, Herr Schütte, ganz und gar nicht. Die Lyrik im Deutschlandfunk ist vom ersten Tag an voll eingeschlagen: begeisterte Hörer, 50.000 Abrufe im Internet jeden Monat, dazu ein wunderschöner Lyrik-Kalender mit werkgeschichtlichen Erläuterungen unseres Heidelberger Literaturwissenschaftlers Michael Braun. Und unsere Lyrik-Offensive geht weiter. Die Tages-Lyrik hat nämlich einen Bruder bekommen: "lyrix".

    Schütte: Was ist "lyrix"?

    Müchler: "lyrix", Herr Schütte, ist ein Schülerwettbewerb, den der Deutschlandfunk zusammen mit dem Deutschen Philologenverband und dem Wunderhorn-Verlag durchführt. Die Bundesbildungsministerin Annette Schavan übernimmt die Schirmherrschaft. Das werden wir heute auf der Buchmesse in Leipzig verkünden.

    An wen richtet sich "lyrix"? Der Wettbewerb richtet sich an Schülerinnen und Schüler zwischen der 5. und der 13. Klasse. Jeder Teilnehmer kann einmal im Monat ein selbst verfasstes Gedicht per E-Mail an die Redaktion nach Köln schicken. Am Monatsende werden die fünf besten in unserem Internet veröffentlicht. Und Anfang nächsten Jahres wird eine Jury aus den Monatsgewinnern die Jahresbesten auswählen. Das Ganze wird begleitet übers Jahr von zwölf Gedichten, die aus unserem Lyrik-Kalender stammen und für den Deutschunterricht an den Schulen ausgewählt wurden, mit Unterrichtsmaterialien, die wiederum aus unserem Internet heruntergeladen werden können. Ich meine, das ist eine großartige Sache.

    Schütte: Sie haben jetzt gerade den Ablauf geschildert, aber worin sehen Sie den Sinn und Zweck von der Aktion "lyrix"?

    Müchler: Vielleicht lassen Sie mich noch ein Wort zu der Lyrik im Deutschlandfunk sagen, die ja Pate steht für diesen Schülerwettbewerb. Mit der Einführung dieses Tagesgedichtes wollten wir gewiss etwas für die Poesie tun. Wir wollten aber auch etwas für das Programm tun - vor allem für unsere Hörerinnen und Hörer. Das Gedicht, das ja dreimal am Tag irgendwo ins fließende Programm gewissermaßen reingeschossen wird, hat die Funktion eines Wellenbrechers im Katarakt der Informationen. Das Gedicht soll Haltepunkte schaffen, zum Nachdenken anregen und entschleunigen. So hatten wir uns das gedacht, und diese Absicht ist - ich glaube, das lässt sich sagen - vom ersten Tag an aufgegangen.

    Schütte: Sie haben es angesprochen: Manche Hörer sind vielleicht ein bisschen irritiert, wenn sie gerade noch den Börsenbericht gehört haben oder ihnen noch die Reportage über die aktuelle Situation in Nahost im Ohr ist, und dann kommt unvermittelt ein Gedicht. Wie kam die Idee, Lyrik in diesem Umfeld zu platzieren?

    Müchler: Um es ganz genau zu sagen: Es war ein Gespräch mit dem Schriftsteller Zafer Senocak, der selbst ein bemerkenswerter Lyriker ist, und in diesem Gespräch bin ich auf die Idee gebracht worden. Unser Kulturchef Matthias Strässner hat sich dann rasch dafür gewinnen lassen, auch für die Grundidee, dass nämlich das Gedicht nicht in die Kulturflächen des Programms gestellt wird, sondern rauskommt aus dem Getto der Hochkultur, den Hörern der Börse ebenso begegnet wie denen von "Campus & Karriere" oder "Europa heute".

    Schütte: Die Landesrundfunkanstalten der ARD wollen in Leipzig bei der Buchmesse ihrerseits ein Lyrik-Projekt vorstellen: den großen Hör-Conrady - benannt nach dem Germanisten Karl Otto Conrady. Wird da eine gute Idee abgekupfert?

    Müchler: Nein, Herr Schütte. So sehe ich das nicht. Jede wirklich gute Idee findet Nachahmer, und wenn die Aktion der Landesrundfunkanstalten der Lyrik hilft, dann freue ich mich darüber.

    Schütte: Günter Müchler, Programmdirektor des Deutschlandradios. Ich danke für das Gespräch.

    Müchler: Danke Ihnen, Herr Schütte.
    Lyrix-Logo
    Lyrix-Logo. (dradio.de)