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Patientenverfügung richtig abfassen

Mit einer Patientenverfügung lassen sich für den Fall der Fälle Maßnahmen, die nur eine Sterbens- und Leidensverlängerung bedeuten, regeln. Für den Arzt ist der Wille des Patienten bindend. Konkrete Angaben sind daher wichtig. Dr. Marion Wüller von der Ärztekammer Westfalen-Lippe in Münster weiß, worauf zu achten ist.

Von Annette Eversberg | 29.07.2010
    Die Patientenverfügung ist ein eigenständiger Akt. Deshalb sollte sie auch gesondert, und nicht zusammen mit einer Betreuungsverfügung oder einer Vorsorgevollmacht abgefasst werden. Nach dem Gesetz muss man sich dabei nicht von einem Arzt beraten lassen. Doch Verbraucherzentralen und Ärzteverbände raten trotzdem dazu. Dr. Marion Wüller von der Ärztekammer Westfalen-Lippe in Münster weiß, dass nicht jeder genau darüber informiert ist, welche Schritte der Behandlung bei einer Krankheit erforderlich sind.

    "Was kommt da möglicherweise auf uns zu, wenn wir von einer Dialyse oder einer Beatmung oder von einer Behandlung auf einer Intensivstation sprechen. Da braucht man ein paar erklärende Worte, weil vielleicht die eine oder andere Angst, die man hat, einem genommen wird. Weil einem auch dargelegt wird, dass manche Behandlungsmaßnahmen vorübergehend erforderlich sind, wenn eine gute Hoffnung besteht, dass man gesund werden kann, und dass etwas unüberlegt Verfügtes, vielleicht sogar gefährlich sein kann, weil es eine ungewollte Verkürzung des Lebens nach sich ziehen würde."

    Neben der Beratung ist es auch sinnvoll, in einer Patientenverfügung allgemeine Wertvorstellungen darzulegen. Denn sie können im Ernstfall helfen, den Patientenwillen zu ermitteln. Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund haben auch unterschiedliche Auffassungen davon, wie sie behandelt werden wollen. Wichtig ist es, die Krankheiten und ihren Behandlungsverlauf genau zu benennen. Dr. Marion Wüller:

    "Zum Beispiel gibt es Menschen, die sagen, eine Blutübertragung kommt für mich nicht infrage, ich untersage sie. Ich kann auch als Motorradfahrer sagen, wenn ich einen Unfall erleide, einer Amputation eines Beines stimme ich nicht zu. Das muss ich mit allen Konsequenzen dann auch tragen."

    Im Falle einer Krebserkrankung müsste man verfügen, wie man sich den weiteren Behandlungsverlauf vorstellt, wenn es keine Aussicht auf Heilung mehr gibt. Dann kann der Patient bestimmen.

    "Ich will keine Kalorienzufuhr mehr, gebt mir Wasser und alles andere untersage ich. Und wenn ich dann in einem Zustand bin, in dem ich nicht mehr für mich selbst sprechen kann, würde auch in der Tat alles weitere unterlassen. Ich würde keine Chemotherapie mehr bekommen, würde keine Kalorienzufuhr mehr bekommen und man würde mich sterben lassen, an irgendeinem Punkt der Erkrankung."

    Nach der aktuellen gesetzlichen Regelung kann man Verfügungen auch für den Fall treffen, dass man nach einem Unfall oder einer Erkrankung im Wachkoma liegt, oder dass man aufgrund von Demenz oder Alzheimer nicht mehr für sich selber sprechen kann.

    "Sie sagen, eine Sonde, die über die Bauchwand in meinen Magen eingebracht wird, möchte ich nicht haben. Da müsste vor allem der Zeitpunkt, für den das gilt, genau definiert sein, damit Ihre Angehörigen, die das mitentscheiden müssen, sagen, das hätte mein Vater oder meine Mutter nicht gewollt."

    Sagt die Patientenverfügung klar und deutlich, dass der Patient keine lebensverlängernden Maßnahmen will oder dass er nicht über eine Magensonde künstlich ernährt werden möchte, ist dies für die Medizinerin ein klarer Auftrag an den Arzt.

    "Wenn die Patientenverfügung sagt, es soll eine Ernährung des Patienten ab diesem Punkt nicht mehr durchgeführt werden, setzt der Arzt das entsprechend um. Er müsste konsequenterweise diese Magensonde entfernen."

    Für einen Patienten, der nicht mehr sprechen kann, gibt es dann unter Umständen kein zurück. Deshalb sieht Marion Wüller als Ärztin durchaus auch die Probleme der Patientenverfügung. Auch wenn das BGH-Urteil, nach dem ein Behandlungsabbruch keine Sterbehilfe ist, mehr Sicherheit für die Ärzte geschaffen hat.

    "Das ist ein Bereich, in dem sich jeder Arzt natürlicherweise unsicher fühlt. Das ist so sensibel, diese Entscheidung zu treffen. Weil ich hier so eine weitreichende Entscheidung treffe, die grundsätzlich dem widerspricht, was ich als Arzt sonst gerne tun würde. Dass ich schon in mir selbst viele Hürden überwinden muss. Richtig wohl wird sich bei dieser Sache niemand fühlen. Wir werden es immer nur so gut machen, wie wir können."

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