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Peffekoven: Griechen müssen Bedingungen für Investitionen verbessern

Der Ökonom Rolf Peffekoven sieht in der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit, geringen Produktion und Bürokratie drei Hauptprobleme für Griechenland. Es mangelt nicht am Zufluss von Hilfsgeldern, sagt Peffekoven: Die abgeschottete griechische Markt muss sich öffnen - und Investoren Rechtssicherheit bieten.

Jasper Barenberg im Gespräch mit Rolf Peffekoven | 10.02.2012
    Jasper Barenberg: Es hat nicht funktioniert. Unter Druck setzen wollten die europäischen Finanzminister die griechische Regierung. In Athen aber haben sich die Koalitionspartner nach zähen Verhandlungen zwar auf einige neue Sparmaßnahmen verständigen können, alle Bedingungen der internationalen Geldgeber sind noch nicht erfüllt. Entsprechend gereizt gab sich heute Morgen hier im Deutschlandfunk Luxemburgs Ressortchef Luc Frieden. Auch er ist mit seiner Geduld langsam am Ende.

    O-Ton Luc Frieden: " ... , weil wir eigentlich zusehen müssen, wie schon beim ersten Hilfsprogramm nicht alles zeitgerecht umgesetzt wurde. Wir wollen Griechenland helfen, aber nicht zu jedem Preis. Wir brauchen ein Überwachungssystem, das ist nicht Griechenland unter Kontrolle setzen, aber wir müssen Griechenland vor Ort mit der Hand nehmen, in jedem Schlüsselministerium müssen europäische Beamte sitzen, die das auch überwachen. Und ich unterstütze sehr die Idee von Deutschland und Frankreich mit einem Sonderkonto."

    Barenberg: Luc Frieden, der Finanzminister Luxemburgs. – Die Einigung mit Abstrichen in Athen, was ist sie wert? Etwas Zeit wurde der Übergangsregierung ja noch eingeräumt, um offene Punkte zu klären. Die Einigung mit Banken und mit privaten Anlegern aber ist immer noch nicht unter Dach und Fach, eine weitere Bedingung für das nächste Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro.
    Heute Morgen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Partei- und Fraktionschefs im Bundestag über den Stand der Dinge unterrichtet. Im Anschluss haben die Fraktionen dann über den weiteren Kurs beraten.
    Um 20 Prozent will die griechische Regierung den Mindestlohn kürzen, um ein Fünftel sinken sollen auch die Gehälter in der Privatwirtschaft. Dafür steigen die Kosten für Gesundheit und 15.000 Angestellte im Öffentlichen Dienst werden wohl ihren Job verlieren - in einem ersten Schritt, denn später sollen noch viel mehr Entlassungen folgen. Als Folge der harten Sparpolitik geht mit der Wirtschaft längst auch der Arbeitsmarkt in die Knie, die Zahl der Arbeitslosen klettert in bisher nicht gekannte Höhen.
    Mitgehört hat der Wirtschaftswissenschaftler Rolf Peffekoven, er war zehn Jahre lang Berater der Bundesregierung als einer der sogenannten Wirtschaftsweisen. Schönen guten Tag, Herr Peffekoven.

    Rolf Peffekoven: Guten Tag, Herr Barenberg.

    Barenberg: Was wir da alles gerade gehört haben an Eckdaten über die wirtschaftliche Situation in Griechenland, wie beunruhigend ist das alles?

    Peffekoven: Also das sind Eckdaten, die ja keineswegs neu sind. Das weiß man seit zwei Jahren mindestens, das hat man auch vorher schon vermutet. Das ist beunruhigend und das zeigt, wie schwer es sein wird, Kriterien, Forderungen durchzusetzen, an die man die weitere Kreditgewährung in Griechenland bindet.

    Barenberg: Es geht bergab, so hat es der Korrespondent gerade berichtet. Die Sparpolitik beschleunigt noch den Abschwung. Ist das alles andere als eine Überraschung?

    Peffekoven: Nein, das ist normalerweise ja so. Wenn man ein Konsolidierungsprogramm beginnt, also ein Budget-Defizit abbauen will, dann kann man das ja sinnvollerweise nur entweder über Steuererhöhungen, oder Ausgabenkürzungen, und beides wirkt auf die Wirtschaft zunächst mal restriktiv und man kann nur die Hoffnung haben, dass das an einem bestimmten Punkt umschlägt und dann zu einer wachsenden Wirtschaft führt, denn in einer wachsenden Wirtschaft kann man relativ einfach dann auch ein Budget-Defizit abbauen. Das haben wir ja letzten Endes in Deutschland in den letzten Jahren auch gesehen. Nur davon ist die griechische Wirtschaft nun weit entfernt, auch nach Überwindung der weltweiten Rezession gibt es ja in Griechenland Wachstumsraten, negative Wachstumsraten von minus 5,5 in diesem Jahr, fünf im letzten Jahr. Damit kann man letzten Endes kein Budget ausgleichen, ganz im Gegenteil: Das Defizit wird immer größer. Und man wird sich wohl mehr Gedanken darüber machen müssen, wie man das Grundübel der griechischen Wirtschaft in den Griff bekommt, nämlich die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, die geringe Produktion und dadurch bedingt auch der geringe Export von Griechenland. Das sind die Hauptprobleme.

    Barenberg: Und da, Herr Peffekoven, reicht das Prinzip Hoffnung dann nicht mehr?

    Peffekoven: Nein, da muss man konkrete Maßnahmen ergreifen. Aber auch da ist natürlich die Zahl der Möglichkeiten begrenzt. Ich selbst habe vor zwei Jahren schon vorgeschlagen, Griechenland tut sich selbst einen Gefallen, wenn es zumindest vorübergehend aus der Währungsunion austritt, eine eigene Währung wieder einführt; dann hat man die Möglichkeit, durch Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit selbst zu verbessern, und dann würden ja auch nicht mehr die Auflagen von Europa her kommen, dann muss die griechische Wirtschaft im Inland selbst überlegen, wie sie den weiteren Wirtschaftsprozess gestaltet. Dass damit andere Maßnahmen wie zum Beispiel ein Schuldenverzicht erforderlich sind, das steht außer Debatte, aber ich bin nach wie vor der Meinung, vor zwei Jahren hätte man das machen können, das ist heute alles sehr viel schwieriger geworden.

    Barenberg: Wenn wir mal diesen Fall außer Acht lassen, also den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, welche Handlungsoptionen gibt es dann, sagen wir mal, zunächst seitens der griechischen Regierung?

    Peffekoven: Die griechische Regierung muss dann versuchen, die Wettbewerbsfähigkeit mit binnenwirtschaftlichen Maßnahmen wieder herzustellen. Das sind ja aber im Prinzip genau die Maßnahmen, die jetzt so umstritten sind. Das wären nämlich Lohnsenkungen, generell Kostensenkungen. Das wird sicher auch dann ein Bedarf an Zufluss von Kapital aus anderen Ländern sein. Aber das Hauptproblem ist natürlich, dass in Griechenland die Bedingungen für Investitionen, für Produktionen verbessert werden müssen, und das ist nun ein ganzes Spektrum von Maßnahmen. Das ist viel wichtiger als der Zufluss von Geld. Es ist ja im Übrigen sehr viel Geld auch in den letzten Jahren nach Griechenland geflossen. Das ist also etwa, marktwirtschaftliches System dort wirklich durchzusetzen, die Abschottung der vielen Märkte zu beenden, in vielen Märkten kann gar keiner investieren, weil sie geschlossen sind. Das wird auch Privatisierung vieler Betriebe, die in Staatsbesitz sind, bedeuten. Das heißt aber vor allen Dingen, es muss Rechtssicherheit, ein funktionsfähiges Steuersystem in Griechenland aufgebaut werden, eine funktionierende Bürokratie, in der Effizienz und nicht Korruption und Vetternwirtschaft dominieren.

    Barenberg: Und in all diesen Punkten hakt es, an all diesen Punkten hapert es, Herr Peffekoven. Und, was noch hinzukommt: Solche Reformen brauchen Zeit. Es braucht - diese Schätzung habe ich jedenfalls mal gehört – fünf Jahre, zehn Jahre, bis so etwas wirkt und dann die Strukturen wirklich so sind, dass man sagen kann, die Wettbewerbsfähigkeit ist erhöht. Aber diese Zeit haben wir nicht!

    Peffekoven: Das ist völlig richtig. Aber wir haben ja auch in Deutschland eine nicht vergleichbare, aber eine ähnliche Situation gehabt, nach dem Krieg, mit einer fehlenden Wettbewerbsfähigkeit, Zerstörung des Produktionsapparates durch Kriegseinwirkungen, und wir haben auch fünf, sechs Jahre gebraucht, mit Marshallplan und allem. Aber die eben genannten Punkte, die haben wir in Deutschland eben damals auch sehr schnell und effizient umgesetzt. Wir hatten dann eine marktwirtschaftliche Ordnung, wir hatten ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wir hatten ein effizientes Steuersystem und wir hatten, auch über den Krieg gerettet, eine effiziente Bürokratie, und das alles fehlt in Griechenland und deshalb wird es dort eher noch viel länger dauern.

    Barenberg: Und es bleibt das Dilemma, wenn ich darauf noch mal zurückkommen darf, dass das Konzept, man spart hart, um dann die Grundlagen für einen neuen Aufschwung zu schaffen, dass dieses Konzept offenbar nicht aufgeht?

    Peffekoven: Das geht jedenfalls kurzfristig nicht auf, aber man wird keinen anderen Weg finden. Man muss auf diese Bedingungen auch pochen und man darf keine weiteren Kredite geben, ohne dass die Bedingungen erfüllt sind. Sonst riskiert man nämlich, dass die Zahlungen nun wirklich in ein Fass ohne Boden gehen und dass sich die Verhandlungen, die wir jetzt erleben, im Abstand von einem Vierteljahr, vielleicht dann auch noch kürzer, immer wiederholen und immer wieder die gleichen Probleme bringen.

    Barenberg: Wer soll, wer kann, wer will in Griechenland investieren, in einem Land, das auf Jahre hinaus noch am Boden liegen wird?

    Peffekoven: Investitionen sind immer Entscheidungen für die Zukunft. Man muss eben verlässliche Bedingungen schaffen und man muss die Klarheit schaffen, dass in zwei, drei Jahren die wesentlichen Punkte bewerkstelligt sind. Dann wird man auch mutige und weitsichtige Investoren finden. Aber dazu muss ein Anfang gemacht werden und ich stelle mir zum Beispiel vor, dass die Fragen des funktionsfähigen Steuersystems, einer effizienten Bürokratie oder auch die Privatisierung von vielen Staatsbetrieben, dass das in überschaubarer Zeit auch durchzusetzen wäre, wenn man sich denn wirklich da herangibt.

    Barenberg: Sind die europäischen Partner – das zum Schluss, Herr Peffekoven – in der Pflicht, im Rahmen einer Art Marshallplans zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen?

    Peffekoven: Also an den Mitteln an sich hat es auch in der Vergangenheit nicht gemangelt. Es werden ja gerade jetzt Zahlen genannt, Griechenland hat während der Mitgliedschaft sehr von den Strukturfonds der EU profitiert. Selbst wenn man die eigenen Leistungen zum EU-Budget abzieht, dann sind das wohl in den letzten 20 Jahren an die 100 Milliarden gewesen. Also am Geld hat es nicht gemangelt, sondern es mangelt an diesen Rahmenbedingungen für Wirtschaften, für Investieren, und die müssen dringend angegangen werden.

    Barenberg: Der Wirtschaftswissenschaftler Rolf Peffekoven heute Mittag hier in den "Informationen am Mittag". Herr Peffekoven, danke für das Gespräch.

    Peffekoven: Ich danke Ihnen auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.