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Pegida-Anfeindung in Dresden
"Montags gehe ich nicht raus"

Seit Pegida Woche für Woche montags durch die Dresdner Straßen zieht, fühlen sich Migranten, Flüchtlinge und Muslime bedroht. Es sei zu gefährlich geworden raus auf die Straße zu gehen, sagen viele Betroffene und verlassen am Abend ihr Haus nicht mehr.

Von Manfred Götzke | 23.01.2015
    Pegida-Demonstration am 12. Januar in Dresden
    Pegida-Demonstration am 12. Januar in Dresden (picture alliance / dpa / Foto: Arno Burgi)
    In der Piernaschen Vorstadt, ein paar Hundert Meter von Dresdens Innenstadt entfernt, ruft ein Imam im Keller eines ausgemusterten Sportlerheims zum Gebet. Dass der marode Bungalow, mit dem abblätternden hellgrünen Putz ein Gotteshaus ist, verrät nur ein kleines weißes Plastikschild. Marwa El Sherbini Moschee und Kulturzentrum.
    Wo früher Fußballmannschaften nach dem Spiel ihr Bierchen tranken – liegt jetzt dicker roter Teppichboden, in den Holzregalen für die Fußballschuhe haben die Gläubigen ihre Straßenschuhe zwischengelagert.
    Nur sechs Muslime sind an diesem Donnerstagabend gekommen – sechs von ganzen 2000 in Dresden. Eine Viertelstunde lang knien die Gläubigen nieder, richten sich wieder auf – und sprechen dem Imam nach. Danach geht es in einen kleinen Nebenraum. Einer der Gläubigen hat ein paar Kleinigkeiten zum Essen mitgebracht. Fetakäse, Tomaten, scharfe Chili. Während sie gemeinsam essen, sprechen die Männer über den Anschlag auf Charlie Hebdo. Das Thema beschäftigt sie hier seit Tagen.
    "Das Problem ist, unsere Leute, wenn die solche Taten begehen, die wurden geleitet - das ist falsch alles. Töten gibt's nicht bei uns."
    "Das schadet uns hier, weil wir Leben hier friedlich und wir haben kein Problem mit niemandem, durch dieses Attentat schauen uns alle böse an - Du bist Moslem, Du hast das gemacht, so ungefähr. Wir haben so was schon mal gehabt, Anfang der 1990 nach der Wende, da haben sie uns mit Wasser beworfen und so."
    Am Abend geht vielen nicht mehr raus
    Eine halbe Stunde nach dem Abendgebet kommt Samy Ibrahim vorbei, er ist Sprecher der Moschee. Der 47-jährige Ägypter lebt seit 15 Jahren in Sachsen - jetzt fühlt er sich zum ersten Mal in seinem Leben hier in Dresden bedroht. Sein 12-jähriger Sohn kam gestern völlig aufgelöst von der Schule zurück.
    "Der ist in der 6. Klasse und sagte mir, alle meine Mitschüler sind böse auf den Islam das ist natürlich für ein kleines Kind bitter, so eine Erfahrung. Der wird zu unrecht, obwohl er gar nichts getan hat, als Feind von seinen 20 Mitschülern angesehen. Das ist keine schöne Erfahrung."
    Seit ein paar Wochen holt Ibrahim seinen Sohn und die beiden jüngeren Geschwister montags immer mit dem Auto von der Schule ab. Draußen sein, mit Freunden treffen ist dann tabu. Seit Pegida Woche für Woche durch die Straßen zieht, sei das zu gefährlich geworden, sagt er.
    "Es geht gar nicht um ein Verbot. Ich selbst vermeide, raus zu gehen am Montag, wir alle. Ich mache alles, ob ich zum Bäcker gehe, meine Einkäufe und alles vor drei Uhr Nachmittag. Danach gehe ich nicht mehr raus, meine Familie genauso.
    Zwei junge Migranten wurden nach einer Pegida-Demonstration angegriffen
    Kurz vor Weihnachten soll eine Gruppe junger Migranten direkt nach einer Pegida-Demo in der Dresdner Innenstadt angegriffen worden sein. Zwei Jugendlich seien mit Elektroschockern niedergestreckt worden, eine 15-Jährige sei von mehreren Männern Mitte 30 zusammen geschlagen worden, berichten zwei junge Frauen, die den Vorfall beobachtet haben, dem Deutschlandfunk. (*) Die Dresdener Polizei ermittelt noch. Der Vorfall hat sich auch hier in der Moschee herumgesprochen.
    "Es ist ein Leben mit Angst. Man passt sich an die Situation irgendwie an - gezwungenermaßen."
    Ibrahim und seine Gemeindemitglieder sind selbst bislang nicht Opfer rechter Gewalt geworden. Aber sie spüren, dass sich in Dresden in den vergangen Wochen und Monaten etwas verschoben hat. Die freundlichen Begegnungen mit den Ur-Dresdnern, die seien selten geworden.
    "Man sieht es in den Augen der Menschen, das schon – da ist eine Unfreundlichkeit wenn ich einkaufen gehe – dann merke ich das, dass die Verkäuferin in einer Art begegnet, von mir genervt ist: Die will mich nicht sehen, nicht bedienen wegen meinem Aussehen vielleicht. Die Leute denken so: Die Minderheit ist immer schlecht."
    Samy Ibrahim hat sich hier in Dresden etwas aufgebaut. Familie, Freunde, eine kleine Firma für Drucker und Bürobedarf. Die Stadt ist eine Heimat für ihn geworden, er mag Dresden eigentlich. Doch mittlerweile sei die Stimmung völlig vergiftet.
    "Was man erlebt, gibt man zurück. Wenn einer mir die Vorfahrt nimmt beim Autofahren denke ich: Der macht das mit Absicht. Vor Pegida hätte ich das nicht gedacht."
    "Haben sie schon überlegt, hier wegzuziehen?"
    "Manchmal ja. Manchmal ja."
    (*) Anmerkung der Online-Redaktion: Ursprüngliche Textpassage auf Wunsch des Autors geändert: Da die Polizei in der Angelegenheit noch ermittelt, wurde deutlich gemacht, dass es sich hierbei um die Darstellung der Augenzeugen handelt, die interviewt wurden.