Donnerstag, 18. April 2024

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Pegida
"Eindeutig aus dem rechtsradikalen Lager"

Am Montag findet die erste Pegida-Demonstration in Köln statt. Für den ehemaligen Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) sind die Pegida-Organisatoren eindeutig rechtsradikal. Ein Teil der Demonstranten laufe jedoch nur mit, sagte er im DLF. Sie folgten "den Rattenfängern" aus Angst und Unwissenheit.

Fritz Schramma im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 03.01.2015
    Fritz Schramma
    Fritz Schramma hält wenig von der geplanten Pegida-Demonstration in Köln. (imago/Sven Simon)
    Schramma unterstützt die Aktion des Kölner Domkapitels, dass der Dom während der Pegida-Demonstration unbeleuchtet bleiben soll. "Ich begrüße das sehr," sagte er. Man wolle kein Podium darstellen mit dem Dom im Hintergrund.
    Politik und Gesellschaft seien aufgefordert, mit den Leuten zu sprechen, "die den Rattenfängern" folgen. Viele hätten sicher auch ernst zu nehmende Befürchtungen und liefen von "Angst getrieben" und aus Unwissenheit mit. "Hier gibt es nur ein Mittel: Aufklärung." Insbesondere die Politik sei gefordert.
    Schramma hatte während seiner Amtszeit den Bau der Kölner Moschee mit vorangetrieben. "Wir haben als eine Millionenstadt fast 12 Prozent Muslime, die hatten bis dato keinen würdigen Ort." Die Gesellschaft müsse Menschen aus anderen Ländern und Kulturen nicht nur akzeptieren, sondern auch respektieren. Zuwanderer könnten einen Gewinn für eine Gesellschaft darstellen. Man müsse dazu bereit sein, Neues zu lernen: "Das ist eine Frage der Willkommenskultur," so Schramma. Integration dürfe nicht mit Assimilation gleichgesetzt werden.
    Allerdings müsste sich auch die andere Seite engagieren: So sollten sich auch die Islamverbände in die Politik einbringen: "Das darf keine Einbahnstraße sein." Es gelte, einen Weg des gemeinsamen Miteinanders zu finden.

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Zurheide: Am Montag wollen sie wieder demonstrieren, die Menschen, die glauben, dass die Islamisierung unserer Gesellschaft bevorsteht und dass sie lautstark und vehement dagegen protestieren sollen und müssen. Auch in Köln soll und wird protestiert, allerdings formiert sich jetzt schon Widerstand, und darüber wollen wir reden mit dem früheren Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, der jetzt am Telefon ist. Zunächst einmal guten Morgen, Herr Schramma!
    Fritz Schramma: Ja, schönen guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Schramma, zunächst einmal, fangen wir an damit: Der Kölner Dom wird am Montag, wenn da gegen die vermeintliche Islamisierung demonstriert werden soll, wird der Kölner Dom nicht beleuchtet sein. Das Domkapitel hat dafür auch Kritik bekommen, positive und negative. Was sagen Sie? Ist das die richtige Entscheidung der katholischen Kirche?
    Schramma: Ja, ich habe schon dazu einen Kommentar abgegeben. Ich habe dem Domprobst, mit dem ich persönlich gut bekannt bin, sofort ein Fax geschickt und ihm zu dieser Entscheidung gratuliert. Ich finde das richtig, dass es ein gutes Zeichen ist, wobei ja auch der neue Weihbischof ja in seiner Neujahrsansprache dazu deutlich Stellung bezogen hat. Also im Prinzip hat die Kirche hier im Verbund mit den anderen vielen Gruppierungen in Köln sich schon geäußert, und ich unterstütze das sehr, ich begrüße das sehr. Wir wollen kein Podium darstellen, sodass der Dom hier als beleuchteter Hintergrund vielleicht für Bilder, die durch die Welt gehen nachher, ein Spektakulum wird.
    "Viele haben sicherlich ernst zu nehmende Befürchtungen"
    Zurheide: Auf der anderen Seite gibt es, so liest man das auch heute Morgen, einige Kritik auch aus der Kirche unter der Überschrift: Wie könnt ihr das denn machen - das ist ja ein berechtigtes Anliegen!? Was rufen Sie jenen Christen zu, die möglicherweise das für eine falsche Entscheidung halten?
    Schramma: Ja, das ist ja das grundsätzliche Problem, dass hier alle aufgefordert sind, insbesondere die Politik natürlich, mit diesen Leuten zu sprechen, die mitlaufen, die den Rattenfängern folgen, denn die Initiatoren der ganzen Geschichte sind ja eindeutig bestimmbare Menschen, die wir auch zuordnen können, aus dem rechtsradikalen Lager, durchaus bekannte Namen. Und, ja, deren Intention, deren Absicht ist allerdings sehr schnell durchschaubar. Viele andere haben sicherlich auch ernst zu nehmende Befürchtungen, haben auch ihre Gründe, gehen vielleicht unwissend oder ahnend oder angstgetrieben mit. Da gibt es, glaube ich, nur das eine Mittel: Aufklärung, das Mittel des Gesprächs. Und das müssen wir dringend suchen, also wir, damit meine ich die gesamte Gesellschaft, aber insbesondere die Politik.
    Zurheide: In Köln hat es ja eine Menge Debatten gegeben und das ist einer der Gründe, warum wir heute Morgen mit Ihnen reden. Sie haben als Oberbürgermeister in Ihrer Amtszeit mit dem Moschee-Neubau ja ein bewusstes Signal gesetzt. Sie haben sich für den Moschee-Neubau eingesetzt, auch damals gegen Widerstände. Wie haben Sie versucht, die Menschen davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, dass auch eine Moschee als Ort, als religiöser Ort in Köln wahrnehmbar da ist?
    Schramma: Ja, wir haben als eine Millionenstadt immerhin fast zwölf Prozent der Bevölkerung Muslime, und diese Muslime hatten bis dato keinen ordentlichen, akzeptablen, würdigen Ort. So ist dieser Plan damals entstanden. Ich war von der Idee einer solchen Moschee durchaus angetan, habe dann auch den Wettbewerb mitverfolgt. Der Plan, der dann aufkam, war eine sehr schön gestaltete Moschee, die Paul Böhm ja entworfen hatte. Und mir ging es dann im Wesentlichen darum, das habe ich auch sofort gemacht, mit dem Betreiber, also der DITIB, mit dem damaligen Vorstand, mit den Mitgliedern ins Gespräch zu kommen und einige Dinge zu vereinbaren, die das Innenleben dieser Moschee betrafen. Wir haben sogar einen Vertrag damals geschlossen, das bedeutet also, dass auf jeden Fall die deutsche Sprache dort nach und nach vorherrschen muss, dass es eine transparente Moschee ist, die also für jeden zugänglich ist, dass das architektonische Bild auch sich nach außen trägt, also Beton und Glas, durchsichtig, transparent, sollte auch die Idee der Arbeit in der Moschee sein, mit Integrationskursen, mit Gleichberechtigung von Männern und Frauen und so weiter, und so weiter. Da gab es also eine Reihe von Dingen, die wir vereinbart haben. Das habe ich transparent gemacht, das habe ich der Bevölkerung auch mitgeteilt in einer öffentlichen Pressekonferenz. Und so haben wir nach und nach das Verständnis bei den Kölnern dafür auch erreicht, glaube ich. Das ist inzwischen akzeptiert.
    "Das ist eine Frage der Willkommenskultur"
    Zurheide: Das ist also kein Zeichen für Sie für die Islamisierung des Abendlandes, wie das so manche sehen?
    Schramma: Nein, nein, überhaupt nicht. Also ich denke, ganz im Gegenteil: Diese Menschen leben mit uns, sie arbeiten mit uns tagtäglich, sie sind mit uns in allen möglichen Gruppierungen vertreten, Nachbarn von uns, und wir müssen sie in unserer Gesellschaft, ja, nicht nur akzeptieren, sondern eben auch respektieren, mit ihnen gemeinsam. Wir können ja auch eine ganze Menge von ihnen lernen, und das ist ja, glaube ich, auch der zentrale Aufruf: Leute, Menschen, die zu uns kommen, ob jetzt gezwungenermaßen oder auch freiwillig, das ist jetzt zunächst einmal ganz unterschiedlich, können einen Gewinn darstellen für eine Gesellschaft, wenn man es richtig versteht, wenn man sie richtig akzeptiert. Sie haben ja auch alle viele Fähigkeiten, Kompetenzen und bringen Neues mit, kann man vieles lernen. Da muss man bereit zu sein, das ist eine Frage der Willkommenskultur.
    Zurheide: Jetzt haben Sie geschildert, wie sehr Sie bereit waren, auf diese Verbände, auf die Menschen, die zu uns kommen, zuzugehen. Was erwarten Sie von denen andersherum: Dass auch die Islamverbände aktiver teilnehmen am Leben, am politischen Leben in Deutschland?
    Schramma: Ja, sicher. Ich habe auch das immer wieder eingefordert, das, was wir Integration nennen und unsere Bemühungen darum nicht gleichzusetzen ist mit dem Begriff der Assimilation. Ich habe darüber sogar mit Erdogan mehrfach gesprochen. Der war ja mal mein Kollege als OB in Istanbul und ich kannte ihn und kenne ihn von daher, und wenn er in Köln war, habe ich mich mit ihm auch getroffen und darüber diskutiert. Er hat dazu ja eine etwas andere Auffassung, darüber haben wir auch gestritten. Ich bin schon der Meinung, dass es keine Einbahnstraße sein darf, dass also auch vonseiten der muslimischen Gesellschaft hier in Deutschland es eine Bereitschaft geben muss, sich einzufügen, mitzumachen, Sie haben völlig recht. Das ist auch ein Problem und daran muss man von beiden Seiten arbeiten. Aber in Köln ist das schon mal gelungen, dass wir damals zum Beispiel selbst im Rosenmontagszug - das ist ja auch so etwas wie eine Demonstration, wenn man so will - einen Wagen gestaltet haben, der so eine Verbindung zwischen Dom und Moschee darstellt in einer sehr netten, lustigen Art, und es sind sogar türkische Mitbürger, die damals im Vorstand waren, mit bei diesem Rosenmontagszug dabei gewesen. Also Sie sehen, dass das hin und wieder auch gelingt. Da sind die Schulen aufgefordert, die Kindergärten, da ist aber auch jeder andere Nachbar, der in einer Straße wohnt mit Mitbürgern jetzt muslimischer Generation, aber auch vielleicht anderer Kulturen - wir haben in Köln etwa 20 verschiedene Religionen. Und da muss man einen Weg des gemeinsamen Miteinanders finden. Ich habe einen Rat der Religionen damals im Jahr 2004 in Köln gegründet, der tagt heute noch und der hat auch, ja, einige wesentliche Dinge zusammengeschrieben, die eigentlich als eine Form des Zusammenlebens gelten sollten.
    Zurheide: Da muss man sich zusammensetzen, da muss man miteinander reden. Genau das haben wir heute Morgen auch getan über das, wie man in Köln zum Beispiel mit dem Problem der Zuwanderung umgeht und umgegangen ist. Ich bedanke mich bei Fritz Schramma, dem ehemaligen Oberbürgermeister, für dieses Gespräch. Danke schön, Herr Schramma!
    Schramma: Danke schön Ihnen auch, alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.