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Pegida
Hessens SPD-Chef nimmt Gabriel in Schutz

Der hessische SPD-Chef Torsten Schäfer-Gümbel hat das Gespräch von Bundesparteichef Sigmar Gabriel mit Pegida-Anhängern verteidigt. Im Deutschlandfunk sagte er, Zuhören schade nicht. Mit den Veranstaltern von Pegida rede die SPD dagegen nicht.

Torsten Schäfer-Gümbel im Gespräch mit Silvia Engels | 26.01.2015
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    In den letzten Tagen waren in der SPD-Parteispitze unterschiedliche Haltungen zu Pegida bekannt geworden. Generalsekretärin Yasmin Fahimi lehnt einen Dialog weiter ab. Parteichef Sigmar Gabriel nahm dagegen am Freitagabend in Dresden an einer Diskussion mit Anhängern und Gegner von Pegida teil.
    Der hessische SPD-Chef Torsten Schäfer-Gümbel sieht darin keinen Widerspruch. Im Deutschlandfunk sagte er, Gabriels Haltung sei "völlig eindeutig und klar". Mit Veranstaltern von Pegida rede man nicht, aber: "Zuhören schadet nie." Gabriel sei nicht bei einer Veranstaltung von Pegida gewesen, sondern bei einer der Landeszentrale für politische Bildung. Schäfer-Gümbel sagte, die kolportierte Äußerung, Gabriel seit als Privatmann dort gewesen, stimme nicht. Er habe selbst mit ihm telefoniert: "Die Formulierung ist nie gefallen." Ein SPD-Vorsitzender sei niemals als Privatmann unterwegs.
    Schäfer-Gümbel kritisierte Pegida noch mal deutlich: "All diejenigen, die im Moment mit fremdenfeindlichen und ausgrenzenden Parolen versuchen, Stimmung zu machen im Land, sind niemals Partner der SPD."

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Mancher, der am Freitag mit SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Landeszentrale für politische Bildung in Dresden über Ausländer und den Islam diskutiert hat, hat möglicherweise gestern Nachmittag auf dem Dresdener Schlossplatz gestanden - als Anhänger von Pegida. Unter anderem trat dort auch ein Organisator des Leipziger Ablegers Legida auf. Diese Gruppierung wird von den Behörden als rechtsradikaler eingeschätzt als Pegida.
    Am Telefon ist Thorsten Schäfer-Gümbel, Vorsitzender der SPD in Hessen und Mitglied des Bundesparteivorstands. Guten Morgen, Herr Schäfer-Gümbel.
    Thorsten Schäfer-Gümbel: Einen schönen guten Morgen. Ich grüße Sie.
    "Wir suchen die politische Auseinandersetzung"
    Engels: War es klug von SPD-Chef Gabriel, sich mit Pegida-Anhängern zu treffen?
    Schäfer-Gümbel: Dahinter steckt ja die Frage, welche Haltung die SPD zu Pegida und all dem, was da in Dresden und anderswo passiert, hat, und die Haltung der SPD, auch von Sigmar Gabriel, ist da völlig eindeutig und klar. All diejenigen, die im Moment versuchen, mit fremdenfeindlichen und ausgrenzenden Parolen Stimmung zu machen im Land, sind niemals Partner der SPD. Wir haben da eine sehr klare Haltung. Wir stehen für Toleranz und Integration und deswegen suchen wir auch die politische Auseinandersetzung gerade mit denen, die versuchen, im Land Stimmung zu machen. Und im Übrigen: Ich habe jetzt mehrfach gelesen, dass er gesagt haben soll, er sei da als Privatmann gewesen, was schlicht Quatsch ist. Ich habe mit Sigmar Gabriel am Wochenende darüber geredet. Diese Formulierung ist nie gefallen. Ein SPD-Vorsitzender ist niemals als Privatmann unterwegs, außer er befindet sich im familiären Umfeld.
    Engels: Sie sagen, die SPD sei hier klar. Aber Gabriel unterscheidet ja zwischen Pegida-Organisatoren, mit denen würde er nicht diskutieren, und Menschen, die dort hingehen, weil sie besorgt seien. Teilen Sie diese Unterscheidung?
    Schäfer-Gümbel: Die Unterscheidung nehmen viele in der SPD vor, weil wir klar gesagt haben, diejenigen, die dort organisieren, die das alles veranstalten, die können niemals Gesprächspartner der sozialdemokratischen Partei sein, sondern dort gibt es nur eine klare Haltung, nämlich ihnen klar zu sagen, dass sie für ein Land stehen oder für eine Position stehen, die für uns nicht akzeptabel ist, die dem Ansehen auch des Landes schadet. Dazu hat Frank-Walter Steinmeier sehr klare Worte am Wochenende gefunden. Und wir sagen alle uni sono, dass diejenigen, die sich hinter solchen Parolen versammeln und dort mitlaufen, selbst wenn sie nicht jeden einzelnen Punkt teilen, als mündige Bürger in der Verantwortung sind, auch sich der Verantwortung stellen müssen, hinter welchen Parolen sie sich sammeln. Und dahinter gibt es wiederum einen Punkt, dass wir sehr genau hinschauen müssen, warum versammeln sich da eigentlich Leute, und deswegen haben wir an den verschiedenen Stellen über die Frage von Globalisierungsängsten, dem Ärger, dass es keine Antwort gibt auf bestimmte Fragen. Das sind Themen, die uns in jeder Bürgersprechstunde beschäftigen.
    Engels: Aber da muss ich noch mal einhaken. Nun sagt ja SPD-Chef Gabriel eben nicht ganz klar denjenigen, die Sympathisanten von Pegida sind, dass das nicht geht, sondern er sagt heute auch in der "Leipziger Volkszeitung" die Worte, "Zuhören schadet nicht". Aber was denn jetzt?
    Schäfer-Gümbel: Also: Zuhören schadet nie. Aber Sigmar Gabriel sagt in der "Leipziger Volkszeitung" sehr klar und eindeutig heute, und zwar nicht zum ersten Mal, sondern zum wiederholten Male, dass die, die dort mitlaufen, sich ihrer Verantwortung bewusst sein müssen, hinter welchen Parolen sie sich sammeln, und deswegen verstehe ich die Debatte nur sehr beschränkt.
    "Gabriel war nicht bei einer Veranstaltung der Pegida"
    Engels: Sollte dann SPD-Chef Gabriel diese Bereitschaft einmal zu dieser Diskussionsrunde mit Pegida auch wirklich zu einer einmaligen Aktion gemacht haben, oder empfehlen Sie weitere Auftritte?
    Schäfer-Gümbel: Also: Sigmar Gabriel war bei einer Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung. Er war nicht bei einer Veranstaltung der Pegida, um das auch einmal sehr klarzustellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Sozialdemokrat zu einer Pegida-Veranstaltung geht, sondern es ging um eine Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung, die sich mit der Frage beschäftigt hat, warum gehen dort Leute hin, bei der sowohl Leute anwesend waren, die bei solchen Demonstrationen mitlaufen, als auch diejenigen, die kategorisch dagegen sind.
    Und noch einmal: Das Zuhören ist notwendig, weil es offensichtlich ja Fragen gibt, auf die ein Teil der Auffassung ist, dass er keine Antworten dazu bekommt. Ich finde, da machen es sich viele entschieden zu bequem. Diese Form der Dienstleistungsdemokratie, die ich dort manchmal erlebe, nach dem Motto, "Die da oben und wir hier unten", das funktioniert so nicht. Und man merkt ja auch, wie stark die regionalen Unterschiede sind. Ich bin heilfroh, dass die übergroße Mehrzahl auch im Land öffentlich und klar Position bezieht in großen Demonstrationen. Wir hatten gestern beispielsweise in Mittelhessen eine Demonstration, die ist angemeldet worden, da waren 30 Leute auf der anderen Seite, während für Toleranz und Integration mehrere hundert demonstriert haben. Also man muss auch sehr genau anschauen, was passiert da in Dresden, aber es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die SPD zu dieser Frage eine sehr, sehr klare Haltung hat, und ich will noch einmal an Frank-Walter Steinmeier erinnern, der sehr klar auch am gestrigen Tag noch einmal gesagt hat, das was da passiert schadet dem Ansehen im Land, und das ist hier einigen nicht bewusst.
    "Die Haltung der SPD zu Pegida ist sehr klar"
    Engels: Auch Generalsekretärin Fahimi von Ihrer Partei hält ja allein auch solche Diskussionen wie die in der Landeszentrale, an der Gabriel teilgenommen hat, für ein falsches Signal. Nun ist aber auch bekannt, dass zum Beispiel Fraktionschef Oppermann Gespräche mit Sympathisanten nicht ausschließen will. So einheitlich, wie Sie es schildern, ist doch die SPD nicht. Wäre es nicht an der Zeit, das einzuräumen, dass man hier noch debattiert?
    Schäfer-Gümbel: Also: Die SPD ist eine große Partei, in der immer diskutiert wird. Das ist nicht neu. Aber noch einmal: Die Haltung der SPD zu Pegida und dem Umgang mit Pegida ist sehr klar. Es wird - und das sagen alle aus der Führung immer und immer wieder -, es wird unsererseits keine Gespräche geben können mit denen, die das alles veranstalten. Es gibt keine Sozialdemokratin und keinen Sozialdemokraten, die an Veranstaltungen von Pegida teilnimmt. Das ist völlig klar.
    Die Frage, in welchem Umfang wir zuhören können und Punkte reflektieren, die dort zum Thema gemacht werden, das ist sozusagen Dauerauftrag von Politik. Und ich will gerade auch noch mal zu Yasmin Fahimi einen sehr zentralen Punkt sagen. Sie hat ein sehr bewegendes Interview am Wochenende gegeben, in dem sie auch noch mal klargestellt hat, welche Drohungen und Angriffe es derzeit auch aus diesem Spektrum gerade ihr auch gegenüber wie vielen anderen gegenüber gibt. Und deswegen: Es kann überhaupt keinen Zweifel an unserer Haltung geben. Das ändert nichts daran, dass man sehr genau zuhören muss, was passiert da, auch um zu verhindern, dass das größer wird, und denen, die wirklich nach Antworten suchen, Antworten zu geben.
    "Die Erklärung von Herrn Tillich ist brandgefährlich"
    Engels: Wie bewerten Sie da Äußerungen des sächsischen Ministerpräsidenten Tillich, der Islam gehöre nicht zu Sachsen, oder man könne Menschen, wenn es 17.000 oder mehr wären, die zu Pegida gehen, nicht schlichtweg an den Rand schieben?
    Schäfer-Gümbel: Ich finde die Erklärung von Herrn Tillich brandgefährlich. Ich finde das auch spannend, in welcher Art und Weise er dort der Kanzlerin in die Parade fährt, weil es ja nichts anderes ist, als den Versuch zu machen, hier ebenfalls mit Ausgrenzungen zu agieren. Das ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel und ich fand den Vorgang am gestrigen Tag auch wirklich mehr als bemerkenswert. Und von an die Seite schieben kann überhaupt keine Rede sein, weil diejenigen, die dort auf die Straße gehen und gerade im 25. Jahr der deutschen Einheit "Wir sind das Volk" brüllen und eigentlich damit meinen, dass ein bestimmter Teil der Gesellschaft nicht dazugehört, denen jetzt sozusagen das Wasser auf die Mühlen zu geben und ihnen das Wort zu reden, das finde ich nicht in Ordnung.
    Engels: Thorsten Schäfer-Gümbel, Vorsitzender der SPD in Hessen und Mitglied des Parteivorstands. Vielen Dank für das Gespräch.
    Schäfer-Gümbel: Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.