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Perfide Machenschaften im Weißen Haus

Geheime Waffenverkäufe an den Iran, Unterstützung der mörderischen Guerilla in Nicaragua - Ende 1986 wurde die US-Außenpolitik unter Ronald Reagan aufs Peinlichste entblößt. Im Zentrum des Skandals stand dessen Sicherheitsberater John Poindexter.

Von Monika Koepcke | 25.11.2011
    "In jedem anderen Land hätte man das einen Staatsstreich genannt. Und sie scheinen damit davonzukommen."

    "Bei allen größeren Fragen und Themen haben sie sich zurückgehalten. Immer, wenn sie in etwas wirklich Heikles über die genaue Rolle der CIA hineingerieten, darüber, welche Gesetze tatsächlich gebrochen worden waren, gingen sie in eine geheime Sitzung."

    "Did they tell the truth? – No! – Not really. – Not the whole truth. – Nobody could remember anything. They talk about senility. Holy cow!"

    Ob die Vertreterin einer Nicht-Regierungs-Organisation, ob ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter oder Passanten auf den Straßen Washingtons: Auch nach Monaten der manchmal peinlichen Befragungen in schier endlosen Sitzungen des amerikanischen Kongresses, live im Fernsehen übertragen, blieben Zweifel, ob die Iran-Contra-Affäre restlos aufgeklärt werden würde.

    Am 25. November 1986 hatte ein Artikel in einer Beiruter Zeitung den Stein ins Rollen gebracht. Er hatte über geheime Waffenverkäufe an den Iran berichtet, gegen den die USA eigentlich ein Embargo verhängt hatten. Mit den Waffen sollten amerikanische Geiseln freigekauft werden.

    Eingefädelt hatten diesen Deal Oliver North und John Poindexter, beide hochrangige Militärs und Mitglieder des nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus. Sie traten noch am gleichen Tag zurück. Ronald Reagan, immerhin der Chef im Weißen Haus, wollte von all dem nichts gewusst haben. Als auch die amerikanischen Zeitungen schon längst das Gegenteil schrieben, beharrte er:

    "Wir haben keinen, ich wiederhole, keinen Waffenhandel für Geiseln betrieben, noch werden wir das tun."

    Reagan selbst hatte den Waffenhandel angeordnet, wie seine Unterschrift unter einem entsprechenden Brief bald beweisen sollte. Nun versuchte der Präsident, die Lieferungen klein zu reden: Sie hätten nicht einmal ein Flugzeug gefüllt.

    "Everything that we sold them could be put in one cargo plane and it would be plenty of room left over."

    Mehr als 1500 Panzer und Luftabwehrraketen waren an den Iran verkauft worden. Doch das war nur die Spitze des Eisberges. Denn der Iran ließ nicht nur die Geiseln frei, sondern zahlte auch 14 Millionen Dollar für die Waffen. Geld, das Oliver North und John Poindexter über dunkle Kanäle an die paramilitärischen Contras weiterleiteten.

    In Nicaragua hatten die Sandinisten 1979 den Diktator Somoza gestürzt; die USA sahen damit ihre strategischen Interessen in Lateinamerika gefährdet. Angehörige der gefürchteten Nationalgarde Somozas hatten sich nach dem Sturz in das Nachbarland Honduras geflüchtet. Dort formierten sie sich als Guerilla-Armee. Diese sogenannten Contras finanzierten sich mit Kokainschmuggel in die USA und den Profiten aus den illegalen amerikanischen Waffenverkäufen. Ihre Schulung und ihr Training übernahm die CIA, die auch den Drogenhandel duldete.

    Sie entwickelte eine perfide Strategie: Die Contras sollten Nicaragua destabilisieren und traumatisieren, indem sie die Zivilbevölkerung terrorisierten: Sie zerstörten die Ernten und stahlen das Vieh, sie legten Minen, überfielen Dörfer und schlachteten wahllos Männer, Frauen und Kinder ab.

    "Ich tat es. Ich schäme mich in keiner Weise für das, was ich getan habe. Ich bekam einen Befehl und ich habe versucht, ihn auszuführen."

    So Oliver North vor dem Iran-Contra-Untersuchungsausschuss. Wer im Weißen Haus kannte das ganze Ausmaß seiner Machenschaften? War es wirklich nur sein Vorgesetzter im Sicherheitsrat, John Poindexter? Und vor allem: Was wusste Ronald Reagan?

    "I don’t, I did not."

    ... sagte Poindexter auf die Frage, ob er jemals den Präsidenten darüber informiert habe, dass das Geld aus den Waffenverkäufen für die Contras verwendet worden sei. Im Weißen Haus rollten andere Köpfe: Neben North und Poindexter musste auch der Verteidigungsminister gehen. Der Chef der CIA starb noch während der Kongressanhörungen. Reagan blieb, angeschlagen zwar, im Amt.

    "Der Spiegel" schrieb: "Die Aussagen von North und Poindexter mögen den Präsidenten entlastet haben. Aber er steht als jemand da, der nicht weiß, was im Weißen Haus passiert. Dass dort Außenpolitiker aus eigenem Recht am Werk waren, getrieben vom Willen, ihre Vorstellung einer nationalen Sicherheitspolitik auch gegen Öffentlichkeit und Parlament weltweit durchzusetzen."