Freitag, 29. März 2024

Archiv

Perlen der Pressefreiheit: Costa Rica
Land der glücklichen Journalisten?

Costa Rica gilt in Lateinamerika als Vorzeigestaat - auch in Sachen Pressefreiheit. Aber nicht alle fühlen sich in den Medien gleichermaßen repräsentiert. Ein nicht-kommerzielles Korrespondentennetzwerk soll helfen.

Von Anne Demmer | 30.07.2019
Ein Mann liest Zeitung in San José, der Hauptstadt von Costa Rica
Ein Zeitungsleser in San José, der Hauptstadt von Costa Rica (imago stock&people)
Journalisten werden nur selten körperlich angegriffen, bedroht oder auf andere Weise eingeschüchtert. Der Staat mischt sich auch nur selten in Berichterstattung ein – schreibt die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen auf ihrer Internetseite über Costa Rica. Dafür hat Costa Rica den Platz 10 auf der Rangliste von 180 Staaten bekommen. Das Land habe einiges dafür getan, sagt Emma Lizano vom Journalistenverband in Costa Rica.
"Costa Rica ist ein demokratisches Land. Wir haben in unserer Geschichte wichtige politische Entscheidungen getroffen. Es werden Bürger- und Menschenrechte geachtet. Die Pressefreiheit ist grundlegend für die Konsolidierung einer Demokratie."
Wenige Berichte über die Landbevölkerung
Doch nicht alles ist ganz so rosig. Zwar können Journalisten in Costa Rica frei arbeiten. Doch die Arbeit der Reporter konzentriere sich vor allen Dingen auf die Städte, kritisiert die Medienwissenschaftlerin Andrea Mendez Montero von der Universidad de Costa Rica.
"Diejenigen, die weitab von den Ballungszentren leben, finden ihre Themen in den Massenmedien nicht wieder. Wir haben eine Umfrage durchgeführt – die Menschen wünschen sich mehr Medien in ihren eigenen Gemeinden."
Eingeschränkte Medienvielfalt
Durch diese Konzentration auf die Städte würde das Informationsangebot und die Meinungsvielfalt deutlich eingeschränkt, so Mendez Montero. Die Medien des Landes befinden sich in den Händen einiger weniger einflussreicher Eigentümer, sodass der Medienpluralismus bedeutend eingeschränkt ist, schreibt auch Reporter ohne Grenzen in seiner Bewertung.
"Menschen auf dem Land betreffen, die indigene Bevölkerung, Frauen - sie kritisieren immer wieder, dass ihre Interessen, ihre Meinungen, ihre sozialen Kämpfe nicht von den Medien aufgegriffen werden. Sie fühlen sich nicht wahrgenommen, ausgeschlossen", sagt die Medienwissenschaftlerin Andrea Mendez Montero.
"Wir sollten hinterfragen: Was ist wirklich Pressefreiheit?"
Genau aus diesem Grund hat Joaquin Tapia ein Problem mit dem Ranking von Reporter ohne Grenzen. Der 37-jährige Journalist arbeitet für die Organisation Centro de Comunicación Voces Nuestras, die sich für die Stärkung der Zivilgesellschaft einsetzt.
"Die Platzierung der Länder auf der Rangliste der Pressefreiheit ist sehr merkwürdig. Seit einigen Jahren wird die Idee verkauft, dass Costa Rica das glücklichste Land der Welt ist. Das beeinflusst die Bevölkerung und den öffentlichen Diskurs über das Glücklichsein, eine konsolidierte Demokratie. Aber es ist sehr bedauerlich, wir sollten hinterfragen: Was ist wirklich Pressefreiheit? Was bedeutet Pluralismus? Wie kann man Costa Rica auf Platz Eins in Lateinamerika setzen, wenn die Politik verhindert, dass bestimmte soziale Akteure nicht ihr Anliegen artikulieren können? Das hat Auswirkungen auf die Demokratie."
Nicht-kommerzielles Korrespondentennetzwerk
Die Organisation Centro de Comunicación Voces Nuestras setzt genau da an, will gegensteuern, erklärt Joaquin Tapia: "Wir unterscheiden uns von den herkömmlichen kommerziellen Medien in Costa Rica. Wir machen unser Radioprogramm mit Stimmen aus der Landbevölkerung. Sie kommen in den Massenmedien kaum vor. Wir haben ein Programm das nennt sich "Voces Nuestras" – unsere Stimmen. Das ist ein regionales Programm mit Korrespondenten, die überall verteilt sind."
Das Korrespondentennetzwerk von Voces Nuestras erstreckt sich über ganz Mittelamerika und Mexiko. Die Radiosendungen können im Internet oder in den Community-Radios gehört werden, sie werden aber auch den kommerziellen Sendern kostenlos zur Verfügung gestellt.
"Wir wollen kritische und unbequeme Themen auf die Agenda setzen. Die kommerziellen Medien verkaufen Informationen wie eine Ware. Wir wollen denjenigen eine Stimme geben, die man ansonsten nie hört, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Wir von Voces Nuestras wollen versuchen, Brücken zu bauen, damit die verschiedenen sozialen Akteure, ihre Themen, ihre Botschaften senden können - auch in den traditionellen Massenmedien."