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Perowskit-Solarzellen
Auf dem Weg vom Labor in den Markt

In Brandenburg an der Havel fertigt die britische Firma Oxford Photovoltaics derzeit eine Tandemzelle; Solarzellen aus einer Verbindung aus Silizium und dem Mineral Perowskit. Damit soll der Wirkungsgrad gesteigert werden, ohne dass die Produktionskosten in die Höhe schnellen. So kann Solarstrom noch günstiger werden.

Von Ines Rutschmann | 11.01.2017
    Ein Haus mit Solaranlagen auf dem Dach.
    Mit den neuartigen Tandemzellen könnte Solaranergie bald noch preiswerter sein. (Bild: picture alliance / dpa) (picture-alliance / dpa)
    Arbeiter montieren Maschinen ab, verladen und verpacken sie. Seit mehreren Monaten steht die Produktion in der Fabrik still. Aber bald sollen einige der Anlagen wieder in Betrieb gehen. Das britische Unternehmen Oxford Photovoltaics hat das Gebäude in der Stadt Brandenburg gekauft. Die Firma Bosch produzierte hier Dünnschichtmodule auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Selen. Unter dem neuen Eigentümer sollen neuartige Solarzellen vom Band laufen. Es werden die ersten weltweit sein, die aus Perowskiten bestehen. Darunter sind Materialien zu verstehen, die eine bestimmte Kristallstruktur aufweisen. Sie zeichnen sich gegenüber anderen Halbleitern durch mehrere Vorteile aus, erklärt Geschäftsführer Frank Averdung:
    "Die Materialien sind grundsätzlich sehr preisgünstig, sind in Volumen erhältlich. Es sind keinerlei seltene Materialien drin, wie es zum Beispiel Gallium eines ist. Und der Vorteil im Herstellungsprozess ist, dass man sehr einfach diese Materialien aneinander bringen kann und dann formt sich die Perowskit-Zelle und stellt diese Fotoabsorbierende Schicht her. Und man hat eigentlich mit wenig energetischem Aufwand es geschafft, eine funktionierende, sogar hocheffiziente Solarzelle herzustellen."
    Silizium ist das zweithäufigste Element auf der Erde
    Hocheffiziente Solarzellen bestehen heute zumeist aus kristallinem Silizium. Auch dieses Material ist in großer Menge verfügbar – Silizium ist das zweithäufigste Element auf der Erde. Ehe aber daraus eine Solarzelle entsteht, muss Silizium geschmolzen und gereinigt werden. Danach werden Blöcke geformt, in Scheiben gesägt und mit Fremdatomen versetzt. Die Kosten für all das sind stark gefallen. Doch die Sparpotenziale sind fast ausgeschöpft. Die kristalline Siliziumtechnologie dominiert aber heute die Fotovoltaik. Die Zellen sind erprobt und arbeiten verlässlich. Darauf will Oxford PV aufbauen - und die eigenen Fabrikate aus Perowskiten mit handelsüblichen Siliziumsolarzellen verbinden.
    "Das heißt also, man bringt eine weitere Solarzelle auf die kristalline Zelle auf. Die trägt dann wiederum dazu bei, einen anderen Teil des Solarspektrums in Elektrizität umzuwandeln, und die Kombination gibt dann höhere Wirkungsgrade. Das heißt, es ist durchaus realistisch, dass man mittelfristig dort Effizienzen von 30 Prozent und höher im Tandemverbund erreichen kann."
    Große Zukunft für die Tandemzelle
    Bislang weisen die im Labor gefertigten Tandemzellen der Firma einen Wirkungsgrad von rund 23 Prozent auf. Mittelfristig 30 Prozent zu erreichen – dies wäre ein Meilenstein in der Fotovoltaik. Denn theoretisch kann eine Siliziumsolarzelle nur maximal 29 Prozent der Energie des Sonnenlichts in Strom umsetzen. Von dieser physikalischen Grenze sind die besten Fabrikate der klassischen Technologie nicht mehr weit entfernt. Forscher weltweit arbeiten daher an Tandemzellen. Aus der Verbindung von Silizium und Perowskiten versprechen sie sich, den Wirkungsgrad zu steigern, ohne dass die Produktionskosten in die Höhe schnellen. So kann Solarstrom noch günstiger werden. Dass eine solche Tandemzelle in Zukunft eine große Rolle spielen wird, traue er der Technologie zu, sagt der Wissenschaftler Stefan Glunz vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme.
    "Es gibt noch zwei, drei andere Varianten, wie man es auch machen kann, indem man zum Beispiel eben Galliumarsenid-basierte Halbleiter mit Silizium kombiniert. Da ist aber eher die Frage: Kann man mit den Kosten so weit runterkommen? Und bei den Perowskiten ist es so: Man kann sich gut vorstellen, dass es sehr, sehr kostengünstig sein wird, aber auf der anderen Seite weiß man eben nicht, wie gut es gelingt technologisch."
    Perowskit-Solarzellen vertragen schlecht Hitze und Feuchtigkeit
    Eine Herausforderung bei Perowskit-Solarzellen ist, dass ihr Wirkungsgrad nach kurzer Zeit abfällt. Die Zellen vertragen schlecht Hitze und Feuchtigkeit. Diese Probleme habe Oxford PV gelöst, heißt es. Um Feuchtigkeit zu vermeiden, werden die Perowskite in einem trockenen Verfahren aufgedampft. Im Betrieb unter freiem Himmel sind die Zellen gut vor der Witterung zu schützen - am besten, indem sie zwischen zwei Glasscheiben gebettet werden. Die Stabilität der Zellen hat die Firma durch die Zusammensetzung des Perowskits in den Griff bekommen. Seine erste Solarzelle aus Perowskiten schuf der Gründer und Cheftechnologe von Oxford PV, Henry Snaith, aus Methylammonium, Blei und Jod. Welche Stoffe heute in der Zelle stecken, bleibt geheim. Frank Averdung sagt nur, dass Blei noch enthalten ist.
    "Wir haben Materialkombinationen entwickelt, die eine deutlich höhere Langzeitstabilität haben, die eine höhere Temperaturstabilität haben. Damit können wir Standardprozesse benutzen, die in der PV-Industrie bereits verfügbar sind und eingesetzt werden."
    Das ist wichtig, denn die Tandemsolarzellen sollen sich in bestehenden Produktionslinien herstellen lassen. Selbst Zellen zu produzieren, hat Oxford PV nicht im Sinn. Wenn die Pilotfertigung läuft, will das Unternehmen die Technologie etablierten Solarfirmen verkaufen.