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Personalpolitik der Post
Von sozialer Verantwortung und moralischer Haltung

Die Kritik an den Entfristungs-Kriterien der Deutschen Post reißt nicht ab. DGB-Chef Reiner Hoffmann bezeichnet sie als "moralisch verwerflich". Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will die befristete Beschäftigung grundsätzlich zurückdrängen - doch die Chancen dafür scheinen gering zu sein.

Von Paul Vorreiter | 07.05.2018
    Der Paketzusteller der Deutsche Post DHL, Hubert Pilat, liefert am 02.09.2015 in Herten (Nordrhein-Westfalen) Pakete aus.
    Die Bestimmungen zur Entfristung von Verträgen sollen bei den Paketboten der Deutschen Post angewendet werden. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Unbefristeter Vertrag nur dann, wenn die Beschäftigten während ihrer Befristung nicht zu oft krank sind, wenn möglich, auch nicht zu langsam arbeiten oder zu oft in Arbeitsunfälle verwickelt sind: Dieses Modell soll bei den Paketboten der Deutschen Post angewendet werden und ist aus Sicht des Chefs des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann:
    "Arbeitsrechtlich leider nicht angreifbar, aber es ist moralisch höchst verwerflich, dass man die Entfristung von Arbeitsverträgen daran koppelt, wie gesund oder wie selten krank die Beschäftigten bei der Post sind. Da ist es wirklich an der Zeit, dass mit diesem Unfug aufgeräumt wird."
    Olaf Scholz unter Druck
    Ein Appell an die Politik: Als Anteilseigner mit knapp 21 Prozent könnte der Bund über die KfW-Bankengruppe seinen Einfluss geltend machen. Hoffmann sagte, er freue sich, dass sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, dafür einsetzen wolle:
    "Diejenigen, die für uns im Aufsichtsrat sitzen, haben sich schon vorgenommen, seitdem sie das heute gehört haben, wie Sie ja auch heute für Ihre Sendung, darauf zu reagieren und die Gespräche schon vereinbart", sagte Olaf Scholz am Abend in der Talkshow "Anne Will" im Ersten. Der Sozialdemokrat steht in dieser Frage besonders unter Druck. Schließlich wird hier ein Kernanliegen der SPD in dieser Legislaturperiode berührt; die Sozialdemokraten wollen befristete Beschäftigung reduzieren:
    "Ich bin davon überzeugt, dass die befristete Beschäftigung zurückgedrängt werden muss bei diesem Unternehmen genauso wie bei anderen, wir können das bei der Post nicht alleine durchsetzen, aber wir können den Einfluss nehmen, den wir haben."
    Jeanette Schwamberger, Sprecherin im Bundesfinanzministerium, konkretisierte heute die Aussagen des Ministers:
    "Das Hinwirken hat in diesem Aspekt einen wichtigen Anteil und die Gespräche sollen erst mal dazu führen, dass man sich darüber informiert, wie die Praxis dann tatsächlich ist und gibt dem Bund die Möglichkeit, auch seine Meinung und Einschätzung dieses Sachverhalts als Anteilseigner auch deutlich zu machen dem Vorstand."
    Die Chancen, kurzfristig eine Änderung herbeizuführen, scheinen also doch gering zu sein. Dominik Ehrentraut, Sprecher des Arbeitsministeriums, erinnerte heute an den Appell des Ministers, Hubertus Heil, wonach "ein Unternehmen natürlich auch immer eine soziale Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat und diese Verantwortung darf nicht von der Art des Arbeitsvertrags gemacht werden."
    Befristung als Stressfaktor
    Ein Sprecher der Post in Bonn bestätigte den Bericht der "Bild am Sonntag" über die Praxis in dem Unternehmen, schränkte aber gegenüber der Zeitung "Die Welt" auch ein:
    "Im Übrigen legt die Post keine Schablonen an, sondern berücksichtigt immer das Gesamtbild. Da Zusteller im Moment dringend gesucht werden, kann man außerdem davon ausgehen, dass die Auswahl nicht nach zu strengen Kriterien erfolgt."
    Wer wie oft wegen Krankheit ausfällt, könne darüber hinaus auch mit der Form der Beschäftigung und der damit verknüpften Belastung zusammenhängen: Gerhard Bosch, Arbeitssoziologe, heute am Morgen im Deutschlandfunk:
    "Viele Leute sind befristet beschäftigt und bangen die ganze Zeit, ob ihr Arbeitsvertrag verlängert wird und diese Unsicherheit ist ein Stressfaktor, der ganz enorm ist. Sie müssen sich alle zwei Jahre fragen oder jedes Jahr: Habe ich genug Leistung erbracht, um überhaupt in meinem Job bleiben zu können?"