Freitag, 29. März 2024

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Peru
Gewalttätige Konflikte wegen Bergbauprojekten

Ein Abkommen mit Peru soll der deutschen Industrie Zugang zu wichtigen Rohstoffen sichern. Susanne Friess von der Entwicklungsorganisation Misereor befürchtet, dass dies auch gravierende Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechtslage haben könnte. Für Betroffene müsse es seinen einfachen Beschwerdeweg geben, forderte Friess im DLF.

Susanne Friess im Gespräch mit Jule Reimer | 14.07.2014
    Jule Reimer: Prominenter Gast bei den Petersberger Gesprächen ist der peruanische Staatspräsident Ollanta Humala, denn die nächste Klimaschutz-Konferenz wird im Dezember in Perus Hauptstadt Lima ausgerichtet. Aber für die deutsche Bundesregierung gibt es noch einen Grund, die peruanische Regierungsdelegation feierlich zu empfangen. Heute unterzeichnen beide Regierungen eine Rohstoffpartnerschaft. Nach der Mongolei und Kasachstan ist es die dritte dieser Art. Peru ist reich an vielen Erzen, zum Beispiel an Kupfer, und diese Partnerschaft soll sicherstellen, dass die deutsche Industrie mit Rohstoffen versorgt wird. - Am Telefon begrüße ich jetzt Susanne Friess, Bergbauexpertin bei der katholischen Entwicklungsorganisation Misereor. Sie sehen diese Partnerschaft mit Bedenken. Warum?
    Susanne Friess: Hallo, Frau Reimer. - Ja, wir sehen das mit großen Bedenken, weil in Peru im Umfeld dieser Rohstoffprojekte, dieser Bergbauprojekte sehr, sehr viele und zum Teil auch gewalttätige Konflikte stattfinden, schon seit Jahren. Der Bergbau ist in einer massiven Expansion, auch schon seit Anfang der 90er-Jahre. Mehr als 20 Prozent der Fläche des Landes sind für den Bergbau konfessioniert und die Auswirkungen sind durchaus gravierend. Es gibt Menschenrechtsverletzungen, es gibt eine Reihe von Umweltproblemen und was uns besonders mit Sorge erfüllt ist, dass die Regulierung nach wie vor hinter dieser wahnsinnig schnellen Expansion des Bergbausektors hinterherhinkt.
    Reimer: Der Vertragstext betont jedoch die Achtung von Umweltgesetzen und Menschenrechtsstandards. Warum sollten denn diese dann nicht eingehalten werden?
    Friess: Dass der Text das betont, ist sehr begrüßenswert. Allerdings wenn wir uns anschauen, was in der Praxis passiert, wurde eben erst wieder ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht, was den Bergbausektor versucht weiter zu deregulieren. Das sind Gesetze, die versuchen, zum Beispiel die Kompetenzen der Umweltbehörden zu beschneiden, die Umweltkontrolle runterzufahren und in einem sogenannten Fast-Track-Verfahren Bergbauprojekte schnell durch die Behörden durchzuwinken, damit Investoren möglichst wenig Hindernisse auf dem Weg finden, dort zu investieren.
    Der niedrigste Standard kann nicht das Ziel sein
    Reimer: Aber die Verantwortung liegt doch in erster Linie bei der peruanischen Regierung?
    Friess: Das stimmt. Die Verantwortung liegt in allererster Linie bei der peruanischen Regierung. Dort sehen wir, dass der politische Wille oftmals nicht da ist, diese Verantwortung wirklich wahrzunehmen. Und dann stellt sich die Frage, inwieweit sind denn die Länder, die in großem Umfang Rohstoffe aus Peru beziehen, nicht in einer Mitverantwortung. Die UN-Leitprinzipien für Menschenrechte zum Beispiel sagen ganz klar, Unternehmen sind nicht nur verpflichtet, die Menschenrechte in ihrem eigenen Werk, in ihrem eigenen Land zu respektieren, sondern auch entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
    Reimer: Trotzdem müssen wir festhalten, es sind nicht deutsche Unternehmen, die dort die Erze fördern. Sie kaufen dort ein. Wenn jetzt die Bundesregierung sich beklagt, wenn jetzt deutsche Unternehmen, sagen wir mal, sagen, unter den Bedingungen kaufen wir nicht mehr bei euch, bei Rohstoffkonzernen, die da tätig sind, ein, dann verkaufen die peruanischen Bergbauunternehmen an die Chinesen oder sonst wen.
    Friess: Das ist natürlich so ein Argument, was immer wieder in der Diskussion kommt, was aber auch ein Stück weit ein Todschlagsargument ist, denn wenn wir das konsequent durchdenken, dann würde das ja dazu führen, dass wir uns quasi immer am niedrigsten Standard, der auf der Welt verfügbar ist, orientieren, und das kann, glaube ich, kein wirklich gesetztes Ziel sein. Das ist auch nicht das Ziel der Bundesregierung.
    Reimer: Sie fordern einen leicht zugänglichen Beschwerdemechanismus für Betroffene in Peru in Deutschland. Wie soll das funktionieren?
    Friess: Wir sehen einfach immer wieder, dass die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen, die ihre Rechte verletzt sehen durch große Bergbaukonzerne, aber auch andere Firmen, dass die große Schwierigkeiten haben, in dem Justizsystem zu ihrem Recht zu kommen. Im peruanischen Justizsystem ist Korruption weit verbreitet. Oftmals fehlt der tatsächliche Durchsetzungswille des Rechts, und deshalb fordert die internationale Menschenrechtsgemeinschaft, dass es in den Herkunftsländern der Unternehmen leicht zugängliche Mechanismen gibt, wo die Leute ihre Beschwerden einbringen können, in ihrer Sprache sich dort hinwenden können, und am besten, der einfachste Weg wäre, hier auch zivilrechtliche Klagen zum Beispiel vor Gericht durchzusetzen, weil wir haben hier ein funktionierendes Justizsystem. In Peru kann man das leider nicht immer sagen.
    Ein Abkommen ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft
    Reimer: Sie fordern außerdem eine menschenrechtliche Folgeabschätzung vor der Unterzeichnung der Rohstoffabkommen und auch danach. Welche Unterschiede sollte dies dann machen?
    Friess: Davor ist nun zu spät, weil das Rohstoffabkommen ja heute unterzeichnet wird. Es wäre wünschenswert gewesen, mal zu erheben, welche menschenrechtlichen Folgen können denn durch so ein Abkommen entstehen. Jetzt fordern wir, dass es ein Monitoring-System gibt, wo auch die peruanische Zivilgesellschaft eingeschlossen wird in den Dialog. Das ist ein Punkt, den wir ja in Bezug auf die Rohstoffpartnerschaft auch sehr stark kritisieren, dass dieses Abkommen verhandelt wurde ohne Beteiligung des Kongresses und ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft in Peru. Wir fordern, dass das Monitoring gemeinsam mit der Zivilgesellschaft gemacht wird, um auch früh wahrzunehmen, wenn es zu menschenrechtlich problematischen Lagen kommt.
    Reimer: Werden Sie gehört von der Bundesregierung?
    Friess: Wir wurden angehört. Wir wurden allerdings leider erst relativ spät in dem Prozess dann auch mal in, ich würde mal sagen, einen ernsthaften Dialog einbezogen. Zu dem Zeitpunkt war es leider nicht mehr möglich, unsere Kritik und unsere Anregungen dann auch in den Text aufzunehmen. Wir hoffen, dass wir bei möglichen weiteren Rohstoffabkommen früher einbezogen werden, und dass das, was wir als Kritik oder als Anregung formulieren, dann auch mit einfließen kann.
    Reimer: Susanne Friess von Misereor über die Rohstoffpartnerschaft zwischen Peru und Deutschland.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.