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Pestizide im Trinkwasser

Landwirte setzen Pestizide gezielt ein, um Insekten, Pilze, Spinnen oder auch Pflanzen zu töten - und um letztlich die Ernte zu sichern. Das Problem ist allerdings, dass sich Pestizide auch in der Ressource für das Trinkwasser, also im Rohrwasser, finden. Das verärgert die Wasserwerke, die das Rohrwasser reininigen müssen. Um mehr Schadstoffe aus dem Wasser zu bekommen, entscheidet nun das Europaparlament über die Zulassung von Pestiziden.

Von Ralph Ahrens | 22.10.2007
    Das Wasser läuft. Es ist sauber und kann ohne Risiko getrunken werden. Doch das ist nicht selbstverständlich, meint Frieder Haakh, Technischer Geschäftsführer des Zweckverbands Landesversorgung, der in und um Stuttgart rund drei Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgt:

    "Weil wir häufig aufbereiten müssen, wenn wir Pestizide, Spritzmittelrückstände in den Rohwässern finden. Weil wir einen doch recht strengen Trinkwassergrenzwert haben."

    Aktivkohle ist das "Allheilmittel". Wasserwerke filtern mit Hilfe dieser feinkörnigen Kohle Pestizide und andere Schadstoffe aus Grundwasser oder Uferfiltrat. Und weil am Rande des Härtsfeldes im Osten Baden-Württembergs zuviel Pestizide im Grundwasser waren, musste der Zweckverband eine Aktivkohlefilteranlage ins Egauwasserwerk einbauen. Das war vor 20 Jahren. Kosten: elf Millionen Euro:

    "Wir haben damit, wenn man das aufs Jahr umrechnet, etwa 800.000 Euro Annuitäten, und eben die Betriebskosten für Aktivkohle, Wartung und Betrieb, noch mal 200.000 bis 250.000 Euro im Jahr. Wenn Sie das auf einen Kubikmeter runterrechnen: Wir machen im Egauwasserwerk 15 Millionen Kubikmeter im Jahr. Dann sind wir bei Kosten von etwa sechs bis sieben Cent je Kubikmeter, die da anfallen."

    Aber was wäre, wenn Landwirte keine Pestizide mehr ausbringen würden, die nachher in den Brunnen auffindbar sind?

    "Wir haben festgestellt: Bei den so genannten Hauptkulturen – also Getreide, Mais und Raps, und damit haben wir immerhin 50 Prozent der gesamten Fläche der Ackerkulturen – übersteigen die Kosten für Spritzmittelentfernung mit 150 Euro je Hektar den Ertragzuwachs beim Landwirt, den er eben durch diesen chemischen Pflanzenschutz hat."

    Mit anderen Worten:

    "Die Folgekosten der Spritzmittelanwendung übersteigen das, was der Landwirt hinterher mehr in der Tasche hat. Die Kosten für diese Anwendung, die werden externalisiert. Das heißt, der Wasserkunde oder Steuerzahler zahlt die Zeche."

    Das muss nicht so bleiben. Die EU-Kommission hatte bereits 2006 vorgeschlagen, dass Pestizide künftig keine sehr gefährlichen Wirkstoffe enthalten sollen. Der Umweltausschuss des Europaparlaments hat diesen Ansatz vor einem Monat noch verschärft. Die derzeitigen Forderungen aus Brüssel fasst die Grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer zusammen:

    "Bei den Wirkstoffen wollen wir eine Reihe von Substanzen verbieten, die krebserregend sind, Fortpflanzung und die Fruchtbarkeit schädigen, hormonell wirksam sind und vor allem auch auf das Immunsystem und das Nervensystem toxisch, also sich negativ auswirken können."

    Würden diese Regeln Wirklichkeit, sinkt das Angebot an Wirkstoffen, meint Volker Koch-Achelpöhler. Er vertritt als Geschäftsführer des Industrieverbandes Agrar die Hersteller von Pestiziden:

    "Wir haben einmal durchgerechnet, wie viele Wirkstoffe, wenn wir das anwenden würden, auf der Strecke bleiben. Und sind da zu dem Schluss gekommen, dass das ungefähr 30 Prozent aller Wirkstoffe betreffen würde."

    Doch es gehe nicht um ein neues Zulassungsgesetz gegen Pestizide, sondern eines für solche, die nicht die Gesundheit gefährden und sich nicht auf Äpfeln, Paprika oder in Wasserbrunnen finden lassen, betont Hiltrud Breyer:

    "Von daher hoffe ich, dass wir diesen Bericht zu einer win-win-Situation machen können für alle: für den Gesundheits-, den Verbraucherschutz, aber auch für die Pestizidindustrie. Weil die Industrie profitiert ja von diesen Innovationsanreizen, bessere Pestizide anzubieten. Das wird ihnen letztendlich auch einen Vorteil auf dem Weltmarkt bringen."

    Die Wasserwerke hoffen jedenfalls, dass sich das Europaparlament für die strengen Auflagen aussprechen wird. Doch auch mit strengen Zulassungsvoraussetzungen kann auf Aktivkohlefilter erst mittelfristig verzichtet werden, erklärt Frieder Haakh vom Zweckverband Landesversorgung:

    "In unseren Wasserschutzgebieten gehen wir davon aus, dass wir bei den derzeitigen Problemstoffen in der Größenordnung 15 bis 20 Jahre benötigen, bis sich das durch natürliche Verdünnung entsprechend gelöst hat das Problem."

    Doch je eher mit dem Saubermachen begonnen wird, umso besser...,

    "... weil sonst vermachen wir dieses Problem unsern Kindern und Enkeln."