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Petitionsausschuss des Bundestags
Hass und Hetze gegenüber Abgeordneten

Der Ton wird rauer, wenn Bürger sich über Politik beschweren. Zu spüren bekommen das auch die Mitglieder des Petitionsausschusses. Das Gremium soll eigentlich eine Art demokratischer Kummerkasten sein. Aber immer mehr Bürger lassen an den Abgeordneten ihren Frust ab.

Von Nadine Lindner | 15.05.2019
Westansicht des Reichstagsgebäudes in Berlin
Immer mehr Bürger greifen zu hasserfüllter Sprache, wenn sie sich an Abgeordnete wenden (picture alliance / dpa / Daniel Kalker)
Es sind zwei Dinge, die das vergangene Jahr geprägt haben: Mehr Bürger als im Vorjahr haben sich mit ihren Anliegen an den Petitionsausschuss des Bundestags gewendet. Und der Ton ist heftiger geworden, vor allem, wenn es um das Thema Migration geht. Der Ausschussvorsitzende Marian Wendt von der CDU drückt das so aus.
"Es war ein sehr arbeitsreiches Jahr, wir haben insgesamt 13.189 Petitionen erhalten. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von annähernd 15 Prozent."
Bei 250 Werktagen sind das über 50 Petitionen am Tag, sagt Wendt.
"Das zeigt aus meiner Sicht, dass die Bürgerinnen und Bürger die Arbeit des Ausschusses stärker wahrnehmen, sie nutzen die Möglichkeit, die ihnen das Grundgesetz gibt."
Ärger mit der Krankenkasse – eins der Top-Themen
Die meisten Anliegen, mit 67 Prozent ziemlich genau zwei Drittel, betreffen individuelle Probleme der Bürger, es geht um Ärger mit der Krankenkasse, dem Sozialamt oder der Arbeitsagentur. Das war auch in den Vorjahren ähnlich. Die SPD-Abgeordnete Martina Stamm-Fibich sieht die Prioritäten klar verteilt.
"Wir haben immer noch die höchste Zahl an Eingaben aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die diesen Aufgabenbereich betreffen, dann das Bundesministerium des Inneren, dann Justiz und Verbraucherschutz."
Das Gesundheitsressort liegt auf Platz vier, obwohl die Petition mit den meisten Unterstützern sich auf das Termin-Service-Versorgungsgesetz bezog, aus dem Gesundheitsministerium von Jens Spahn.
Besonders umstritten: Der UN-Migrationspakt
Der Petitionsausschuss ist einer der 23 ständigen Ausschüsse des Bundestags. Bürger können sich mit Bitten oder Beschwerden an das Gremium wenden, das die Petitionen prüft und kann die Bundesregierung beraten. Der Ausschuss ist damit auch Seismograph für die Gesellschaft. Mehrmals im Jahr werden breit unterstütze Petitionen auch öffentlich verhandelt wie zur Legalisierung von Cannabis oder zur "Gemeinsamen Erklärung 2018" von Asylkritikern. Asyl- und Migrationsrecht, aus diesem Themenfeld kam auch die prägendste Auseinandersetzung im Petitionsausschuss – zum UN-Migrationspakt. Der Ausschussvorsitzende Marian Wendt hat das eindrücklich erlebt.
"Wir haben circa 2.000 Emails alleine zwei Petitionen betreffend erreicht, wo eine vulgäre Sprache, beleidigende Sprache uns erreicht hat. Anrufe im Zwei-Minuten-Takt."
Am Ende habe er mehrere Anzeigen gestellt, es kam in Folge zu einer Hausdurchsuchung.
"Es ist schwierig, gelassen zu bleiben"
Wendt warb für harte Debatten in der Sache, aber um einen gemäßigten Ton. Im Kern ging es um die Frage, ob und wie mehrere Petitionen gegen den UN-Migrationspakt veröffentlicht werden und damit für Unterstützer zugänglich sind. Die AfD unterstellte dem Petitions-Ausschuss nach IT-Problemen "Dienst nach Vorschrift." Anlass war der große Ansturm von Unterstützern. Auch die Linke Kerstin Kassner bekam eine Vielzahl an wütenden Zuschriften und mahnte zu Rationalität:
"Schon schwieriger geworden, da schon die Ruhe und Gelassenheit zu behalten. Aber das ist unsere Aufgabe, dass wir uns trotzdem jedem Problem erst mal neutral stellen, dass wir die Ruhe bewahren und eben nicht unter Druck setzen lassen. Sondern uns auf den rationalen Kern konzentrieren und uns dann überlegen, wie wir damit umgehen."
Auf die Frage, was er als Obmann der AfD im Ausschuss unternommen habe, um die Sprache bei diesem Thema zu versachlichen, antwortet der AfD-Abgeordnete Johannes Huber ausweichend:
"Und da ist der Petitionsausschuss als Instrument der demokratischen Institution einfach der Anlauf- und Ansprechpartner der Bürger. Dieses Ventil wurde einfach zu spät geöffnet."