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Petrolnote durch heißeres Klima

Der Klimawandel wirkt bis in den Weinanbau: Bei Riesling wird immer öfter ein Fehlaroma festgestellt. Das Ärgernis hat einen chemischen Namen: Trimethyl-dihydro-naphthalin, abgekürzt TDN. Braunschweiger Forscher versuchen, das TDN mit speziellen Hefen abzubauen.

Von Volker Mrasek | 24.09.2013
    "Also, wenn Sie halt den Korken richtig abziehen – er riecht wirklich unangenehm!"

    "Riecht nach Petroleum."

    "Nach, ja Tankstelle. Nach, nach Benzin, nach Benzin."

    Einen solchen Duft haben auch Peter Winterhalter und Recep Gök nicht gerne in der Nase, wenn sie Weißwein verkosten. Und doch tritt die beschriebene Petrolnote inzwischen immer häufiger auf. Das Ärgernis hat einen chemischen Namen: Trimethyl-dihydro-naphthalin, abgekürzt TDN. Der Stoff verdirbt ausgerechnet Riesling-Weine.

    Winterhalter beschäftigt sich schon länger mit dem unerwünschten Fehlaroma. Er ist Professor für Lebensmittelchemie an der TU Braunschweig:

    "TDN ist jetzt nicht unbedingt typisch für Riesling. Es kommt auch in anderen Weinen vor. Aber es macht halt wirklich bei Riesling Probleme. Weiß kein Mensch, weshalb. Aber ich denke, Sie können den Klimawandel an TDN festmachen. Da bin ich fest überzeugt."

    Das Malheur beginnt nämlich schon, noch während die Trauben im Weinberg reifen. Bei hohen Temperaturen und viel Sonne während der Vegetationsperiode bilden sich zunächst chemische Vorstufen von TDN. Recep Gök, Chemiker und Doktorand am Institut für Lebensmittelchemie der Braunschweiger Hochschule:

    "Es kommt eigentlich vom Carotinoid-Abbau. Alle Pflanzen enthalten ja Carotinoide, Farbstoffe. Und die Farbstoffe werden durch Sonneneinfluss, hohe Temperaturen gespalten. Und die Vorstufen von TDN entstehen dann schon da. Und während der Lagerung von Wein wird dann TDN halt gebildet."

    In niedrigen Konzentrationen trägt der Kohlenwasserstoff sogar zum geschätzten, sortentypischen Aroma von Riesling bei. Doch die Wirkung des Naphthalins kehrt sich immer mehr ins Gegenteil um, seit die Sommer heißer werden. Deshalb ist Peter Winterhalter so sicher, dass die Klimaerwärmung hinter dem Phänomen steckt:

    "Wir haben einfach relativ viel von diesen Vorstufen in diesen Weinen, Rieslingen, die in heißen Regionen angebaut werden. Es wird auch entsprechend dann mehr freigesetzt an TDN. Bei Verkostungen sind uns eigentlich immer die Rieslinge der südlichen Halbkugel negativ aufgefallen. Man hört's jetzt vermehrt. Man hört's auch von den USA, dass diese Note vermehrt auftritt."

    Eigene Laboranalysen der Braunschweiger Forscher bestätigen, dass die Gehalte in deutschen Riesling-Tropfen wesentlich geringer sind als zum Beispiel in australischen.

    "Wir haben eine Geruchsschwelle von zwei Mikrogramm pro Liter. Also ab dieser Konzentration können Sie das wirklich dann sensorisch feststellen. Und wir haben jetzt im Mittel so um die 20 maximal vielleicht. Es ist noch nicht negativ in dem Bereich. Wir hatten wirklich australische Weine oder südafrikanische, die hatten dann vielleicht 200 Mikrogramm, also das ist noch mal das Zehnfache mehr."

    Der Lebensmittel-Chemiker ist aber überzeugt, dass das nicht so bleibt. Und die TDN-Gehalte auch in deutschen Rieslingen steigen werden:

    "Durch globale Erwärmung, durch Klimawandel, haben wir jetzt das Problem, dass einfach die Reben mehr Sonne ausgesetzt sind und sich diese Note jetzt in den nächsten Jahren wahrscheinlich vermehrt bilden wird. Also, Riesling gilt ja als die Nummer Eins, die Weißwein-Sorte. In Deutschland sind wir wirklich gut beraten, sich uns dieses Problems jetzt anzunehmen."

    Die Braunschweiger Forscher tun das inzwischen intensiv. Sie suchen nach Weinhefen, die ohnehin bei der alkoholischen Gärung im Keller zum Einsatz kommen und das unerwünschte Naphthalin wieder abbauen können. Unter den Kandidaten sind dabei auch Hefen, die heute noch nicht kommerziell eingesetzt werden:

    "Wenn wir's im Reagenzglas machen, können wir diese Reaktion tatsächlich schon bewerkstelligen."

    Das genügt natürlich noch nicht. Chemiker Gök scheint aber auf einem guten Weg zu sein bei der Suche nach geeigneten Kandidaten für den Gärbottich:

    "Wir werten jetzt gerade aus unsere Ergebnisse. Und wir werden vielleicht in zwei Monaten, drei Monaten sagen können: O.k., diese oder diese Hefe sollte man besser benutzen, um die TDN-Fehlnote zu vermeiden."

    Bisher sind die Möglichkeiten der Winzer beschränkt. Sie können darauf verzichten, ihre Rebstöcke zu entblättern. Die Riesling-Beeren haben es dann schattig und bilden nicht so viel von den TDN-Vorstufen. Andererseits brauchen sie die Sonne, um ordentlich zu reifen – ein Dilemma also.

    Kaum besser sieht es im Keller aus. Die Konzentration der TDN-Vorstufen lässt sich zwar schon im Most bestimmen. Doch enthält ein Tank sehr viel davon, bleibt dem Kellermeister eigentlich nur eines: Er muss die Charge verschneiden. Mit Most aus einer sonnenärmeren Weinbergsecke und geringeren Konzentrationen der Ausgangsstoffe für die problematische Petrolnote ...