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Pew-Studie
Regierungen contra Religion

Die Religionsfreiheit wird von Regierungen weltweit immer stärker eingeschränkt, sagte Samirah Majumdar vom US-amerikanischen Forschungszentrums Pew im Dlf. Besonders betroffen seien der Nahe Osten, Nordafrika und Ostasien. In Europa wiederum zeige sich der negative Einfluss rechtsextremer Gruppen.

Samirah Majumdar im Gespräch mit Christian Röther | 11.11.2020
Rohingya-Flüchtlingsfamilie in einem Flüchtlingslager in Bangladesch. Die Familie floh aus Myanmar nachdem ihr Haus von einer Gruppe Bewaffneter angezündet worden war.
Religionsfreiheit weltweit - untersucht in Washington beim Pew-Institut. 2018 sorgte vor allem die Vertreibung der Rohingya aus Myanmar weltweit für Aufsehen. (picture alliance / dpa / Nazrul Islam)
Pew ist eines der renommiertesten Umfrageinstitute weltweit und veröffentlicht auch immer wieder Studien zum Thema Religion. Seit dem Jahr 2007 erstellt Pew Auswertungen zur Religionsfreiheit. Der aktuelle Bericht bezieht sich auf das Jahr 2018, weil noch keine jüngeren Daten vorliegen. In diesem Zeitraum, von 2007 bis 2018, haben Regierungen weltweit laut Pew immer stärkere Beschränkungen für Religionsgemeinschaften erlassen. Dazu ein Interview mit der Studienleiterin Samirah Majumdar vom Pew Research Centre.
Christian Röther: Warum gibt es weltweit immer stärkere Einschränkungen für Religionsgemeinschaften?
Samirah Majumdar: Das wichtigste Ergebnis unserer neuen Studie ist, dass die Beschränkungen von Regierungen für Religionsgemeinschaften noch nie so massiv waren wie im Jahr 2018 – und zwar seit wir das untersuchen, also seit 2007. Ein Grund dafür ist, dass Regierungen immer mehr Gewalt gegen religiöse Gruppen anwenden, wie etwa Festnahmen und Misshandlungen, bis hin zu Tötungen. Diese Art von Restriktionen ist deutlich mehr geworden zwischen 2017 und 2018.
Inhaftierungen und Vertreibungen
Röther: Am schlechtesten steht es um die Religionsfreiheit laut Ihrer Auswertung im Nahen Osten und in Nordafrika. Aber auch in Ostasien hat sich die Situation in 2018 im Vergleich zu 2017 deutlich verschlechtert. Wieso das?
Majumdar: Im asiatisch-pazifischen Raum gab es 2018 die größten Anstiege in den Beschränkungen der Regierungen für Religionsgemeinschaften. Immer mehr Staaten wenden dort Gewalt gegen religiöse Gruppen an. Sie verhaften oder misshandeln deren Mitglieder. Aus China wurde zum Beispiel berichtet, dass religiöse Minderheiten in großer Zahl inhaftiert wurden. Und in Myanmar wurden viele Angehörige religiöser Minderheiten vertrieben, und zwar durch Maßnahmen der Regierung.
Europa schneidet schlechter ab als Amerika
Röther: Wenn man sich Ihre Weltkarte der "Beschränkungen von Religion" anschaut, dann stehen nicht Europa und die USA am besten da, wie wir Europäer das vielleicht vermuten würden, sondern Länder aus Südamerika, dem westlichen und dem südlichen Afrika, oder auch Australien und Neuseeland. Was machen diese Länder besser als Europa?
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Majumdar: Wir haben festgestellt, dass die staatlichen Beschränkungen und auch die soziale Feindseligkeit gegenüber Religionsgemeinschaften in Nord-, Mittel- und Südamerika am niedrigsten sind. In Europa gibt es solche Beschränkungen und Anfeindungen gegen religiöse Minderheiten, weil rechtsextreme Gruppen gegen sie Stimmung machen. Dazu gehören antisemitische und antimuslimische Aussagen. In Nord-, Mittel- und Südamerika ist das weniger stark ausgeprägt. Allerdings waren die Amerikas 2018 weltweit die einzige Region, in der die Feindseligkeit gegenüber Religionsgemeinschaften leicht angestiegen ist.
Ein positiver Trend?
Röther: Weltweit hat die soziale Feindseligkeit gegenüber Religionsgemeinschaften in 2018 laut Ihrem Bericht aber leicht abgenommen. Ist da also – im Gegensatz zur Regierungsebene – ein positiver Trend in den Bevölkerungen weltweit zu erkennen?
Majumdar: Bei der sozialen Feindseligkeit gibt es von Jahr zu Jahr Schwankungen, denn in diese Auswertung fließen vor allem konkrete Vorfälle ein, und die gibt es mal mehr, mal weniger. Im Vergleich dazu variieren Beschränkungen, die von Regierungen ausgehen, weniger stark, denn da schauen wir uns Gesetze und politische Maßnahmen an, und die verändern sich von Jahr zu Jahr zumeist kaum. Aber bei Vorfällen, von denen religiöse Minderheiten negativ betroffen sind, ist auch immer möglich, dass diese zwar stattfinden, aber nicht gemeldet werden, und deshalb nicht in unsere Auswertung einfließen können. Deshalb ist es schwierig zu sagen, ob dieser Trend anhalten könnte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.