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Pflanzenzucht gegen den Klimawandel

Zugvögel, die nicht mehr ziehen wollen, Sommerpflanzen, die schon im Frühling blühen: Wenn sich das Klima weiter erwärmt, werden wir in wenigen Jahrzehnten auch in Deutschland von einer veränderten Natur umgeben sein. Das bringt neue Herausforderungen für die Pflanzenzüchter.

Von Philip Banse | 28.11.2007
    Landwirtschaft und Pflanzenzüchter machen sich sehr viele Gedanken über den Klimawandel. Hitze, Starkregen, extremere Wetterbedingungen beschäftigen heute schon Züchter wie Wolf von Rhade vom mittelständischen Pflanzenzüchter Nordsaat:

    "Wir müssen aus der Sicht der Landwirtschaft damit rechnen, dass die Pflanzen größeren Wetterschwankungen ausgesetzt sind. Und da sind wir natürlich als Züchter gefordert, die Stresstoleranzen in die Pflanzen hineinzuzüchten, die sie dann standhaft machen gegen diese Wetteränderungen."

    Ganz praktisch sieht das so aus: Vor allem in Bayern sei es in den vergangenen Jahren gerade zur Reifezeit des Weizen sehr heiß geworden, was die Ernte extrem geschmälert habe, sagt Gerhard Wenzel, Agrarprofessor am Wissenschaftszentrum Weihenstephan. Er versucht Weizen gegen diese zunehmende Sommerhitze zu schützen:

    "Der Gedanke ist hier - und da sind wir seit zehn Jahren dran -, dass man den Blühzeitpunkt nach vorne schiebt, dass der Weizen früher blüht und dass er mit dieser Kornfüllphase im Wesentlichen abgeschlossen hat, wie das die Gerste zum Beispiel macht, wenn diese Hitze kommt."

    Der Deutsche Bauernverband fordert noch mehr von den Züchtern. Als ein Mittel gegen den Klimawandel gilt Energie aus Biomasse, also aus Pflanzen und Pflanzenabfällen. Für Energie aus Biomasse ist nicht die Frucht interessant, sondern die schiere Masse an Grünzeug, könnte man sagen. Internationale Klimaziele seien aber nicht zu erreichen, wenn nur bestehende Sorten auf möglichst viel Biomasse gezüchtet werden, sagt Helmut Born vom Bauernverband. Er fordert mehr Investitionen in neue Sorten, die viel CO2 binden und ihre gesamte Energie in die Entwicklung von Biomasse, oder auch Trockenmasse stecken:

    "Wenn wir es nicht schaffen, statt 15 Tonnen Trockenmasse heute mit Nahrungsmittelsorten in Richtung 22, 23, 25 Tonnen Trockenmasse je Hektar zu kommen, dann werden wir die Zusage, den Klimawandel über Biomasse zu verhindern, nicht einhalten können."

    Bei Pflanzenzucht denkt natürlich jeder auch an Gentechnik. Auf dem Pflanzenzüchter-Kolloquium der Gregor Mendel Stiftung hieß es: Gentechnik spiele in der deutschen Pflanzenzucht bisher nur eine untergeordnete Rolle, weil das Gentechnikgesetz die Aussaat nicht attraktiv macht. Die jetzt geplante Änderung des Gentechnikgesetzes werde daran nichts ändern.

    Professor Wenzel sprach gar von einem Todesstoß. Besonders schlecht sei die Frage beantwortet: Wer haftet, wenn Gentechnik-Pflanzen Schaden anrichten? Für diesen Fall sollen Gentechnik-Bauern Versicherungen abschließen müssen, niemand bietet aber eine solche Versicherung bisher an. Weil das Risiko der Gentechnik zu groß ist, sagen die Kritiker. Weil die Politik zu schwammige Vorgaben macht, sagt der Agrarprofessor aus Weihenstephan. Er hält gentechnische Zuchtmethoden für sinnvoll: Zum einen könnten nur per Gentechnik schnell Pflanzen gezüchtet werden, die mit dem Klimawandel fertig werden. Unter dem Strich seien diese Produkte dann auch billiger, böten manchmal sogar medizinischen Mehrwert, Kartoffeln etwa mit mehr Betakarotin. So könnten auch die ja noch skeptischen Verbraucher von der Gentechnik überzeugt werden:

    "Ich bin davon überzeugt, dass der Verbraucher, wenn er Zusatzwert sieht, sofort zugreift. Der Zusatzwert kann sein entweder preisgünstiger oder ein Zugewinn in gesundheitlicher Sicht oder sonst einem Sektor."

    Noch überwiegen in den Augen der Mehrheit der Verbraucher aber die Risiken der Gentechnik.