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Pflege-Ausbildung
Bayerns Pfleger sollen an die Universitäten

Raus aus der beruflichen Sackgasse: Um Pflegeberufe attraktiver zu machen, sollen sie akademisiert werden. In Bayern hat sich deswegen das "Bündnis für die generalistische Pflegeausbildung Bayern" gegründet - doch ausgerechnet die Universitäten haben kaum Interesse am Thema Pflegeforschung.

Von Michael Watzke | 04.02.2019
    Eine Altenpflege-Schülerin übt, wie man einen Thrombose-Verband anlegt.
    "Es geht darum, dass wir beim bestehenden Pflegekräftemangel attraktiver werden für junge Menschen", sagt Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler über das neue Pflege-Bündnis. (Jens Büttner / dpa)
    Bernd Sibler, der bayerische Wissenschaftsminister, war vor seiner politischen Karriere ein Jahr lang Lehrer an einer Altenpflegeschule.
    Bernd Sibler: "Da waren viele ältere Menschen mit dabei – also so wie ich, 47 bis 50 Jahre – die sagen: 'Ich muss und will das grundständig lernen, aus eigenem Bedarf.' Und da muss man flexible Angebote machen, die dieser Lebenswirklichkeit gerecht werden."
    Auch deshalb ist Siblers Wissenschafts-Ministerium nun Partner im "Bündnis für die generalistische Pflegeausbildung Bayern" – ein sperriger Begriff, dessen Zweck Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml folgendermaßen erklärt.
    Melanie Huml: "Wir wollen, dass das neue Pflegeberufe-Gesetz, das ab 2020 gilt, erfolgreich umgesetzt werden kann. Dabei sind alle Akteure gefragt. Das sind nämlich 40 Partner, die wir gewinnen konnten, zum Beispiel das bayerische Kultusministerium, aber auch Ausbildungsträger, sowie weitere Institutionen wie die Wohlfahrts-Verbände."
    Bernd Sibler: "Es geht darum, dass wir beim bestehenden Pflegekräftemangel attraktiver werden für junge Menschen. Wir möchten alle Protagonisten vernetzen, um Übergänge, Bedarfe und Strukturen zu vereinfachen."
    Mindestens zehn Prozent der Pflegenden sollen studieren
    Dass sich in Deutschland noch immer viel zu wenig Menschen für einen Pflege-Beruf entscheiden, hat viele Gründe: Schlechte Bezahlung, hohe Belastung – aber auch das Gefühl, in der Pflege in einer Art beruflicher Sackgasse zu stecken. Weil es zu wenig berufliche und vor allem akademische Weiterbildungs-Möglichkeiten gibt – vor allem an den Universitäten.
    Bernd Sibler: "Wir wollen nicht die klassische Pflege am Bett akademisieren, da haben wir sehr gute Strukturen mit den beruflichen Systemen. Aber diejenigen, die Pflegedienst- oder Heimleiter werden wollen, die sollen einen entsprechende Weiterbildungs-Qualifizierung haben. Und die Leute brauchen wir auch. Ich bin als BRK-Kreis- und Bezirks-Vorsitzender Chef von 14 Heimen. Da ist der Bedarf da und das hilft auch enorm den Leuten, die wirklich den Drive haben."
    Inge Eberl, Professorin für Pflege-Wissenschaften an der Katholischen Universität Eichstätt, erhofft sich von dem neuen Bündnis einen Schub für praxisorientierte wissenschaftliche Forschung in der Pflege.
    Inge Eberl: "Wir brauchen das! Der Wissenschaftsrat hat 2012 gefordert, es sollten zwischen zehn Prozent und 20 Prozent der Pflegenden in der direkten Patientenversorgung akademisiert sein. Davon sind wir noch weit entfernt. An den Universitäts-Kliniken in Deutschland sind es gerade mal ein Prozent, die wirklich am Patienten arbeiten, Patienten versorgen und akademisiert sind."
    Universitäten haben kaum Interesse an Pflegeforschung
    Laut Professorin Eberl seien andere europäische Länder hier schon viel weiter. In Bayern gebe es noch immer keinen Lehrstuhl für Pflegeforschung an einer Universität. Selbst Eberls Fakultät für Soziale Arbeit ist nicht an der Katholischen Universität, sondern an der Fachhochschule angedockt.
    Inge Eberl: "Uns fehlt Pflegeforschung, und die muss man zusammen mit Kollegen machen, die direkt am Patienten arbeiten. Damit man die Fragen und Themen, die sich aus der Patienten-Versorgung ergeben, wirklich bearbeiten kann. Um die Praxis im Sinne der Pflegequalität weiterzuentwickeln."
    Ein frommer Wunsch. Doch die Praxis, das zeigt eine kleine Telefon-Umfrage an den bayerischen Universitäten, sieht anders aus: Kaum eine Uni zeigt Interesse an Pflegeforschung. Das Thema wird mit einer gewissen universitären Arroganz behandelt. Alle Studiengänge für Pflegemanagement und Pädagogik sind an Hochschulen für angewandte Wissenschaften angesiedelt: In Rosehnheim, Neu-Ulm, Kempten, Deggendorf.
    Doch Bayerns Wissenschaftsminister Sibler sagt: "Wir spüren zunehmenden Bedarf an Uni-Kliniken, die aufgrund der nackten Not Menschen brauchen, die als Pflegerinnen und Pfleger akademisch qualifiziert sind. Durch diese Not ist mehr Flexibilität deutlich spürbar."
    Vielleicht führt ja auch das "Bündnis für die generalistische Pflege-Ausbildung" langsam zu einem Umdenken.