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Pflegefamilien in Deutschland

Nach dem Methadon-Tod der elfjährigen Chantal in Hamburg ist das Kinderpflegewesen in Deutschland in die Kritik geraten. Für den Staat bleiben Pflegefamilien eine kostengünstige Betreungsform. Pflegeeltern sehen sich dagegen oft in einem Spagat zwischen vielen Pflichten und wenig Rechten.

Von Claudia Heissenberg | 07.06.2012
    Cesim: "Wäre super, wenn es allen gut ginge, Pflegekindern und auch Kindern auf der ganzen Welt, aber das ist nicht so beeinflussbar, wir können ja nicht Menschen kontrollieren oder so alle Menschen übertrieben kontrollieren jetzt. Man kann in einer Pflegefamilie schlecht behandelt werden, man kann in einer Pflegefamilie gut behandelt werden, so ist das und ganz ehrlich, mache ich mir gar keine Gedanken drüber, ich weiß, dass es mir hier gut geht und Chantal ist Chantal."

    Dennis: "Das sind halt diese Kinder, die Pech haben und in so welche Familien kommen, da kann ich nichts zu sagen, das ist mies und das ist schief gelaufen, kann ich nichts machen, aber wenn man es verändern könnte, müsste man es verändern."

    Cesim und Dennis sind Pflegekinder. Wie die elfjährige Chantal, die am 16. Januar dieses Jahres in Hamburg an einer Methadonvergiftung starb.

    "Mich rief eine Freundin an und sagte, hör mal zu, schon wieder Pflegeeltern und schon wieder ist ein Kind tot, das gibt es doch gar nicht. Was sagst Du denn dazu? Ich sage dann immer so, es gibt 100 Pflegeeltern oder 1000, davon ist jetzt einer, der schlecht ist, ja da kann ich doch jetzt nix für, also da werden alle verurteilt, alle Pflegeeltern sind schlecht, alle Pflegeeltern machen das wegen dem Geld, alle Pflegeeltern, was weiß ich. Und da fühlt man sich echt dann immer wieder angegriffen, weil du denkst, boah, jetzt machst du das, reißt dir hier ein Bein aus, machst und tust und da kommt irgend so eine und macht Dir alles kaputt."

    Seitdem Chantal in Hamburg ums Leben kam, wird viel über Pflegeeltern geredet. Anita Kauffeld, seit 23 Jahren Pflegemutter, fühlt sich wie unter Generalverdacht. Dabei versteht sie selbst nicht, warum es keinem Sozialarbeiter auffiel, dass Chantal weder ein eigenes Zimmer noch ein eigenes Bett hatte. Und warum niemand beanstandete, dass die Wohnung verdreckt und viel zu klein war für zwei Erwachsene, vier Kinder und drei Hunde. Auch Dagmar Trautner, Vorsitzende des Verbandes der Pflege- und Adoptiveltern in Deutschland, stellt sich die Frage, was bei den zuständigen Behörden schief gelaufen ist.

    "Zumal für mich eben Pflegefamilie mit einem sicheren Ort für Kinder verbunden ist, als mit Sicherheit, also da kommen sie jetzt hin, wo sie Sicherheit, Geborgenheit haben, Freiraum aufzuwachsen und neue Perspektiven fürs Leben zu gewinnen und insofern ist, war das für die Chantal alles nicht gegeben und das ist natürlich sehr traurig und konnte man eigentlich nicht fassen."

    Deutschland ist eine der wenigen Industrienationen, in der keine Statistik zur Häufigkeit von Vernachlässigungen geführt wird. Untersuchungen aus anderen Ländern lassen aber darauf schließen, dass auch in der Bundesrepublik die Vernachlässigung die größte Gefahr für das Kindeswohl darstellt.

    Heißt es in einer Broschüre über "Kindesvernachlässigungen" des deutschen Kinderschutzbundes. Und weiter:

    "Die Lebensrealität vernachlässigter Kinder ist von chronischer Unterernährung, unzulänglicher Bekleidung, mangelnder Versorgung und Pflege, fehlender Gesundheitsvorsorge, unbehandelten Krankheiten und gesteigerten Unfallgefahren geprägt. Diese Kinder werden ohne die notwendige Versorgung, Betreuung, Zuwendung und Anregung allein gelassen."

    Wenn Eltern in der Erziehung versagen, ist der Staat laut Artikel 6 des Grundgesetzes nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, das Wohl des Kindes sicherzustellen. Er muss das Kind, das sich noch nicht selbst schützen kann, davor bewahren, dass es durch Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch Schaden erleidet.

    "Das heißt, wer passt eigentlich auf die Kinder auf, das ist ganz klar verteilt, es geht um die sogenannte Garantenstellung des Jugendamtes und damit liegt die beim Jugendamt. Und ob es einem Kind gut geht oder schlecht geht, ist natürlich Aufgabe des Jugendamtes zu kontrollieren."

    Sagt Klaus Nörtershäuser, Fachberater für Erziehungshilfen beim Landschaftsverband Rheinland.

    "Dass Organisationen versagen, ist nicht auszuschließen und in diesen Fällen, die dann auch hier in die Medien gehen und das ist ja leider nicht nur Chantal, muss man genauer hingucken inwiefern hier auch die Organisationen, sei es jetzt beim öffentlichen oder beim freien Träger auch versagt hat, also da braucht man nicht drum herumzureden. Versagen heißt entweder, nicht genau genug drauf geguckt zu haben, versagen kann heißen auch, falsche Einschätzungen gegeben zu haben oder vielleicht auch Einschätzungen nicht gut genug verifiziert zu haben, versagen kann auch bedeuten, tatsächlich nicht einen ausreichenden organisatorischen Rahmen gegeben zu haben, damit die Kolleginnen und Kollegen tatsächlich dann auch ihren Aufgaben nachkommen konnten."

    In Hamburg wurden nach Chantals Tod die Auswahlkriterien für Pflegeeltern verschärft. Sie müssen künftig nicht nur ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, in dem alle etwaigen Straftaten aufgelistet sind, sondern auch ein Gesundheitszeugnis samt Drogentest. In anderen Städten ist das schon lange Standard.

    "Es gibt keine Vorgaben, keine gesetzlichen Vorgaben, wie das Pflegekinderwesen in den Jugendämtern, bei freien Trägern organisiert werden muss, das heißt von daher gesehen haben Sie hier auch in Deutschland einen bunten Flickerlteppich dazu, … wo es eben halt sehr, sehr unterschiedliche Ausgestaltungen des Pflegekinderwesens gibt und das führt oftmals auch schon doch zu einer großen Unübersichtlichkeit."

    Wie der Pflegekinderdienst arbeitet, ob es überhaupt einen gibt oder Mitarbeiter aus dem Allgemeinen Sozialen Dienst die Aufgabe mit erledigen, ist Sache der Kommune. Auch für Auswahl, Schulung und Begleitung der Pflegeeltern gibt es keine einheitlichen Vorgaben. Die Vorsitzende des Verbandes der Pflege- und Adoptiveltern in Deutschland, Dagmar Trautner:

    "Also festgelegt in irgendeiner Form bundesweit ist es nicht. Es gibt natürlich die grundsätzlichen Fakten wie Raum, Zeit, Gesundheit, finanzielle Ausgewogenheit in der Pflegefamilie, … und darüber hinaus natürlich auch die Empathiefähigkeit, die Bereitschaft, sich auf Kinder einzulassen, auf das ganze System einzulassen, also sich zu öffnen als Familie, zu lernen, flexibel zu sein, bereit sein, die Dinge zu thematisieren, das sind die Anforderungen an Pflegefamilien."

    Wer ein Pflegekind aufnehmen will, muss nicht unbedingt verheiratet sein. Auch Alleinerziehende, unverheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare können Pflegeeltern werden. Der Altersabstand zwischen Eltern und Kind sollte nicht mehr als 35 bis 40 Jahre betragen. Pflegeeltern sollten in gesicherten finanziellen Verhältnissen leben und über ausreichend Wohnraum verfügen. Um genug Zeit für das Pflegekind zu haben, sollte die Berufstätigkeit eines Elternteils eingeschränkt oder aufgegeben werden.

    Soweit einige der Empfehlungen für die Auswahl von Pflegefamilien, die allerdings weder gesetzlich festgelegt noch bindend sind. Nach wie vor werden Pflegeeltern händeringend gesucht. Denn die Zahl der Kinder, die in Deutschland aus ihren Familien genommen werden, steigt stetig. Allein in den vergangenen fünf Jahren um 42 Prozent. Nach Schätzungen des Deutschen Jugendinstitutes leben zurzeit etwa 85.000 Kinder in Pflegefamilien. Fachberater Klaus Nörtershäuser:

    "In der Regel wenden sich die Interessierten an das örtliche Jugendamt, das ja verantwortlich ist dann auch für die Auswahl und Schulung und dann in ersten Gesprächen geht es vor allen Dingen dann darum, mit den Pflegeeltern noch mal zu besprechen, warum sie das machen wollen. Das ist noch mal ein entscheidender Punkt insofern, weil sich viele sehr engagiert dort melden, aber mitunter mit falschen Vorstellungen dann auch in die Arbeit reingehen, weil das einfache Kind gibt es eigentlich nicht mehr, eine falsche Motivation wäre zum Beispiel wirklich nur, ich sage das mal in Anführungsstrichen, nur ein gutes Herz zu haben. Pflegeeltern müssen sich auch im Klaren sein, dass es neben den Höhen auch Tiefen gibt, und man muss den Eindruck haben, können die auch mit diesen Tiefen umgehen?"

    "Wir haben auch mehrere Schulungen durchlaufen, manche mussten wir machen, manche haben wir freiwillig gemacht, weil uns das interessiert hat, die verschiedenen Problematiken der Kinder, mein Mann und ich damals, man muss erst mal also theoretisch darauf vorbereitet werden, was kommt auf einen zu, was wird von Pflegeeltern erwartet, also was sollen die leisten, wie gehe ich mit den Eltern um, mit der Herkunftsfamilie, dann gibt es Hilfeplangespräche, Hausbesuche etc. etc. Man muss Therapien machen, weil die Kinder sind alle, also ich habe noch keins erlebt, was irgendwie ganz in Ordnung war, die brauchen viel Hilfe, viel Zuwendung und viele Therapien. Und das ist auch eine ewige Lauferei und das muss man halt vorher alles wissen, ob man sich das zumuten möchte."

    Anita Kauffeld ist von ganzem Herzen Pflegemutter und hat neben den eigenen zwei Söhnen und der Tochter mittlerweile mehr als 30 Kinder betreut. Zunächst aber dauerte es eine ganze Weile, bis die Familie das erste Pflegekind in Empfang nehmen durfte. Ein kleines Mädchen, das nach 14 Monaten von der leiblichen Mutter zurückgefordert wurde. Für die Pflegefamilie ein traumatisches Erlebnis.

    "Da haben wir uns auch überlegt, ob wir das überhaupt noch mal machen würden. Und dann haben wir gesagt, okay, nur wenn die Eltern das Sorgerecht nicht haben und also die Eltern die wir dann hatten, die haben mir auch die komplette Vormundschaft übertragen bei Gericht. Aber wenn die Eltern das Sorgerecht haben, dann können die immer wieder das Gericht anrufen, also die können hingehen und ein Gerichtsverfahren einleiten, ob die jetzt gewinnen ist eine Sache, aber die können immer wieder Ärger machen und das machen viele."

    Fachberater Klaus Nörtershäuser:

    "Das ist ein Thema, was nicht ganz einfach ist, vor allen Dingen, wenn es um die Frage der Besuchskontakte der leiblichen Eltern geht, aber die Kinder wachsen ja schon in dem Wissen auf, ich habe zwei Eltern, ich habe leibliche Eltern, aber ich habe auch soziale Eltern, und dazwischen darf es keine Spannung geben, das ist Gift für den Erziehungsprozess und da müssen auch Pflegeeltern mit umgehen können, also das keine Konkurrenz aufgebaut wird."

    Cesim war 17 Monate alt, als er zu den Kauffelds kam. Inzwischen ist er 19 und steht kurz vor dem Fachabitur. Im Laufe der Zeit hat Cesim einiges über seine leiblichen Eltern erfahren und nach wie vor Kontakt zu ihnen. Er weiß, dass seine Mutter noch minderjährig war, als er zur Welt kam und sein Vater sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlte, ihn alleine großzuziehen.

    ""Ich bin halt die ganze Zeit hier gewesen und der Besuchskontakt war bis ich 14 war nicht so oft, deshalb habe ich halt ´ne um einiges stärkere Bindung mit meiner Pflegemutter gehabt als beispielsweise mit meiner richtigen Mutter oder meinem richtigem Vater, bloß ja, irgendwann fragt man ja, warum bin ich überhaupt hier, und wenn man dann so hört, warum das so ist, weil es halt Probleme gab, Streit gab also ich habe mich distanziert von den leiblichen Eltern und ja, ich fühle mich hier heimisch und ich bin hier aufgewachsen und meine Brüder und Schwestern sind meine Brüder und Schwestern hier und meine Pflegemutter ist meine Mutter, so sehe ich das."

    Abgesehen von den Kontakten zu den leiblichen Eltern hat Cesim zweimal im Jahr ein sogenanntes Hilfeplangespräch beim Jugendamt.

    "Da wird halt immer geguckt, was ist alles passiert, wie läuft die Schule, wie oft hast du dich mit deinen leiblichen Eltern getroffen, wie läuft es zuhause, halt Fragen, die man halt so stellt und ja, man kann sich Besseres vorstellen als jetzt zum Jugendamt zu gehen an diesem Tag und jetzt erzählen. Also für die ist das wichtig, weil es halt, sie müssen gucken, wie sich das Kind entwickelt, aber uns ist das nicht so bewusst und ja, kann man halt zweimal im Jahr hingehen, das ist kein Problem."

    Dennis hingegen, der seit 15 Jahren bei den Kauffelds lebt, findet diese Termine ausgesprochen lästig und unangenehm.

    "Wie so ein langweiliges Gespräch mit einem Psychologen, so, wo man nur erzählt, erzählt, erzählt und der schreibt das halt dann auf. Das ist eher so quälend für mich, wenn die ganze Zeit über eine Person gesprochen wird und die ich auch noch bin, so und die ganze Zeit nur, ich, ich, ich so, dass ich mich nicht irgendwie entziehen kann."

    Wie und in welchem Umfang Pflegekinder vom Amt betreut werden und wie häufig die Mitarbeiter die Familien besuchen – auch das ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Dagmar Trautner vom Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern würde sich wünschen, dass eine Fachkraft für nicht mehr als 30 Fälle zuständig ist. Die Regel sind allerdings um die 50, manchmal auch bis zu Hundert oder mehr.

    "Diese hohen Fallzahlen, da ist eigentlich auch nicht möglich, da diesen regelmäßigen Kontakt zur Pflegefamilie zu halten, gerade in Problemlagen wird es ja dann auch wieder zeitintensiver, dass man das eben besprechen kann, dass man überlegen kann, was es für Wege gibt, wo stehen wir heute und wo wollen wir hin, was planen wir?"

    Klaus Nörtershäuser: "Pflegeeltern und die Fachkräfte in den Jugendämtern und freien Diensten sollten sich nicht erst dann kennenlernen, wenn das Kind sozusagen in den Brunnen gefallen ist, also wenn irgendwo was brennt, sondern entscheidend ist auch, dass man sich auch mal in den normalen Situationen an den Küchentisch setzen kann und miteinander dann einfach ganz locker sagt, wie geht es, was ist und auch mal, sich einen Eindruck verschaffen kann, wie geht es in so einer Familie."

    Abgesehen von den Hilfeplangesprächen im Jugendamt hält Klaus Nörtershäuser vom Landschaftsverband Rheinland vier Hausbesuche im Jahr für das absolute Minimum. Auch wenn er nicht glaubt, dass mehr Kontrollen die Sicherheit von Pflegekindern erhöhen können.

    "Man kann ja nicht als Jugendamt sozusagen ständig am Tisch sitzen, sondern die Privatheit dieser Familie ist ja auch zu achten, aber auf der anderen Seite ist diese Familie auch eine öffentliche Familie geworden ist, dadurch, dass sie auch ein Kind aufgenommen hat und zwar aus der Verantwortung des Jugendamtes."

    Dagmar Trautner: "Ja, das ist richtig, man ist eine öffentliche Familie im Blickwinkel zum Jugendamt, aber auch zu allen anderen. Also jedes Gespräch, in dem man sich austauscht, jeder Hausbesuch ist ja letztlich eine Kontrolle, wo eben genau diese Dinge auch mitbetrachtet werden, wirkt die Pflegefamilie überfordert, braucht sie Hilfe oder läuft alles gut?"

    Anita Kauffeld: "Man muss halt alles beantworten, also es sind auch Fragen dabei, die ein normaler Mensch vielleicht nicht beantworten würde, also Du legst dein Leben offen. Man muss alles von sich preisgeben. Die wissen im Grunde, was du verdienst, was du hast, was du abzahlst, wie du wohnst, also die wissen im Grunde alles, wohin du in Urlaub fährst, es gibt keine Geheimnisse."

    Pflegeeltern haben eine Menge Pflichten, aber praktisch keine Rechte. Bei wichtigen Entscheidungen – zum Beispiel über Operationen, Therapien oder den schulischen Werdegang – haben das Jugendamt und die leiblichen Eltern immer ein Wörtchen mitzureden.

    Anita Kauffeld: "Die Pflegeeltern haben immer die Arschkarte. Die sind ja in der Mitte, die haben das Kind, die Verantwortung, alles. Links da sind dann die leiblichen Eltern, die stellen nur Anforderungen und wollen immer, ah, ich will dies, ich will das, machen Sie dies nicht, oh mein Kind hat einen blauen Fleck, mein Kind kriegt nicht genug zu essen, immer wieder Provokationen und man muss sich auch vor dem Jugendamt rechtfertigen. Also wenn jetzt zum Beispiel ein Vater kommt und sagt, mein Kind kriegt bei der nicht genug zu essen, dann muss die Jugendamtfrau das ernst nehmen und muss das, so läppisch, wie das jetzt ist, aber die muss dann kommen und gucken und muss sagen, hören Sie mal zu, tut mir leid, aber so und so."

    Immerhin erhält die Pflegefamilie als Entschädigung für die Übernahme einer Pflegschaft eine finanzielle Unterstützung. Doch verglichen mit einem Heimplatz, der mehrere Tausend Euro im Monat kostet, sind sie für den Staat die deutlich preiswertere Lösung.

    Klaus Nörtershäuser: "Dieses Geld, was die Pflegeeltern bekommen, ist zweigeteilt und zwar bekommen sie für ihren Aufwand, also für ihr bürgerschaftliches Engagement so etwas wie einen Erziehungsbeitrag, der auch nicht versteuert werden muss, es ist kein Einkommen in dem Sinne und das beträgt zur Zeit 219 Euro monatlich."

    Dazu kommen die sogenannten kindbezogenen Aufwendungen, von denen sämtliche Ausgaben wie Kleidung, Spielzeug, Essen, Taschengeld, Sportverein, Musikunterricht etc. bestritten werden sollen. Die Pauschalen liegen zwischen 458 Euro bei Kindern bis 7 Jahren und 638 Euro für Pflegekinder im Teeniealter und variieren wie auch der Erziehungsbeitrag von Bundesland zu Bundesland nur unerheblich.

    Klaus Nörtershäuser: "Es kommt ja immer wieder auch die Diskussion auf, verdienen die da eigentlich mit Geld, die Pflegefamilien, ich finde das ist irgendwie eine falsche Frage. Selbst wenn sie es für Geld machen würden und sie würden es gut machen, ist es ja in Ordnung."

    Dagmar Trautner: "Ja das ist ein.Vorwurf, mit dem wir solange ich denken kann, behaftet sind, es nur für das Geld zu machen. Ich denke, für dieses Geld rund um die Uhr parat zu stehen und sich voll und ganz dafür einzusetzen, mit sich und seiner ganzen Familie, das Geld, das kann man sich dann doch noch irgendwo anders leichter verdienen, wenn es denn nur ums Verdienen ginge."

    Den meisten Pflegefamilien geht es um ganz andere Dinge. Für sie sind die kleinen und größeren Erfolge, die sie mit ihren Pflegekindern erleben, der schönste Lohn. Anita Kauffeld zum Beispiel ist stolz, dass Dennis, der nach der Grundschule eigentlich auf eine Förderschule sollte, nun einen Ausbildungsplatz als Maler und Lackierer sucht.

    Anita Kauffeld: "Was niemand, das Jugendamt nicht, niemand hat das geglaubt, der hat einen Hauptschulabschluss, der geht auf ein Berufskolleg, niemand hat das je für möglich gehalten mit seiner Behinderung und das ist für mich so, wo ich denke, wirklich boah, das hast Du gut gemacht. Da bin ich am glücklichsten drüber."

    Klaus Nörtershäuser: "Das, was diese Menschen machen, ist im hohen Maße wirklich ein bürgerschaftliches Engagement, sie nehmen fremde Kinder auf, sie kümmern sich um deren Probleme, die mitunter auch wirklich zum Beispiel durchaus nächtelang zuerst mal da durchwachen, weil die Kinder oftmals in einer Situation zu den Pflegeeltern kommen, wo sie zuerst mal sowieso zur Ruhe kommen müssen, und ich finde das kann man nicht hoch genug einschätzen, was dort auch von diesen Menschen geleistet wird, und das muss man noch mal in aller Deutlichkeit sagen."


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