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Pflegereform
Mehr Unterstützung für Demenzkranke

Das Kabinett hat die Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) beschlossen. Ab 2017 sollen demnach auch Menschen mit Demenz und psychischen Störungen von den Leistungen der Pflegeversicherung profitieren. Von Opposition und Verbänden gibt es Lob - sie sehen aber noch viele ungelöste Probleme.

Vom Gudula Geuther | 12.08.2015
    Eine Demenzkranke Frau legt die Karten eines Spiels zu dem Satz "wer bin ich" zusammen.
    Die Anforderungen für die Pflege von Demenzkranken sind anders als die für körperlich kranke Menschen. (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    Um bis zu 500.000 soll die Zahl der Menschen steigen, die von der Pflegeversicherung profitieren. Damit rechnet die Bundesregierung, gerade hat das Kabinett den Gesetzentwurf beschlossen. Hauptanliegen der Reform ist es, auch Demenzkranke einzubeziehen.
    "Es geht eben nicht nur um körperliche Einschränkungen, sondern es geht auch um geistige Einschränkung", sagte Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz im Bayerischen Rundfunk.
    Bisher prüfte der Medizinische Dienst der Krankenkassen, welche Verrichtungen dem Pflegebedürftigen aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht mehr möglich sind, von der Körperpflege bis zur Versorgung. Bei psychisch Kranken oder altersverwirrten Menschen stellen sich ganz andere Fragen, so Brysch.
    "Da muss man gucken: Was geschieht eigentlich? Versteht derjenige, um den es geht, die Altersangelegenheit, Sachverhalte, erkennt er Risiken? Kann er alles selbstständig machen oder braucht er immer Hilfe? Ganz praktisch: Wenn Sie jemand morgens anziehen bei Demenz kann es sein, dass Sie aus dem Zimmer gehen und nach zehn Minuten wieder hereinkommen und feststellen, er ist wieder ausgezogen und liegt im Bett. Sie sehen: Das ist natürlich ein ganz anderer Aufwand, als wenn ich jemanden habe, der pflegebedürftig ist, mit dem ich alles besprechen kann."
    Pflegestufen werden durch Pflegegrade ersetzt
    Dafür werden insgesamt neue Kriterien aufgestellt. Die bisherigen drei Pflegestufen werden durch fünf Pflegegrade ersetzt. Menschen, die nach Erlass des Gesetzes pflegebedürftig werden, können nach dem neuen System mal besser, mal schlechter dastehen. Für die, die jetzt schon eingestuft sind, sollen sich aber die Leistungen in jedem Fall nicht verschlechtern, es soll also eine Bestandsgarantie geben. Und: Durch eine Höherstufung soll sich der Eigenanteil nicht erhöhen. Um 0,2 Punkte soll der Beitragssatz steigen. In der ARD sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe:
    "Erstens ist es wichtig, dass wir mit diesem neuen Gesetz, mit dieser moderaten Beitragserhöhung die Finanzierung bis 2022 sicherstellen. Also vorher nicht noch mal Beiträge erhöhen müssen."
    Zwei Pflegerinnen stützen in Heilbronn in einem Pflegeheim einen Bewohner.
    Demenzkranke sollen nun mehr Pflege erhalten. (picture alliance / dpa / Uwe Ansprach)
    Und dann? Der CDU-Politiker hofft darauf, dass die Zahl der Pflegebedürftigen weniger stark steigt als bisher angenommen.
    "Wie es sich weiterentwickelt hängt auch davon ab, ob bestimmte Maßnahmen greifen. Wir haben im Präventionsgesetz erstmals der Pflegeversicherung auch Präventionsaufgaben gegeben. Das kann Pflegebedürftigkeit verhindern, verzögern, Selbstständigkeit im Alter erhöhen."
    Opposition lobt Reform
    "Wir dürfen uns aber nichts vormachen", warnt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. "Langfristig wird die Pflege noch teurer werden. Wir werden nach dem neuen System, was ja ein teureres und besseres System ist, viel mehr Pflegebedürftige betreuen müssen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten 15 Jahren bis zu 50 Prozent wachsen wird."
    Gleichzeitig lobt er die Reform gegenüber dem Deutschlandradio. Sie führe zu weniger Bürokratie. Und: "Es steht viel stärker im Vordergrund, was ein Patient noch kann, und nicht was an ihm sozusagen verrichtet werden muss."
    Auch bei Opposition und Verbänden erntet die schon seit vielen Jahren vorbereitete Reform ganz überwiegend Lob. Das gilt für die Regelungen selbst, nicht aber für das Feld der Pflege insgesamt. Von einem Schritt in die richtige Richtung spricht Pia Zimmermann von der Linkspartei. Der nötige Paradigmenwechsel bleibe aber aus. Der Präsident des Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, mahnte im Deutschlandfunk, gerade die neuen Aufgaben erforderten besonders gut qualifizierte Pflegekräfte.
    "Woher sollen diese Menschen kommen, die diese Leistungen erbringen? Wir haben heute schon einen sehr stark ausgeprägten Mangel an Fachkräften. Und hier bleibt die Bundesregierung nach wie vor jede Antwort schuldig."
    Gerade angesichts der komfortablen Mehrheiten der Großen Koalition hätte sich auch Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz mehr Mut gewünscht. Das Thema stehe auf der Tagesordnung, antwortete der Gesundheitsminister.