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Pflicht für Banken
Das neue Recht aufs Girokonto

Wohnungslose, Asylsuchende und Geduldete haben ab dem 19. Juni 2016 das Recht auf ein Girokonto. Annabel Oelmann, Chefin der Verbraucherzentrale der Hansestadt Bremen, begrüßt das Konto für Jedermann und erklärt, worauf man achten muss und welche Einschränkungen es gibt.

Annabel Oelmann im Gespräch mit Jule Reimer | 17.06.2016
    Ein Bankkunde hebt in Hamburg mit seiner Girokarte Bargeld von einem Geldautomaten ab.
    Ab dem 19. Juni hat praktisch jeder Deutsche Anspruch auf ein Girokonto. (dpa-Bildfunk / Angelika Warmuth)
    Jule Reimer: Geld empfangen, Geld überweisen, dafür braucht man ein Konto. Doch nicht alle Banken haben in der Vergangenheit auch jeden als Kunden akzeptiert. Mit dem Girokonto für Jedermann sollen nun auch Obdachlose und Flüchtlinge ein Konto eröffnen können. Der Fachbegriff dahinter beziehungsweise das Gesetz heißt Zahlungskontengesetz. Ab Sonntag gilt der Rechtsanspruch. In Bremen begrüße ich Annabel Oelmann, Chefin der Verbraucherzentrale der Hansestadt. Frau Oelmann, wie funktioniert so ein Girokonto für Jedermann, auch Basiskonto genannt?
    Annabel Oelmann: Erst mal vielen Dank für die Einladung und zweitens funktioniert es genau wie jedes andere Girokonto auch. Das heißt, ich habe darüber wirklich erst mal überhaupt die Möglichkeit, Überweisungen zu tätigen, mit der Karte zu bezahlen, Daueraufträge einzurichten, und wir alle wissen ja, wie abhängig ich heutzutage von einem Girokonto in Deutschland bin. Ich kann kaum existieren ohne.
    "Viele Verbraucher und Verbraucherinnen sind auf der Strecke geblieben"
    Reimer: Wer hatte bisher schlechte Karten bei der Kontoeröffnung? Ich hatte ja schon was gesagt in der Anmoderation, Obdachlose und Flüchtlinge. Aber es sind noch weit mehr Menschen betroffen.
    Oelmann: In dem Moment, gerade wenn ich zum Beispiel auch eine schlechte Schufa-Auskunft habe, oder sonst irgendwelche Probleme mit mir verbunden sein konnten, kam es ganz schnell hier immer zu Problemen, wobei es auch sehr unterschiedlich war. Es gab immer schon Kreditinstitute, die relativ offen waren und sich auch dort darum bemüht haben, auch eine freiwillige Selbstverpflichtung eingegangen sind, aber leider funktioniert so etwas nicht immer flächendeckend und viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind dort auf der Strecke geblieben.
    Reimer: Kann ich zu jeder Bank gehen? Muss jede Bank mich nehmen?
    Oelmann: Jetzt ja! Das ist der große Vorteil. Das heißt, ich kann auch wirklich sagen, wenn ich gerne bei dem und dem Institut sein möchte, weil meine Familie komplett da ist, oder weil irgendetwas anderes dort ist, oder die mir sympathisch sind, oder sonst irgendwie, habe ich erst mal einen Anspruch. Das heißt, Sie können sich wirklich danach entscheiden, wo Sie hin möchten, und sind nicht genötigt, zu der einen Bank oder Sparkasse vor Ort zu gehen, die Sie vielleicht nimmt.
    Reimer: Was tue ich, wenn die Bank dann doch nicht mitmacht oder zögert, Bedenken hat, Ausflüchte? Sie haben ja eine Umfrage gemacht in Bremen und Sie sagten, die sei ernüchternd gewesen.
    Oelmann: Ja. Da haben erst mal fast alle nicht geantwortet. Das war das Hauptproblem. Wir dachten, sind wir doch mal vorbildlich und gehen mit was raus, machen einen kleinen Marktcheck, dann wissen die Verbraucher auch gleich, bei welcher Bank kriege ich es zu welchen Konditionen, weil das ist ja auch noch mal ein ganz schwieriger Punkt. Grundsätzlich müssen Verbraucherinnen und Verbraucher aber erst mal wissen: Wenn ich einen Antrag stelle, dann hat die Bank zehn Tage Zeit. Dann sollte ich eigentlich angenommen werden. Wenn sie mich ablehnt, muss sie auch das innerhalb von zehn Tagen tun, und zwar begründet. Es gibt Gründe, warum sie mich ablehnen kann, beispielsweise ich habe schon woanders ein Girokonto, ich brauche nicht dieses Basiskonto, oder andere Vorfälle, zum Beispiel, dass ich eine Straftat getan habe oder Ähnliches. Aber grundsätzlich besteht erst mal der Anspruch und ich habe die Möglichkeit, mich danach auch bei der Bafin zu beschweren, wenn es grundlos war.
    Bafin und Verbraucherzahlen helfen
    Reimer: Bei der Bafin zu beschweren, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Bundesaufsicht, ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Geht es auch kürzer?
    Oelmann: Wir sind natürlich über jeden Hinweis dankbar. Gerne wenden Sie sich erst mal an die Verbraucherzentrale vor Ort. Wenn Sie aber kein Basiskonto haben und es dringend benötigen und Sie haben einen Anspruch darauf und es wird zu Unrecht abgelehnt, dann ist die Bafin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, wirklich der gute Weg, weil da habe ich eine Möglichkeit und dann habe ich auch einen Anspruch darauf, dass das Konto eröffnet wird, und die kümmern sich darum. Das ist natürlich ein Druckhebel auch auf die Banken, der relativ gut funktioniert. Im Zweifelsfall habe ich natürlich aber auch immer die Möglichkeit, direkt den Klageweg zu gehen, aber gerade die Verbrauchergruppe, die hier betroffen ist, sind natürlich nicht die ersten, die normalerweise eine private Klage anstreben.
    Reimer: Es gibt aber Einschränkungen, die vielleicht auch heilsam sein können. Dispokredit überziehen etc., Kreditkarten, die sind ja auch manchmal teuflisch, wenn man sich ein bisschen schwer tut, mit Geld umzugehen. Die gehören da nicht dazu?
    Oelmann: Genau. Die sind erst mal nicht "all inclusive" mit dabei. Im Zweifelsfall hat die Bank natürlich durchaus die Möglichkeit, das freiwillig on top einzurichten, aber ich würde es mir im Zweifelsfall immer dreimal überlegen. Gerade wenn ich auch finanziell eher knapp aufgestellt bin, sind das meistens auch Verlockungen, wo ich genau überlegen muss, ist es für mich sinnvoll, weil ein Dispokredit, wissen wir alle, kostet im Verhältnis relativ viel und auch die Kreditkarte kann im Zweifelsfall zu Ausgaben verlocken, die ich so gar nicht gemacht hätte.
    Reimer: Ab Sonntag hat jeder das Recht, ein Girokonto zu eröffnen. Danke für diese Informationen dazu an Annabel Oelmann, Chefin der Verbraucherzentrale Bremen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.