Donnerstag, 18. April 2024

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Pharmabranche "kassiert natürlich relativ viel"

Die Medikamentenbranche braucht ein Preismoratorium, sagt CSU-Mann Markus Söder und unterstützt damit die Kampfansage des Bundesgesundheitsministers. Damit nicht genug: Söder hat zwei weitere Vorschläge, Medikamente bezahlbarer zu machen.

12.03.2010
    Christoph Heinemann: Der Mann ist mutig. Philipp Rösler hat der Pharmaindustrie den Federhandschuh hingeworfen.
    Am Telefon ist der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder, CSU. Guten Morgen!

    Markus Söder: Guten Morgen, grüß Gott.

    Heinemann: Herr Söder, unterstützen Sie Philipp Rösler?

    Söder: Es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Anstatt wochenlang über Kopfpauschale zu reden, ist das jetzt endlich einmal eine konkrete Sache, die helfen kann, die Defizite einzubremsen, die wir in dem Jahr haben in der gesetzlichen Krankenversicherung. Wichtig ist nur, dass es wirksam ist. Die prospektivische Sache zu sagen, die Kassen müssen verhandeln, ist das eine, und Möglichkeiten haben, zu verhandeln mit den Pharmaherstellern, aber es muss tatsächlich mit Preismoratorium in diesem Jahr bereits ganz konkret was passieren, und zwar schnell, sonst wachsen uns die Kosten über den Kopf.

    Heinemann: Also wir können Ihre Unterstützung zusammenfassen mit "Ja, aber"?

    Söder: "Ja, aber" heißt halt, wenn es wirkt. Da muss ich jetzt einmal konkret sehen, welcher Vorschlag da genau auf dem Tisch liegt. Nur das Verhandeln allein – und zwar für nächstes Jahr – wird keine Defizitfrage in diesem Jahr lösen. Grundsätzlich ist die Richtung absolut richtig, ich unterstütze das, unterstütze auch den Gesundheitsminister sogar gegen Widerstand in der eigenen FDP, den es ja da gegeben hat an der Stelle, weil es endlich mal eine konkrete Maßnahme ist, aber sie muss dann auch so ausformuliert sein, dass sie wirksam ist und greift und nicht am Ende auf der Hälfte stehen bleibt.

    Heinemann: Hohe Preise sind das Ergebnis langwieriger und gründlicher Forschung, argumentieren die Unternehmen.

    Söder: In der Tat ist es so, dass wir bei innovativen Arzneimitteln auch die Möglichkeit haben müssen, Forschung zu betreiben. Ohne Forschung geht es nicht – denken Sie beispielsweise an die Aids-Medikamente der letzten Jahre und Jahrzehnte, die sich da deutlich entwickelt haben und erhebliche Lebensverbesserung für die Menschen bringen konnten. Somit ist das wichtig. Aber wir haben trotzdem enorme Preisspannen. Das zeigt sich ja bei Medikamenten auch im Vergleich zum Ausland. Das gilt übrigens nicht nur bei den innovativen Arzneimitteln; das gilt auch auf dem Generikamarkt, und zwar sehr deutlich. In beiden Bereichen sind Möglichkeiten des Sparens drin und parallel dazu übrigens auch eine Überarbeitung bestehender Rabattsysteme. Man darf ja nicht vergessen: Wir haben bislang 30 bestehende bürokratische Zwangsrabattsysteme, die nur bedingt wirken. Also neben einem Preismoratorium jetzt braucht es eine Überarbeitung bestehender Systeme auf ihre Effizienz hin. Auch da sind noch Kostensenkungen möglich.

    Heinemann: Herr Söder, kassiert die Branche gegenwärtig ab?

    Söder: Nein, das kann man so nicht sagen. Aber sie kassiert natürlich relativ viel. Vor allem sind die Steigerungen jetzt zu erwarten. Das Problem ist ja nicht nur der Istzustand, sondern der zukünftige Zustand, und in dem Bereich gibt es einige medikamentöse Entwicklungen, die sehr, sehr nach oben gehen, und da braucht es eine Möglichkeit der Regulation. Deswegen ist ein aktuelles Preismoratorium für dieses Jahr richtig. Zweitens innovative Ideen, die man auch bräuchte für die Preisgestaltung der Zukunft, und drittens, was ganz wichtig wäre, dass die Kosten-Nutzen-Bewertung endlich mal auf vernünftige Beine gestellt wird, denn nur so kann man auch überlegen, welches Medikament den Preis wert ist.

    Heinemann: Ist die Frage, was sind vernünftige Beine. – Wenn sich die Industrie und die Kassen nicht einigen können, dann soll das Institut für die Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Kosten und Nutzen bewerten und einen Höchstpreis festlegen. Das sind die Pläne. Obwohl die Abkürzung dieses Instituts ja glücklicherweise mit den Buchstaben IQ beginnt, klingt das Verfahren doch etwas beschwerlich?

    Söder: Ja. In der Tat ist es so, dass es beschwerlich klingt, aber es gibt ja nicht viel andere Möglichkeiten. Die Verhandlungsmöglichkeit ist das eine und da ist dann die Frage, ob sich Kassen und Pharmaindustrie einigen werden, wobei ich übrigens davon ausgehe, dass da wesentlich schneller zu Ergebnissen gekommen wird, als man das denkt, zumal es jetzt das erste Mal die Chance überhaupt gibt. Ich glaube aber, dass es falsch wäre, das Institut erst einzusetzen, nachdem Verhandlungen gescheitert wären. Ich glaube, eher umgekehrt muss der Weg sein. Es sollte, bevor eine Verhandlung gemacht wird, dann schon eine Preisorientierung erfolgen, sodass dann auch sich beide Partner ein Stück weit orientieren können an dieser Empfehlung und nicht erst danach, weil sonst dauert es ewig und die Ergebnisse sind dann auch kaum zu bewerten.

    Heinemann: Aber der Preis hängt ja vom Nutzen ab, und den kann man nicht unbedingt vorher schon ermitteln.

    Söder: In dem Moment, wo ein Medikament zur Zulassung kommen soll und dann auch die Verhandlungen über den Preis beginnen, ist es ja bereits getestet, muss es ja marktfähig sein. Ansonsten wäre es ja völlig indiskutabel, ein Patent, das schon gegeben wurde, tatsächlich in die Bevölkerung zu geben. Also kann man schon ab dem Zeitpunkt, an dem Verhandlungen über ein Medikament beginnen, die Kosten-Nutzen-Bewertung vorziehen. Das ist jederzeit möglich. Muss es geben, sonst gäbe es ja auch kein Patent.

    Heinemann: Herr Söder, staatliche Preispolitik für eine ganze Industriebranche gab es in Deutschland zuletzt in der DDR. War die Planwirtschaft besser als ihr Ruf?

    Söder: Ehrlich gesagt gab es das schon eine ganze Zeit. Das deutsche Gesundheitswesen ist seit Jahren, seit Jahrzehnten auf dem Weg zu einem sehr regulierten System, was sich natürlich auch aufgrund der schwierigen Vorgaben der Gesundheitspolitik ergibt. Sicher ist es zum Beispiel für eine FDP neu und sie muss sich daran gewöhnen, auch in der Gesundheitspolitik, dass manches der Träume vom letzten Jahr, die man im Wahlkampf noch versprochen hatte, dann in der Realität ganz anders aussieht. Man spürt es ja! Wenn ich sehe, dass unser bayerischer Wirtschaftsminister Martin Zeil von der FDP seinen Kollegen Rösler kritisiert für die Zwangsrabatte, dann spürt man, dass das sicherlich gar nicht leicht ist, auch gerade für die FDP, aber wir brauchen jetzt einfach Hilfe. Ansonsten muss der Versicherte, muss der Beitragszahler enorme Zuwächse bezahlen.

    Heinemann: Das heißt, Sie meinen, wenn ausgerechnet ein FDP-Minister jetzt die Pharmaindustrie an die Kette legte, dann entbehrte das nicht einer gewissen Komik?

    Söder: Sagen wir mal so: Realismus an der Stelle ist gut.

    Heinemann: Wann könnte das Gesetz in Kraft treten?

    Söder: Ich hoffe, so bald wie möglich. Gestern waren es Ankündigungen, die gemacht worden sind; jetzt muss man auf die konkreten Vorschläge warten und dann so schnell als möglich. Wir sind ohnehin, wenn wir mal ehrlich sind, ja schon ziemlich weit im Jahr drin. Das war ja übrigens auch immer der Punkt, der mir sehr wichtig war, dass wir jetzt nicht monatelang über die Finanzierung von 2014, 2015 reden – Stichwort Kopfpauschale -, sondern dass wir konkret anfangen, etwas zu tun, weil wir gerade in diesem Jahr doch erhebliche Herausforderungen und Defiziterwartungen haben.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Wir sprechen mit dem bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder, CSU. – Herr Söder, was ist los in der Partei? Der besonnene Knabe – ich zitiere Thomas Goppel -, Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich, hat erstaunlich scharfzüngig Störfeuer aus München für die Berliner Koalition kritisiert. Als Brandstifter gelten auch Sie, Herr Söder. Geloben Sie Besserung?

    Söder: Wir haben ja die Woche der Brüderlichkeit.

    Heinemann: Die Epoche der Brüderlichkeit! Vorsicht!

    Söder: Der Horst Seehofer hat gemeint, die Epoche. Ich würde mal sagen, die Woche der Brüderlichkeit, und daran halten wir uns alle. Wir hatten ja am Montag im Parteivorstand eine sehr gute, eine sehr klare, eine sehr deutliche Aussprache. Es ist nun einmal so in der CSU – und das ist eindeutig -, man kann als Partei nur erfolgreich sein, wenn beide Seiten zusammenarbeiten. Da gibt es überhaupt keine Alternative. Ich selber war als Gesundheitsminister übrigens nicht nur beteiligt zu Fragen der Koalitionsverhandlungen, die ich federführend geführt habe für die gesamte Partei, auch für die Landesgruppe mit; ich habe im Übrigen auch den Auftrag vom Parteivorstand, für die gesamte Partei ein Gesundheitskonzept zu erarbeiten. So ist es auch ganz klar, dass ich für Gesundheitspolitik zuständig bin. Das ist ja logisch. Aber da wir alle nicht nur geloben, sondern es auch einhalten, ganz eng zusammenzuarbeiten, werden wir das in der Zukunft noch besser tun.

    Heinemann: Unter Strauß und Stoiber wäre es undenkbar gewesen, dass der Statthalter im Bund die bayerische Staats- und Parteiführung kritisiert.

    Söder: Ach, da habe ich schon ganz anderes erlebt. Das gibt es immer wieder mal. Im Übrigen darf man da auch nicht zu kleinkariert sein. Das gibt es nun einmal, jeder hat nun mal seine Interessen und deswegen ist es nicht schlimm, wenn auch einmal da ein deutliches Wort der Kritik kommt. Politik ist nun auch mal Auseinandersetzung, Austauschen von Argumenten. Ich sehe das sehr gelassen und sportlich. Wichtig ist, dass man am Ende immer zu einer gemeinsamen Lösung findet, und so ein Beispiel, dass Landesgruppe und Partei und auch Staatsregierung eindeutig sagen, Kopfpauschale nein, das ist doch ein klarer Standpunkt, der mich freut.

    Heinemann: Und wir halten fest: Eine Epoche besteht für Sie aus sieben Tagen?

    Söder: Na ja, zunächst einmal auch eine Epoche fängt mit einer Woche an.

    Heinemann: Markus Söder, der bayerische Gesundheitsminister von der CSU. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Söder: Auf Wiederhören!