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Philosoph Dieter Thomä
"Demokratie braucht Helden "

Besonderes für das Gemeinwohl leisten, ohne Gefahr und persönliche Opfer zu scheuen: Demokratische Helden seien wichtig für unsere Gesellschaft, sagte der Philosoph Dieter Thomä im Dlf. Man müsse aber gut unterscheiden zwischen Narzissten und echten Helden - wie beispielsweise Edward Snowden.

Dieter Thomä im Gespräch mit Michael Köhler | 15.09.2019
Der Schweizer Philosoph Dieter Thomä
"Nicht alle Helden sind Demokraten, aber Demokratie braucht Helden", sagte der Schweizer Philosoph Dieter Thomä im Dlf (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
Es gebe die Versuchung der postheroischen Gesellschaft, als Erfolg zu feiern, keine Helden nötig zu haben, sagte der Philosoph Dieter Thomä im Deutschlandfunk. Es gebe aber eine Sehnsucht des Menschen, Zeuge großartiger Taten zu sein. Und eine heldenfreie Demokratie überlasse das Heldentum dann "irgendwelchen Männergruppen oder irgendwelchen altmodischen Versammlungen." Zudem glaube er nicht, dass die Demokratie dann besonders gut gelinge, wenn sie heldenfrei geworden sei. Man müsse aber wachsam sein, an welche Helden man sich halte.
Echte Helden zeichneten sich dadurch aus, dass sie sich in irgendeiner Weise einer Gefahr aussetzten, an ihre Grenzen kämen, über ihre Grenzen hinausgingen - und sich für eine große Sache einsetzen. Einen Bestseller zu schreiben, ein wichtiges Fußballtor zu schießen oder eine Bergbesteigung ohne Seil zu schaffen, reiche also nicht aus. Sich für die Demokratie einzusetzen, sei aber unbedingt eine große Sache und deshalb im Prinzip heldenfähig.
Zwischen Helden und Egozentrikern unterscheiden
Zwischen Helden und normalen Menschen gebe es einen sogenannten Höhenunterschied, so Thomä. Der könne produktiv sein, wenn jemand andere mitziehen und zu Leistungen und Errungenschaften bringen könne, die sie ohne ihn nicht geschafft hätten. Helden seien immer ein soziales Phänomen, dass sie Leute um sich scharen und mitziehen wollten. Was anderes sei es wenn jemand sich voranstelle und "anderen den Eindruck vermittelt, ihr seid Nullen ihr könnt es nicht, ich muss es machen." Von Donald Trump stamme der Satz: "I'm the only one who can fix it." Dieses Narzisstische bei Trump gehe immer einher mit der Botschaft: Ihr seid nicht so reich, ihr müsste euch auf mich verlasen, ich deichsel das. Doch dieser Höhenunterschied sei undemokratisch.
Edward Snowden - ein demokratischer Held
Ein wirklicher demokratischer Held sei hingegen Edward Snowden - auch wenn viele in Amerika das nicht so sähen, weil er als Landesverräter gelte. Doch Snowden berufe sich darauf, "dass er den Buchstaben der amerikanischen Verfassung und Unabhängigkeitserklärung und den Geist derselben wieder zum Leben erwecken will. Gegen den Status Quo - das heißt, er ist kein Sonderling, auch wenn er jetzt in Moskau sitzt. Insofern erfüllt er auch mit den persönlichen Opfern, die er bringt, eigentlich sehr gut die Voraussetzung für Heldentum."