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Philosophie-Lehrerausbildung
Lage der Fachdidaktik-Professuren ist "katastrophal"

Es müsse stärker in die Philosophie-Lehrerausbildung investiert werden, fordert Michael Quante, Philosophieprofessor an der Uni Münster und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie. Die Herausforderungen der Fachdidaktik müssten stärker berücksichtigt werden, damit das Fach in der Schule gut rüberkomme. Das sei für die Philosophie "insgesamt überlebenswichtig", sagte er im DLF.

Michael Quante im Gespräch mit Manfred Götzke | 06.10.2014
    Manfred Götzke: Studierende zweiter Klasse, so kommen sich in vielen Disziplinen die Lehrer in spe vor. Sie finden sich meist in besonders vollen Hörsälen wieder, müssen sich Massenvorlesungen mit Studenten anderer Schwerpunkte geben. Vor allem aber halten die Koryphäen ihres Fachs ihre Seminare und Vorlesungen halt lieber vor Masterstudenten, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben und nicht in die Schule wollen. In der Philosophie zum Beispiel werden überhaupt nur 15 Prozent der Lehrveranstaltungen für angehende Lehrer von Professoren und Professorinnen gehalten. Hochschulen und Kultusminister müssen das ändern, fordert Michael Quante. Er ist Philosophieprofessor in Münster und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie. Herr Quante, wann haben Sie denn das letzte Mal eine Vorlesung für Lehramtsstudierende gehalten?
    Michael Quante: Im jetzt zu Ende gegangenen Sommersemester.
    Götzke: Sind Sie damit ein Unikat an Ihrer Universität?
    Quante: Nein, im Fach Philosophie gibt es sowieso keine Trennung und Münster ist eine der größten lehramtsausbildenden Universitäten, sodass ich in keiner Weise ein Unikat bei uns bin.
    "Da findet so langsam ein Umdenken statt"
    Götzke: Nun beklagen Sie ja, dass Lehramtsstudierende als Philosophen zweiter Klasse gelten. Wer behandelt die denn so? Die Bundesländer, die Hochschulleitungen oder die Philosophieprofessoren selbst?
    Quante: Ich glaube, dass individuelle Professoren im Umgang mit den Studierenden das nicht tun, weil sie das oft gar nicht merken im Umgang in den Seminaren. Das Problem ist eher ein strukturelles. Generell haben Rektorate die Vorstellung, dass Lehramt weder forschungsintensiv noch drittmittelattraktiv ist und irgendwie mitgemacht werden muss, sodass auch Professoren, die in diesem Bereich arbeiten, irgendwie nicht sehr hohes Ansehen genießen. Auf der anderen Seite ist es so, dass, wenn Fächer Strukturpläne machen, sie ja zusehen müssen, dass sie nach den Spielregeln, nach denen in Universitäten und auch sonst Gelder und anderes verteilt werden, gut dastehen. Und da ist es häufig aus meiner Sicht zu defensiv gedacht, wenn man das Lehramt nicht auch ins Zentrum stellt. Da findet so langsam ein Umdenken statt, aber man muss im Fach dafür werben, in jeder Universität dafür werben und auch bei Drittmittelgebern, und auch in der Politik dafür werben.
    Götzke: Sie haben die Politik, Sie haben die Hochschulleitung angesprochen, aber tatsächlich - ich habe es selbst an meiner Universität auch so erlebt als Philosophiestudierender - gibt es ja diesen Dünkel bei Professoren, dass die Lehramtsstudenten Studierende zweiter Klasse sind. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
    Quante: Ich denke, da muss man die Fächerkulturen differenzieren. Wenn Sie naturwissenschaftliche Studiengänge nehmen, da ist es natürlich häufig so, dass die Hauptfachstudierenden einen Einfach-BA und -Master studieren, Lehramtsstudierende dagegen zwei Fächer und auch den ganzen Didaktikbereich haben. Das kann dazu führen, dass der fachwissenschaftliche Anteil gegenüber den alten Diplom- und jetzt BA-, MA-Studiengängen geringer ist. Damit ist vom Endergebnis der Ausbildung her, verglichen zu einem vollwertig ausgebildeten Biologen, ein Biologielehrer etwas anders ausgebildet. In den sogenannten Geisteswissenschaften ist das aber weniger ein Problem, weil unsere Studiengänge in aller Regel Zweifachstudiengänge sind, also man sowieso nicht nur ein Fach studiert. Dadurch reduziert sich diese Differenz erheblich. Es ist möglicherweise so, dass wir überlegen müssten bei uns im Fach, ob es Fachinhalte gibt, die wir momentan parallel für alle gleich anbieten, ein wenig ausdifferenziert werden nach Schulzielort und Forschungszielort. Den Anstoß haben wir jetzt auf dem Kongress in Münster, auf dem Philosophiekongress, versucht zu geben.
    Götzke: Dort haben Sie ja auch vorgeschlagen, Fachprofessuren für Lehramtsstudierende einzurichten. Warum, welches Ziel soll das konkret haben?
    Herausforderungen der Fachdidaktik mehr berücksichtigen
    Quante: Die Herausforderungen, die die Fachdidaktik stellt, müssen viel mehr berücksichtigt werden, damit unser Fach auch in der Schule nachher gut rüberkommt. Das ist auch für die Philosophie insgesamt überlebenswichtig. Und die Lage der Professuren für Fachdidaktik in der Philosophie ist katastrophal. Es geht nur darum, die fachdidaktischen Anteile der Philosophie auf professoraler Ebene zu betreiben und genauer zu schauen, welche Kompetenzen, Fähigkeiten für den Arbeitsort Schule speziell gebraucht werden. Das soll keine Zwei-Klassen-Gesellschaft werden, auf der Ebene der Professuren in unseren Seminaren und Vorlesungen wird da gar kein Unterschied gemacht, das würde für die Philosophie auch keinen Sinn machen.
    Götzke: Kurze Frage zum Schluss: Jetzt gibt es ja eine Qualitätsoffensive in der Lehrerbildung. Hoffen Sie, auch davon zu profitieren und Ihre Fachdidaktiker über diese Initiative auch zu bekommen? Wie sehen Sie da die Perspektiven?
    Quante: In Münster ist es erst mal gelungen, wir haben derzeit für einen vierjährigen Zeitraum eine Professur zugeordnet bekommen und vielleicht wird es eine zweite Runde geben in diesem Programm. Das kann aber keine Dauerlösung sein. Deswegen haben wir in der Münsteraner Erklärung, die wir am letzten Mittwoch verabschiedet haben, auch gefordert, dass die Fachdidaktik auf professoraler Ebene in der Grundstruktur der Fächer in der Philosophie verankert wird und nicht immer auf zeitlich befristete Gelder von außen angewiesen ist. Denn gerade in der Fachdidaktik braucht man Kontinuität. Hier muss ja mit Schulen ein dauerhaftes, stabiles Verhältnis aufgebaut werden, weil man Praktikumsplätze braucht, weil man in die Lehrerzimmer kommen muss, weil auch die Schulen eine Rückbindung an die Universitäten brauchen. Und das geht eigentlich nur durch eine permanente Kontinuität von Personen. Das gerade aber ist ja das, was durch externe Programme nicht gewährleistet werden kann, da laufen die Gelder, wenn es gut läuft, vier oder acht Jahre und danach verschwinden die Strukturen wieder. Deswegen halten wir das nicht für ausreichend. Das Kernproblem ist eben, an die Strukturstellen auf professoraler Ebene zu kommen und auch dort die Fachdidaktik zu verankern.
    Götzke: Politik und Hochschulen müssen stärker in die Philosophielehrerausbildung investieren, sagt Michael Quante, Philosophieprofessor an der Universität Münster.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.