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Physik für Präsidenten und solche, die es werden wollen

Physik. - Ein Präsident sei immer nur so gut wie seine Berater, heißt es. Ein amerikanischer Physikprofessor will sich damit aber nicht abfinden. Der künftige Präsident der USA, so seine Argumentation, müsse im Ernstfall in der Lage sein, blitzschnell weitreichende Entscheidungen zu treffen. Um den neuen Staatschef auf sein Amt vorzubereiten, hat der Professor aus Berkeley einen Crashkurs für Entscheidungsträger geschrieben.

Von Ralf Krauter | 17.12.2008
    Richard Muller, Physiker und Professor an der Universität im kalifornischen Berkeley, hält beliebte Vorlesungen, für deren didaktische Finesse ihm seine Studenten bereits mehrfach höchstes Lob zollten. Während des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2008 bekam Richard Muller irgendwann den Eindruck, dass seine Lektionen eigentlich auch den künftigen Mann im Weißen Haus etwas angingen. Also fasste er das Wichtigste kurzerhand in einem Buch mit dem Titel "Physics for future Presidents" zusammen: Physik für künftige Präsidenten.

    " Das Buch ist ein Destillat meiner Vorlesungen. Es enthält in konzentrierter Form alles, was der Präsident wissen muss. "

    Ob Barack Obama den Crashkurs für Entscheidungsträger schon gelesen hat, wisse er zwar nicht, sagt Richard Muller. Aber dass der künftige Präsident gut beraten wäre, einen Blick hinein zu werfen, davon ist der Physikprofessor überzeugt. Mangelnde Kenntnisse naturwissenschaftlicher Zusammenhänge hätten in der Vergangenheit nämlich wiederholt zu Problemen geführt, sagt Muller.

    " Viele Politiker halten Physik und Naturwissenschaft für etwas Geheimnisvolles, das nur Eingeweihte verstehen - Leute mit Doktortitel und so. Aber das ist nicht wahr. Wir erwarten von unserem Präsidenten, dass er die Mechanismen der Wirtschaft versteht und den Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten kennt. Er sollte aber auch wissen, dass die nordkoreanische Atombombe weniger Energie freigesetzt hat als die Flugzeuge, die ins World Trade Center gestürzt sind. "

    Schuld daran, so lernt man im Kapitel über Terrorismus, ist die enorme Energiedichte des Treibstoffs in den Tanks der Flieger. Deshalb hält Muller auch die gefürchteten Anschläge mit schmutzigen Bomben, die nur sehr begrenzt radioaktives Material freisetzen können, für weniger gefährlich als Attacken mit Tanklastern oder aufgedrehten Gasleitungen, die ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legen könnten. Neben der Physik der nationalen Sicherheit widmet sich das Buch vier weiteren Themenfeldern: Energie, Kernwaffen, Weltraum und Klimawandel.

    " Bei vielen wichtigen Themen heute spielt Technologie eine zentrale Rolle. Wenn der Präsident entscheiden muss, ohne mit den naturwissenschaftlichen Aspekten vertraut zu sein, wird seine Entscheidung wahrscheinlich falsch sein. "

    Im Kapitel über Energie lernt der Leser, dass ein Kilogramm TNT weniger Energie enthält, als ein Liter Benzin und warum Elektroautos trotz mancher Euphorie bis auf Weiteres zu teuer sind. Was die Erkundung des Weltraums angeht, stellt Richard Muller klar, dass es im Sinne der Forschung ratsam wäre, künftig nur noch Roboter ins All zu schicken.

    " Der Präsident muss entscheiden, ob er die bemannte Raumfahrt weiter mit enormen Summen fördern will. Dazu muss er wissen, dass die allermeisten Forscher dieses Geld lieber in andere Projekte stecken würden. "

    Weil "Physik für künftige Präsidenten" ohne Formeln daher kommt, ist Richard Muller sicher, dass seine Botschaft beim Leser ankommt. Barack Obama sei gewiss in der Lage alle Physik zu verstehen, die nötig sei, um weise Entscheidungen zu treffen, attestiert Richard Muller. Er müsste den Schnellkurs für Weltenlenker halt nur lesen. Die Chancen dafür stehen gar nicht mal schlecht. Mehrere Personen in Obamas Umfeld besäßen das Buch, sagt der Mann aus Berkeley. Der neue Präsident hat es also wohl zumindest schon mal gesehen. Und das wäre ja schon mal ein Anfang.