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Piech-Biograph: Es ist Zeit, dass diese Herren abdanken

Jürgen Grässlin, Autor einer nicht autorisierten Piech-Biographie und Vertreter der kritischen Aktionäre bei Daimler, hat den VW-Patriarchen und Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch als egoistischen und egozentrischen Machtmenschen bezeichnet. Er befürchte, dass Piech im Kampf um die Macht bei Volkswagen nach dem Einstieg von Porsche und dem Eklat im Aufsichtrat das ganze Unternehmen an die Wand fahren könnte.

Jürgen Grässlin im Gespräch mit Elke Durak | 15.09.2008
    Durak: Was will Ferdinand Piech und weshalb? Darum soll es jetzt gehen. Die Eigentümerfamilien Porsche und Piech wollen ihn offenbar von seinem Posten als VW-Aufsichtsratschef verdrängen. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat das Abstimmungsverhalten von Ferdinand Piech am Freitag im VW-Aufsichtsrat. Er hatte dafür gesorgt, dass Porsche gegenüber den Arbeitnehmervertretern eine Niederlage hinnehmen musste. Porsche will ja VW übernehmen, muss nun aber erst einmal künftige Kooperationen mit der VW-Tochter Audi vom Aufsichtsrat von VW genehmigen lassen.

    Ich habe über all dies mit Jürgen Grässlin gesprochen, der über Ferdinand Piech ein Buch geschrieben hat. Grässlin ist konsequenter Rüstungsgegner, vertritt die kritischen Aktionäre bei Daimler und ist unter anderem Mitglied von Amnesty International. Meine erste Frage an ihn: was treibt Ferdinand Piech an?

    Grässlin: Ferdinand Piech ist der Enkel von Ferdinand Porsche, den nun Jedermann kennt als einen, wenn nicht der größte Konstrukteur aller Zeiten. Erfinder und Konstrukteur des VW Käfer und vieles andere mehr wäre zu nennen. (…) Überhaupt war seine Karriere eher geprägt von Rückschlägen und er hat sich natürlich immer wieder durchgeboxt, aber er war neun Jahre bei Porsche in Stuttgart und der erste Rückschlag war, dass sein Onkel Ferry nach einem Familienstreit allen Familienmitgliedern verboten hat, weiter im operativen Geschäft tätig zu sein. Konsequenz: Ferdinand Piech verließ Porsche daraufhin. Dann war er 21 Jahre bei Audi, wollte Vorstandsvorsitzender werden und fiel dann erst mal bei der Wahl gegen Herrn Habil durch und hat den Aufsichtsrat gedrängt, ihn dann doch zu wählen, was im zweiten Wahlgang dann erst passiert ist. Dann kamen und sind die Auseinandersetzungen bei VW zu nennen. Denken Sie mal an die Fehlentscheidung von Ferdinand Piech, Ignazio Lopez zu holen als Beschaffungsvorstand. (…) Das Ergebnis war, dass das Unternehmen 100 Millionen Dollar an GM zahlen musste und Ersatzteile im Wert von einer Milliarde kaufen musste. Unter anderem kam dann auch die Geldstrafe von 202 Millionen Euro an die EU hinzu wegen Bruch der Wettbewerbsregeln im EU-Recht und, wenn Sie so wollen, auch die Fehlentscheidung überhaupt in der Produktpalette. Wir könnten ganz viel nennen und kommen zu dem Punkt: Ferdinand Piech ist aufgestiegen an die Macht, allerdings mit vielen, vielen Rückschlägen.

    Durak: Und was will er erreichen?

    Grässlin: (…) Er ist Vorstandsvorsitzender des größten europäischen Autokonzerns VW gewesen. Er ist jetzt Aufsichtsratschef und er will den Daumen draufhalten und weiterhin der mächtigste Mann im Konzern sein. Aber da hat er nun große Schwierigkeiten, denn im zweiten wichtigen Aufsichtsrat, nämlich dem von Porsche, sitzt inzwischen Wolfgang Porsche als Aufsichtsratsvorsitzender, sozusagen das zweite Glied des Porsche-Piech-Klans, und der redet ihm natürlich kräftig rein.

    Durak: Ist es eine unternehmerische Fehlentscheidung von Ferdinand Piech gewesen, sich gegen Porsche bei dieser Aufsichtsratssitzung zu wenden, oder ist das ein persönlicher Schachzug gewesen?

    Grässlin: Es ist auf jeden Fall so, dass die Familie Piech zwei Mitglieder im Porsche-Aufsichtsrat hat. Das ist Ferdinand Piech selbst, das ist Hans-Michael Piech. Und auf der anderen Seite sitzen der Sohn Ferdinands Oliver, also der Sohn von Ferdinand-Alexander Porsche, Hans-Peter Porsche und eben - und jetzt wird es spannend - Wolfgang Porsche als Aufsichtsratsvorsitzender. Damit ist das alte Gefüge, die alte Stabilität weg, die damals von Luise Porsche und Ferry Porsche, den Eltern, gewünscht war. Und das Ergebnis ist, dass wir inzwischen eine offene Familienfehde haben, vor allem eben zwischen Ferdinand Piech und Wolfgang Porsche, und darunter leiden natürlich beide Unternehmen, der Sportwagenhersteller Porsche AG in Stuttgart und natürlich auch die VW AG in Wolfsburg.

    Durak: Kann es wirklich sein, dass diese Unternehmer, die ja wirklich ihre Erfolge auch gebracht haben, ihre persönlichen, ihre Familienfehden wirklich auf dem Rücken der Unternehmen austragen werden bis zuletzt?

    Grässlin: Schlimmer noch: auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Wir wissen ja aus der Erfahrung vergangener Jahre und Jahrzehnte, dass es dann immer wieder Arbeitsplätze kostet, weil das Image der Unternehmen dann geschädigt ist und im Automobilbereich ist Image ein ganz wichtiger Punkt. Das ist auch wieder typisch für Ferdinand Piech, wenn Sie zurückblicken. Man kann es mal etwas platt sagen: (…) Ich habe den Eindruck, dass er jetzt wieder durchziehen will, eben auf Kosten des Images des Unternehmens und gegebenenfalls auch der Beschäftigten.

    Durak: Herr Grässlin, irgendwie drängen sich doch Vergleiche auf. Wir hatten ja gerade die Lösung für Bayreuth und haben zuvor über Jahre den Familienzwist bei den Wagners miterlebt, mitbeobachtet. Sind hier wirklich Vergleiche zu ziehen?

    Grässlin: Es sind insofern Vergleiche zu ziehen, dass hier Machtmenschen sind. Sie können ja auch Jürgen Schrempp und seinen Familien-Klan bei Daimler nennen. Da gibt es Menschen an der Spitze, bei denen man den Eindruck gewinnen will, dass persönliche Interessen über denen des Unternehmens stehen. Machtinteressen, auch persönliche Karrieren und das nicht los lassen können haben wir bei Schrempp erlebt und jetzt wieder bei Ferdinand Piech.

    Durak: Ich möchte mit Ihnen gemeinsam doch noch mal auf die Unternehmen schauen. Porsche will bis November 51 Prozent der VW-Aktien kaufen. Wäre VW damit verloren?

    Grässlin: Verloren nicht erst mal. Es kann ja auch eine Schutzfunktion geben. Denken wir noch mal an BMW und die dortige Beteiligung des Großfamilien-Klans oder der Familie Quant. Das hat Vorteile in dem Sinne, dass feindliche Übernahmen erschwert werden. Daimler hat gerade das Problem, dass Cavian Capital, ein schwedischer Hedgefond, massiv einsteigen will. Es hätte einen Vorteil, nämlich eine gewisse Absicherung. Auf der anderen Seite hat es natürlich den großen Nachteil, dass Familieninteressen plötzlich über Konzerninteressen stehen und ein Großkonzern, der größte Autokonzern Europas Volkswagen, plötzlich Opfer werden kann dieses Familienzwists.

    Durak: Gehen die Zeiten von solchen Eigentümerfamilien mit langer Tradition zu Ende?

    Grässlin: Ich hoffe, dass dem so ist. Es darf ja nicht sein, dass einzelne Herren, die meinen, sie müssten die mächtigsten Manager der Welt sein - treffendstes Beispiel wäre Jürgen Schrempp mit all seinen Fehlentscheidungen -, ganze Unternehmen in Gefahr bringen. Jürgen Schrempp hat 45 Milliarden Börsenwertverlust zu verbuchen bei Daimler. Ferdinand Piech hat es bisher geschafft, das Unternehmen Volkswagen an der Spitze in Europa mitzuhalten, aber es gibt da keine Garantien. Wir haben Überproduktionen auf dem Automobilmarkt und es besteht die große Gefahr, wenn Ferdinand Piech weiterhin meint, Eigeninteressen durchzusetzen, dass auch Volkswagen an die Wand fährt.

    Durak: Sie sehen das alles sehr, sehr kritisch, sind ja nicht ohne Grund Vertreter der kritischen Aktionäre bei Daimler, Herr Grässlin. Aber gibt es nicht auch große Unternehmen hier in Deutschland, von Eigentümerfamilien geführt, die sehr positiv agieren, auch im Sinne ihrer Arbeitnehmer?

    Grässlin: Ich hatte die Familie Quant genannt. Da sehe ich es durchaus anders, weil die Quants sich eben auch im Hintergrund gehalten haben. Wann erleben sie mal, dass ein offener Zwist auf der Bühne der Öffentlichkeit, sogar der Weltöffentlichkeit ausgetragen wird bei BMW? Bei den Piechs und Porsches ist das anders. Das sind zwei Familien-Klans, die sich natürlich notgedrungener Weise aufgrund auch ihrer Historie zusammengefunden haben, auch zusammenfinden müssen - denken Sie an den Vertrag bei der Porsche AG, der ja regelt, dass erst mal eine Gesellschafterversammlung stattfinden muss, bevor man dann in den Aufsichtsrat geht, wo man einstimmig oder einheitlich abstimmt. Aber nichts desto Trotz scheinen da Leute sehr egoistisch und egozentrisch ihre Interessen auszutragen und ich denke, dass die Zeit jetzt gekommen ist, dass diese Herren abdanken und wieder die Rationalität in den Vorständen großer deutscher Konzerne einzieht.

    Durak: Ein Gespräch mit Jürgen Grässlin. Er hat ein Buch über Ferdinand Piech geschrieben.