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Pierre Moscovici
Eliteschüler, Sozialist, Realist

Der Franzose Pierre Moscovici soll neuer EU-Wirtschaftskommissar werden. Das Amt wird zum 1. Dezember für 2,5 Jahre neu besetzt. In seiner Heimat war er bereits Europa- und Finanzminister. Im Finanzressort war er jedoch an der Sparpolitik gescheitert.

Von Ursula Welter | 03.09.2014
    Frankreichs ehemaliger Finanzminister und Kandidat für die EU-Kommission Pierre Moscovici, geht vor einer großen blauen EU-Flagge mit gelben Sternen und weißen Streifen entlang
    "Ich wünsche mir ein Europa, das für die Franzosen wieder Hoffnung bedeutet," sagt Pierre Moscovici. (dpa/picture alliance/Yannis Kolesidis)
    Als die Finanzkrise Zyperns auf der europäischen Tagesordnung stand, soll Pierre Moscovici bei einem wichtigen Treffen eingenickt sein. Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, vormals selbst französische Finanzministerin, meinte daraufhin verbittert: "Kein Wunder, dass die Stimme Frankreichs in Europa nicht gehört wird".
    Pierre Moscovici: Jahrgang '57, Sprössling einer rumänisch-polnischen Familie, Absolvent zweier wichtiger, französischer Elitehochschulen, für die Sozialisten im Laufe seiner beruflichen Karriere Europaabgeordneter und in seiner Heimat Europaminister und zuletzt Finanzminister.
    "Ich habe dort gelitten, denn es ist hart. Ich war dort glücklich, denn es ist großartig,"
    sagte Pierre Moscovici, als er das Finanzministerium im Frühjahr räumen musste, weil die Sozialisten gerade die Kommunalwahlen verloren hatten und das Kabinett umgebildet wurde.
    "Mosco" , wie er in Frankreich genannt wird, hatte sich in einem Ministerium mit sechs Ressortchefs und unübersichtlichen Zuständigkeiten abstrampeln müssen, seine Hausmacht war nicht besonders groß, auch in der Regierungsmehrheit, und so war schon Anfang des Jahres klar, Moscovici zieht es nach Brüssel.
    "Die Franzosen sollen Europa lieben lernen, das ist manchmal schwierig."
    Bilanz: Mangel an Sparwillen
    Gegen die Stimmung, die sich in Frankreich immer mehr den Rechtsextremen zuneigt, will der Sozialist ein anderes Europa setzen:
    "Ich wünsche mir ein Europa, das für die Franzosen wieder Hoffnung bedeutet".
    Sagt Moscovici. Wachstums- und Beschäftigungsförderung, Investitions- und Konjunkturprogramme - seit ihrem Wahlsieg 2012 fordern Frankreichs Sozialisten dies, und auch der Name Moscovici steht für diese Linie.
    Auf der anderen Seite seiner Bilanz fehlt es jedoch an durchgreifenden Strukturreformen und an Sparwillen. 2013 setzte Moscovici in Brüssel durch, dass Paris zwei Jahre mehr Zeit beim Erreichen des Schuldenziels von drei Prozent erhielt. Als er das Finanzministerium verließ, deutete sich bereits an, dass auch die neue Zusage nicht zu halten sein wird.
    Moscovici ist Realist.
    "Man muss Frankreich aber auch in Europa wieder beliebt machen, das ist nicht selbstverständlich."
    Die vergangenen Wochen hat er damit verbracht, Zweifel an seiner Befähigung für ein wichtiges Wirtschaftsressort in der EU-Kommission zu zerstreuen. Er kenne die Dossiers, er seit gut vernetzt in Brüssel und die Zweifel in Deutschland hätten nicht mit seiner Expertise, sondern mit Parteipolitik zu tun, sagt der Franzose, von dem der Satz stammt, "das Ende des Austeritäts- also Spardogmas" sei gekommen.
    "Ich habe viel Zeit meines Lebens Europa gewidmet, auch im französischen Finanzministerium, und ich möchte mich dem nun ganz und gar zuwenden, aber selbstverständlich bleibe ich dabei meinen Ideen treu. Vive la République, vive la France !"