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Pilotprojekt in Bremen
Kommissar Quereinsteiger

Bei vielen Polizeibehörden in Deutschland wurden über die Jahre Stellen gekürzt. Nachwuchs ist bitter nötig. Das LKA Bremen probiert es in einem Pilotprojekt mit 20 Akademikern. Innerhalb von zwei Jahren sollen sie zu Kriminalpolizisten ausgebildet werden.

Von Klaus Martin Höfer | 15.02.2018
    Zwei Polizistinnen trainieren unter der Aufsicht eines Ausbilders das Schießen
    Nach Studium und zwei Jahren Schulung Polizist? Bremen will in einem Pilotprojekt 20 Akademiker zu Kripobeamten ausbilden. (imago stock&people / Jochen Tack)
    Ab und an sucht die Polizei Hochschulabsolventen, die an einer regulären Universität oder Fachhochschule studiert haben, und zwar, wenn es Spezialisten sein sollen: Computerfachleute, die bei der Aufklärung von Internet-Verbrechen helfen können, zum Beispiel. Oder Chemiker für die Labor-Analyse von Tatortspuren. Doch die Bremer Polizei will nun Hochschulabsolventen von außen auch für Routinearbeiten der Kriminalpolizei einsetzen, allerdings erst einmal sehr zaghaft: 20 zusätzliche Seiteneinsteiger werden gesucht, während 140 neue Kripo-Beamte traditionell aus dem eigenem Nachwuchs rekrutiert werden.
    "Viele schauen jetzt interessiert auf Bremen"
    Auch ohne Seiteneinsteiger wären es nicht mehr geworden, denn an der Polizeihochschule gibt es nicht mehr Studienplätze. Daniel Heinke, Leiter des Landeskriminalamtes Bremen:
    "Wir haben uns entschlossen, jetzt erst einmal einen Pilotversuch durchzuführen. Ich habe das auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, den Leitern der anderen Landeskriminämter erörtert. Ich glaube sagen zu können, dass viele sehr interessiert jetzt auf Bremen schauen."
    Gesucht werden Bachelor-Absolventen, zum einen in den Fachrichtungen Rechtswissenschaften, Informatik, Psychologie und Islamwissenschaften, aber auch Absolventen mit anderen Studienfächern – die müssen dann aber drei Jahre Berufspraxis vorweisen. Daniel Heinke:
    "Dabei ist für mich nicht entscheidend, welche Tätigkeiten genau es waren, sondern dass die berufliche Täigkeit zur Studienausbildung passt und insgesamt für uns einen Mehrwert darstellen würde."
    Zwei Jahre Schulung mit vollen Bezügen
    Zwei Jahre sollen die Neulinge in Kripo-Arbeit geschult werden, aber gleich mit vollen Bezügen im Beruf stehen. Sonst dauert in Bremen der Weg zum Ermittler sechs bis neun Jahre. Denn jeder andere muss erst einmal zur Schutzpolizei. Erst Jahre später können sich Interessenten für die Kripo bewerben, zu einem Ermittlerlehrgang.
    Zu diesem Zeitpunkt sind die Beamten bereits jahrelang Streife gefahren, waren in Einsatzhundertschaften bei etlichen Demonstrationen dabei, haben Verkehrsunfälle aufgenommen, Streit geschlichtet, Tatorte gesichert – wichtige Berufserfahrungen, die den Seiteneinsteigern fehle, befürchtet Rolf Oehmke, Personalrat der Bremer Polizei:
    "Wenn man dann den Rollenwechsel hinbekommt von der uniformierten zur Kriminalpolizei, dann weiß man auch, warum vielleicht eine Personalie nicht vollständig aufgenommen wurde, warum eine Maßnahme nicht so durchgefüht wurde, wie man sich das wünschen würde, weil man das alles schon mal erlebt hat, wie unter Stress so ein Einsatzgeschehen abgeht. Wenn ich das überhaupt nicht kenne, dann habe ich eigentlich kein Verständnis für die Arbeit der uniformierten Polizei, und das erschwert es."
    "Seiteneinsteiger werden es zu Beginn nicht leicht haben"
    Kriminalistik-Professor Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum befürwortet seit Jahren eine Öffnung der Polizei für Bewerber von außen. Doch auch er sieht Herausforderungen:
    "Seiteneinsteiger in der Polizei werden es sicherlich zu Beginn nicht leicht haben. Diejenigen, die schon länger dort sind, die Polizeiarbeit von der Pike auf gelernt haben, die werden sich schwer tun mit diesen Seiteneinsteigern. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Führung, auch die politische Führung diese Personen untersützt."
    Das hat sich die Polizei in Bremen vorgenommen, und auch der Personalrat hat seine Bedenken zur Seite gestelllt. Denn die 20 Stellen können ohnehin nur mit Bewerbern von außen besetzt werden, intern fehlen die Ausildungskapazitäten. LKA-Chef Heinke geht es aber nicht nur um die Anzahl:
    "Die Hoffnung ist, dass wir mit einem sehr breiten Portfolio insgesamt einfach die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter verbessern können."
    "Polizei gefordert, sich deutlich mehr zu öffnen"
    Kriminalistik-Professor Thomas Feltes fordert solche Möglichkeiten schon lange. Er hat in Bochum nach ausländischem Vorbild einen eigenständigen, allerdings kostenpflichtigen Kriminalistik-Studiengang aufgebaut. Eine grundlegende polizeiinterne Ausbildung will er damit nicht ersetzen:
    "Entscheidend ist, dass es danach für die komplexen Aufgaben im Rahmen der Kriminalpolizei entsprechende Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten gibt. Hier ist die Polizei gefordert, sich deutlich mehr zu öffnen, wie in anderen Ländern auch üblich, Ausbildungen, die nicht im Rahmen von polizeilichen Ausbildungseinrichtungen absolviert worden sind, gleichwertig anzuerkennen."