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Piltz: Rechte der Bürger müssen bei Geheimdiensteinsätzen vertreten werden

Die FDP-Politikerin Gisela Piltz schlägt die Einsetzung eines Grundrechtsbeauftragten vor, der die Rechte von Bürgern bei geheimdienstlichen Maßnahmen vertreten soll. Außerdem müsse das Parlamentarische Kontrollgremium besser mit den Kontrollgremien der Länder zusammenarbeiten.

Gisela Piltz im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 24.08.2013
    Jürgen Zurheide: Aus Sorge vor den Terroranschlägen sind 2001 und folgende in Deutschland mehr als zwei Dutzend Gesetze verschärft worden. Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz haben erheblich mehr Befugnisse bekommen, es wurde ein gemeinsames Terrorabwehrzentrum in Berlin eingerichtet. Das alles ist jetzt untersucht worden, der entsprechende Bericht ist bekannt worden vor diesem Wochenende, offiziell vorgestellt werden wird er allerdings erst Mitte der Woche. Insofern werden wir nicht so sehr über den Bericht reden, allerdings schon die Fragen stellen: Ja, ist möglicherweise in der Sicherheitsarchitektur in Deutschland irgendwas aus dem Lot geraten? Darüber möchte ich reden mit Gisela Piltz, die Mitglied im Innenausschuss ist im Bundestag und für die FDP dort sitzt. Zunächst einmal schönen guten Morgen, Frau Piltz!

    Gisela Piltz: Guten Morgen!

    Zurheide: Frau Piltz, gemeinsames Terrorabwehrzentrum, fangen wir da mal mit an: Müsste das - und das scheint ja eine der Empfehlungen zu sein, ohne da jetzt zu sehr drauf einzugehen - müsste das aus Ihrer Sicht auf eine eigene gesetzliche Grundlage gestellt werden?

    Piltz: Das ist eine Forderung, die wir von Anfang an hatten und die wir auch gerne in dieser Legislaturperiode mit der Union umgesetzt hätten. Aber es gab auch einen Prüferauftrag im Koalitionsvertrag, das war aber in dieser Legislaturperiode nicht möglich. Und wenn das eine Empfehlung der Kommission ist, sein sollte, dann denke ich, dann werden wir das in der nächsten Legislaturperiode angehen müssen. Allerdings kann es nicht heißen, dass man dann einmal ein Gesetz macht und alles ist gut, sondern man muss dann sehr genau drauf achten, welche Kompetenzen gibt es, wie wird die Zusammenarbeit geregelt - am besten, man macht das dann auch befristet und kontrolliert es immer sehr genau. Und ich bin sehr froh, dass es nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ja auch eine klare Ansage auch des Bundesverfassungsgerichts gibt, dass wir ein Trennungsgebot, also die Unabhängigkeit zwischen Polizei und Geheimdiensten brauchen, und darauf werden wir dann achten müssen.

    Zurheide: Wir werden gleich noch über weitere Dinge reden. Ich will gerade bei dem letzten Punkt noch mal bleiben, will mal so grundsätzlich fragen, im Spannungsfeld Sicherheit auf der einen Seite, Freiheit auf der anderen Seite und dann die Zusammenarbeit der Dienste bewerten, auch vor dem Licht der NSU-Erkenntnisse oder der Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses: Haben wir zu viel oder zu wenig Zusammenarbeit, wo sind da für Sie die Probleme?

    Piltz: Also am Ende brauchen wir die richtige Zusammenarbeit, und da ist ja sehr klar das Votum des NSU-Untersuchungsausschusses gewesen, dass es die offensichtlich nicht gegeben hat, und zwar auch leider zwischen den verschiedenen Ebenen, also nicht nur zwischen Polizei und Geheimdiensten oder Verfassungsschutz oder wem auch immer, sondern zum Beispiel auch zwischen den einzelnen Länderbehörden. Und das wird die große Aufgabe sein, das so zu regeln, dass diese Eitelkeiten und diese "Ich bin besser als du"- oder "Ich sag dir das nicht"-Mentalität zwischen den Behörden endlich aufhört. Denn wenn es um Sicherheit und um Freiheit geht, dann haben wir begrenzte Mittel - gerade was sozusagen auch Haushaltsmittel angeht, die müssen wir effektiv einsetzen, und da hab ich manchmal das Gefühl, dass da doch die eigene Eitelkeit mehr zählt als die Gesamtschau. Und das ist sicherlich eine sehr große Aufgabe, an der sich aber nicht nur der Bund, sondern eben auch und gerade die Länder beteiligen müssen.

    Zurheide: Nur, wenn das passiert, ich glaube, niemand wird widersprechen, dass das passieren muss, wenn es aber passiert, dann steht doch die Frage im Raum, wie können wir das kontrollieren, denn die verschiedenen Länderbehörden werden alle nur einzeln kontrolliert. Wer kontrolliert dann - und kontrolliert das auch parlamentarisch - die Zusammenschau genau dieser verschiedenen Behörden?

    Piltz: Selbstverständlich ist es so, das merken wir jetzt auch im Zusammenhang mit der NSA-Affäre, dass das Parlamentarische Kontrollgremium im Deutschen Bundestag deutlich besser werden kann und besser werden muss, und das ist auch die Erkenntnis, die ja teilweise in den Ländern umgeht. Aber ich glaube, am Ende macht es durchaus auch Sinn, wenn die gemeinsamen Kontrolleure, also zum Beispiel das Parlamentarische Kontrollgremium, sich auch mal mit den Kollegen in den Ländern trifft. Genauso wie wir fordern, dass auch die Zusammenarbeit der Kontrolle internationaler in den Parlamenten werden muss, weil es ist eine Sache, ob die Regierung das tut, und eine andere, dass wir das tun. Wir sind gewählt worden, um die Exekutive zu kontrollieren, das ist unsere Aufgabe, und der müssen wir uns auch annehmen.

    Zurheide: Heute Morgen hatten wir einen Wissenschaftler in dieser Sendung, Christoph Gusy von der Universität Bielefeld, der hat vorgeschlagen: Wie ist es denn eigentlich, wenn wir möglicherweise in die Behörden selbst jemanden installieren, der überall reinschauen kann und der Ihnen in den parlamentarischen Kontrollgremien dann Rede und Antwort steht? Ist das aus Ihrer Sicht ein probater Vorschlag?

    Piltz: Also wie auch immer man das nennt, ein Sonderermittler oder einen Beauftragten, das ist etwas, was wir als FDP auch fordern. Was wir als FDP aber auch gut fänden, wäre eine Art Grundrechtsbeauftragter - das gibt es zum Beispiel in Österreich. Wenn geheimdienstliche Maßnahmen gegen Sie laufen, von denen Sie ja nichts wissen können, dann ist ein zum Beispiel pensionierter Richter, ein pensionierter Staatsanwalt dort dabei, bei diesen Maßnahmen, und vertritt Ihre Rechte, weil Sie sie nicht vertreten können. Ich glaube, auch das ist ein gangbarer Weg. Und was ich gehört habe aus dieser Kommission, ist es ja wohl auch so, dass sie sagen, wir brauchen mehr - man muss darüber nachdenken, ob ein einzelner Richter schwerwiegende Eingriffe machen kann, also von daher diese Genehmigung einzelner Maßnahmen. Ich glaube, auch das ist ein Weg zu mehr Rechtsstaatlichkeit in diesem ganzen System.

    Zurheide: Es gibt noch den weiteren Vorschlag, dass man möglicherweise auch so eine Art Whistleblower-Rechte schafft, also jemand, der etwas mitzuteilen hat, weil er sagt, da läuft was falsch. Plädieren Sie dafür, dass auch Leute aus den Behörden selbst möglicherweise auf die Kontrollgremien zugehen dürfen und dann keine Sanktionen des Arbeitgebers fürchten müssen?

    Piltz: Absolut, das ist ein Vorschlag, den wir haben, dass wir sagen, wir müssen auch mit den Mitarbeitern einzeln sprechen können, denn wir alle haben eine Ahnung, wie es ist, wenn Sie mit einem Mitarbeiter einzeln sprechen oder wenn der Chef daneben sitzt. Das gilt nicht nur für Geheimdienste, sondern für alle. Die Frage ist unabhängig davon zu sehen, wie man dann den sogenannten Whistleblower schützt, aber das ist jedenfalls etwas, wofür wir uns einsetzen, dass einfach wir auch mit den Mitarbeitern sprechen können ohne Chef und ohne Sanktionsbefürchtungen.

    Zurheide: Also, es muss mehr getan werden in der Sicherheitsarchitektur in Deutschland, da braucht es neue Rechte. Das war ein Gespräch mit Gisela Piltz von der FDP. Frau Piltz, ich bedanke mich für das Gespräch heute Morgen!

    Piltz: Ich danke Ihnen, einen schönen Tag!


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