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Pinguine im Irak

Der Irak mag größere Probleme haben als die Wahl der Betriebssysteme von Personal Computern. Dennoch werden jetzt die Weichen für die digitale Zukunft des Landes gelegt, mit massiven Interessen global operierender Soft- und Hardware-Unternehmen. Der Gründer der ersten und einzigen Linux-Usergroup im Irak sprach mit "Computer & Kommunikation" über Linux und die Computerlage in Bagdad.

Von Maximilian Schönherr | 26.06.2004
    Ashraf Hasson ist ein priviligierter junger Mann. Er wuchs in den USA auf, kam mit seiner Einschulung in den Irak, wo er seit 17 Jahren lebt. Seine Eltern sind beide Veterinärmediziner. In wenigen Wochen legt er sein Diplom als Ingenieur an der Technischen Universität Bagdad ab. In seiner Freizeit macht sich Ashraf Hasson für Linux, die freie Alternative zum dominanten Betriebssystem Windows, stark:

    Ich fing vor drei Jahren an, mich mit Linux zu beschäftigen, weil ich gehört hatte, dass es ein Betriebssystem ist, das gegen Viren immun sein soll. Ich war ganz verrückt danach, kam aber nicht ran. Irgendwann fragte ich mal wieder in einem Computerladen nach: Hast du schon mal was von Linux gehört? Ja, sagte der Händler, ich habe gerade sechs CDs mit Linux da! Obwohl es damals schon sehr teuer war, eine einzige CD zu kopieren, habe ich sie alle sechs kopiert und Suse Linux 6.1 auf meinem Computer installiert. Bei Problemen konnte ich niemanden um Rat fragen - ich war praktisch der einzige. Das war sehr aufregend.

    Im Irak kommt nach Schätzung von Ashraf Hasson auf 200 Menschen ein Computer. Wenn einer stolzer Besitzer eines PCs ist, dann läuft darauf mit Sicherheit irgendein Windows-System. Von Apple und Linux hat auch heute, nach Saddams Sturz, kaum niemand gehört. Bill Gates hat schon vor Jahren den ganzen asiatischen Markt mit Microsoft Windows versorgt. Für Ashraf Hasson ist er deswegen kein böser Mann:

    Ich glaube an den freien Wettbewerb und halte es für legitim, Windows und Linux auf demselben Markt zu haben. Microsoft ist gut, aber es ist nicht die einzige Option, und meine Option ist eben Linux. Linux ist Open Source, also bekommt man es kostenlos und nicht auf dem Schwarzmarkt. Was man auf dem Schwarzmarkt kaufen kann, und zwar überall im Irak und auch hier in Bagdad, ist Windows. Man geht nicht hin und sagt, Windows 2000 Server oder Windows XP bitte, sondern man kauft einen CD-Rohling für einen Dollar. Die gewünschte Ware wird dann direkt in gecrackter Form gebrannt. In der Regel installieren die Leute die arabische Version von Windows. Da haben wir mit Linux übrigens ein Problem: Arabisch wird nicht sehr gut von diesem Betriebssystem unterstützt. Aber das Schöne an Open Source Software ist, dass im Moment einige Projekte laufen, die genau das verbessern werden.

    Das US-Verteidigungsministerium bestimmt, was ins Land kommen darf und was nicht. Grundsätzlich ist alles, was mit Computern zu tun hat, sicherheitsrelevant. Software umso mehr, je besser ihre Verschlüsselungstechnik ist. Amerikanische Lobbys haben zwar bewirkt, dass die Betriebssysteme Sun Solaris und Microsoft Windows trotz eingebauter Verschlüsselungstechniken in den Irak exportiert werden dürfen, Linux aber nicht. Das heißt, wer aus den USA eine Linux-CD in den Irak schickt, macht sich strafbar. Das Verteidigungsministerium gab für diese Ungleichbehandlung bisher keine Begründung ab. Legal ist es, sich Linux aus dem Netz herunterzuladen, wie das Ashraf Hasson heute über sein drahtloses Satellitenmodem tut. Die meisten Menschen im Irak haben da andere Probleme:

    Die meisten PCs haben ein Modem eingebaut, und ihre Besitzer kämpfen darum, damit ins Internet zu gehen. Seit die Alliierten einmarschierten, sind einige Bezirke von Baghdad auch heute noch ohne Telefonanschluss – beim Einmarsch wurden die Vermittlungsstellen zerstört und seitdem nicht wieder aufgebaut. Ich verstehe unter einem guten Service etwas anderes.

    Zusammen mit Freunden aus Europa und Kanada betreibt die Linux-Usergroup in Bagdad die Webseite www.iraqilinux.org, wo man sich über die Lage des Betriebssystems in Asien informieren und diskutieren kann. Bei ihrem Mitbegründer, Ashraf Hasson, dreht sich alles um die Open Source Diskussion und das Netz. Auf die Frage, wie er sich etwa über den Folterskandal im irakischen Gefängnis Abu Ghraib informierte, sagt er, dass er schon vor fünf Jahren aufgehört hat, Zeitung zu lesen, und bis heute nicht wieder damit angefangen hat. Wenn er etwas wissen will, sieht er sich im Internet um.

    Ich habe vor fünf Jahren aufgehört, Zeitung zu lesen und nicht wieder damit angefangen. Wenn ich etwas wissen will, sehe ich mich im Internet um.