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Pinkwart zu Stahlfusion
"Arbeitsplätze zukunftsfester machen"

ThyssenKrupp schließt sich mit dem indischen Konzern Tata Steel zusammen: "Wenn man Synergien fair von beiden Seiten wirklich heben kann, dann muss man diese Chancen auch ergreifen", sagte Andreas Pinkwart (FDP), NRW-Wirtschaftsminister, im Dlf.

Andreas Pinkwart im Gespräch mit Klemens Kindermann | 12.04.2018
    Ein Mann steht in Schutzkleidung vor einem glühenden Hochofen.
    Am Hochofen im ThyssenKrupp-Stahlwerk in Duisburg (dpa/Reiner Lampret)
    Klemens Kindermann: Wir haben eben an der Börse gesprochen über die Aufsichtsratssitzung bei Volkswagen, nicht nur bei Volkswagen, sondern auch beim Industriekonzern ThyssenKrupp berät heute der Aufsichtsrat. Es geht um die geplante Stahlfusion mit der indischen Tata, die sollte schon längst unterschrieben sein. Jetzt gibt es neue, massive Bedenken vonseiten der Beschäftigten, weil der Tata-Standort in den Niederlanden die Gewinne behalten und reinvestieren darf, ThyssenKrupp aber nicht. Dazu kann ich jetzt sprechen mit dem Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Andreas Pinkwart von der FDP. Herr Pinkwart, guten Tag!
    Andreas Pinkwart: Ja, guten Tag!
    Kindermann: Sollte es so kommen, dass die Gewinne in den Niederlanden einbehalten werden können, wie ist dann aus Ihrer Sicht das Fusionsvorhaben zu bewerten?
    Pinkwart: Wir haben ja eine ganz klare Zusage der Unternehmensleitung von ThyssenKrupp in all den Gesprächen gehabt, und das war die Ausgangslage der gemeinsamen Überlegungen mit Tata, dass es wohl zu einer Fusion kommen kann, der Stahlbereiche, auf Augenhöhe, mit gleichen Rechten. Das heißt, dass es in einem solchen integrierten Konzern zu einem gemeinsamen Cashpool dann kommt, an den Gewinne und Verluste zu gleichen Anteilen verteilt werden. Es ist darüber hinaus ja auch fest vereinbart worden, dass auf der deutschen Seite mindestens 400 Millionen Euro jedes Jahr auch an Investitionen getätigt werden können, neben anderen Schutzrechten für die Arbeitnehmer, natürlich ganz zentral für die Zukunftsfähigkeit auch des Stahlstandortes Deutschland. Deswegen ist da die Haltung auch der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, dass die weiteren Verhandlungen mit Tata genau das Ergebnis auch erbringen müssen, wie man sich das im Vorfeld auch vorgenommen hat.
    Kindermann: Aber es gibt jetzt offensichtlich eine Einigung der Beschäftigten mit der Unternehmensleitung in den Niederlanden. Da könnte es auch sein, dass am Ende die Stahlkocher in NRW alleine für die Pensionslasten und Investitionskosten von Tata in Großbritannien aufkommen müssen.
    Pinkwart: Nein, das kann ja nicht sein, dass hier die Lasten, die der Partner mitbringt – wenn man das mal so formulieren darf –, dann einseitig verteilt werden. Das war nie Gegenstand der Gespräche gewesen, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das eine Vereinbarung sein könnte, der die deutsche Seite dann zustimmen würde. Deswegen erwarte ich, dass hier Tata auch seine Hausaufgaben machen, dass die klären, wie sie innerhalb ihres bisherigen Verbundes zu einem vernünftigen Ergebnis kommen und dann auch zu den vorher genannten Bedingungen zurückfinden.
    Kann die Fusion noch scheitern?
    Kindermann: Als liberaler Politiker müssen Sie doch eigentlich Verständnis dafür haben, dass das Werk in den Niederlanden das Beste so für sich herausholt. Was ist marktwirtschaftlich gesehen daran auszusetzen?
    Pinkwart: Na ja, also marktwirtschaftlich heißt, es gibt zwei Partner, die wollen zusammenkommen, um wechselseitige Vorteile zu erzielen, und das soll eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein, zum wechselseitigen Vorteil. Und der eine Partner ist ja nicht nur in den Niederlanden, der ist in den Niederlanden und in Großbritannien, und er möchte mit einem sehr starken Partner hier in Deutschland künftig zusammenarbeiten, und dann gehört es sich, dass man das zu fairen Bedingungen macht. Hier ist eine Menge bisher auch erreicht worden in der Verhandlung der ThyssenKrupp-Seite mit den Beschäftigten hier in Deutschland, zu sehr fairen Bedingungen, und wir erwarten, dass das auf der anderen Seite ebenso erfolgt und wir insgesamt dann zu einer Verabredung kommen, die auch nachhaltig trägt, die auch es ermöglicht, dass alle Standorte ihren Beitrag dazu leisten, dass das Unternehmen in Zukunft erfolgreich sein kann.
    Kindermann: Wenn die Niederländer aber hartnäckig bleiben, kann dann die Fusion noch scheitern?
    Pinkwart: Ja, also es müssen ja erst mal die Verhandlungen abgeschlossen werden, sonst kann die gar nicht erst zustande kommen, und es sind Voraussetzungen zu erfüllen. Und ich halte das für eine zentrale Voraussetzung, dass hier klare Zusagen auf der einen Seite gegeben sind, aber eben auch die Arbeitsweise geklärt ist. Ich meine, es wird ja auch kritisiert, dass die niederländischen Arbeitnehmervertreter durchgesetzt hätten, dass es jetzt auf der niederländischen Seite einen eigenen Vorstand und einen eigenen Aufsichtsrat gibt – das gibt es natürlich auf deutscher Seite auch, das ist auch klar geregelt, entspricht ja auch dem deutschen Recht. Hier gibt es natürlich für ThyssenKrupp Steel Europe Deutschland einen eigenen Vorstand, es gibt einen Aufsichtsrat, natürlich montane Mitbestimmung nach deutschem Recht, also das alles ist gewährleistet. Es gibt die Investitionszusage, das ist auch gegeben, aber ich halte einen gemeinsamen Cashpool – den hatte man verabredet – auch für eine zentrale Bedingung, und ich wüsste nicht, warum man sie nicht von Tata-Seite aus erfüllen sollte.
    Sorgen bei den Beschäftigten?
    Kindermann: Es gab ja heute auch schon eine Betriebsversammlung – müssen sich die Beschäftigten Sorgen machen?
    Pinkwart: Sie sollten auf jeden Fall für die Nachhaltigkeit des Standortes Stahl hier in Deutschland eintreten, da sind wir an der Seite der Beschäftigten der IG Metall – der Standort ist Nordrhein-Westfalen –, damit wir hier auch wirklich einen Erfolg erzielen können, das war ja die Absicht einer Fusion. Die macht ja nur dann Sinn, wenn sich tatsächlich beide Partner auch dann in Zukunft verbessern können. Wir wissen, es gibt Überkapazitäten, es gibt einen starken globalen Wettbewerb. Hier muss man sich richtig aufstellen, hier wird man nur punkten können über Innovation, über technischen Fortschritt, und wir wollen, dass der eben gerecht stattfinden kann – in den Niederlanden wie hier in Deutschland. Beide Werke haben ja hier auch Standorte und hervorragende Voraussetzungen, das in Zukunft auch tun zu können, und das muss gewährleistet sein. Da haben auch die Vertreter bei ThyssenKrupp und die Arbeitnehmervertreter unsere volle Unterstützung, das gegenüber Tata weiter deutlich zu machen und auch durchzusetzen.
    Kindermann: Hätte denn der Stahl am Standort Nordrhein-Westfalen mit der großen Tradition auch ohne Fusion eine Chance noch?
    Pinkwart: Ja, sicherlich hätte er auch eine Chance, aber die Frage ist natürlich in Anbetracht der Umweltbedingungen, wie ich es geschildert habe, wie stellt man sich strategisch so auf, dass man wirklich nachhaltig besonders erfolgreich sein kann. Und wenn eine solche Fusion das Ergebnis hat, dass man zum zweitgrößten Stahlanbieter hier in Europa wird, dass man Synergien fair von beiden Seiten wirklich heben kann, dass man mehr Geld damit auch hat, in neue Stahlanlagen investieren zu können, in Forschung und Entwicklung investieren zu können, damit Arbeitsplätze, aber auch die Umweltbedingungen zukunftsfester machen zu können, dann muss man diese Chancen auch ergreifen, aber es muss eben auch möglich werden in einer solchen Partnerschaft, sonst macht es natürlich auch keinen Sinn.
    Kindermann: Andreas Pinkwart, der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, zur Stahlfusion von ThyssenKrupp und Tata. Vielen Dank, Herr Pinkwart, für das Gespräch!
    Pinkwart: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.