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OECD-Studie zu Bildungssystemen: Deutschland holt im internationalen Vergleich nicht auf +++ Kultusministerkonferenz: Debatte um Studiengebühren ist verantwortlich für sinkende Studentenzahlen

Von Armin Himmelrath | 16.09.2005
    Wieder einmal hat in dieser Woche eine internationale Bildungsstudie die politische Debatte geprägt. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat am Dienstag ihren jährlichen Bericht "Bildung auf einen Blick" vorgelegt. Darin werden die bildungspolitischen Kennzahlen von insgesamt 30 Staaten miteinander verglichen - da geht es etwa um die Frage, wie viel Geld die Länder in ihre Schulsysteme stecken, wie viele Abiturienten es in einem Jahrgang gibt oder wie die berufliche Ausbildung strukturiert ist. Und die Ergebnisse für Deutschland sind, so war das nach PISA wohl zu erwarten, nicht wirklich gut.

    Zwar stellt die Studie fest, dass es im deutschen Bildungssystem in den letzten Jahren einen deutlichen Trend hin zum Besseren gibt. Die Bildungsausgaben sind gestiegen, die Abiturientenquote ist gestiegen, und auch die Zahl der Studienabschlüsse weist nach oben.

    Was sich zunächst wie eine Reihe von Erfolgsmeldungen anhört, wird jedoch beim Blick auf die anderen untersuchten Staaten deutlich getrübt. Denn die haben ihre bildungspolitischen Kennziffern ebenfalls verbessert, und zwar mit noch größerem Tempo als Deutschland. "Die Trendwende der letzten Jahre in Deutschland konnte den in den 80er und 90er Jahren angestauten Rückstand im internationalen Vergleich bei weitem noch nicht ausgleichen", heißt es in der OECD-Studie wörtlich. Im Klartext: Obwohl wir uns verbessert haben, ist der Rückstand zu anderen Staaten vielfach noch größer geworden.

    Zweiter Kritikpunkt der internationalen Experten: In Deutschland wird nicht nur zu wenig Geld für die Bildung ausgegeben, es wird dann auch noch falsch verteilt. Denn Grundschüler bekommen bei uns weniger Geld als in anderen Ländern, während die Gymnasiasten in der Oberstufe gegenüber dem OECD-Durchschnitt regelrecht gehätschelt werden. Dabei wäre eine verstärkte Förderung gerade der jüngeren Schüler so wichtig. "Wer wirklich ernsthaft die Chancen von Kindern aus bildungsfernen Schichten verbessern will, muss da investieren, wo die Grundlagen gelegt werden", sagt deshalb Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung und fordert mehr Geld für den vorschulischen Bereich und die Grundschulen.

    In Berlin hat unterdessen, wenige Tage vor der Wahl, das Ringen um die Deutungshoheit zur neuen Studie eingesetzt. Jeder Politiker und jede Politikerin will die Ergebnisse natürlich ganz in seinem Sinne interpretieren. Da ist es fast schon erstaunlich, dass Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, SPD, und brandenburgische Bildungsministerin Johanna Wanka, CDU, in trauter Eintracht erklärten, die OECD-Studie zeige doch klar und deutlich, dass es eine ziemlich erfreuliche Entwicklung des deutschen Bildungssystems gebe.

    Da war sogar die Rede davon, dass die Bildungschancen in Deutschland "für alle so groß wie nie" seien - was ja auch stimmt, wenn man sich den Blick nach Finnland, Schweden, Polen oder Korea schenkt. Aber vielleicht liegt das ja wirklich am Wahlkampf: Da kann man eben nicht mehr so richtig international denken.

    Größere Differenzen zwischen den Parteien gab es allerdings bei einer anderen Feststellung die Kultusministerkonferenz. Die hatte nämlich gemutmaßt, die sinkende Studierneigung der deutschen Abiturientinnen und Abiturienten sei unter anderem auf eine massive Verunsicherung durch die Debatte um Studiengebühren zurückzuführen. Stimmt genau!, jubelten die Gebührengegner. Kann gar nicht stimmen!, hielten die Befürworter dagegen. Und erreichten damit in der Öffentlichkeit genau das, was möglicherweise mit zur sinkenden Zahl von Studienbewerbern beigetragen hat: Dass die heutigen Schüler verwirrt sind.

    Sie wissen nicht, ob und welche Gebühren bei einem Studium auf sie zukommen werden, und entscheiden sich dann lieber für eine andere Qualifikation. Mehr Klarheit bei den Konzepten zur Bildungsfinanzierung, nicht nur bei den Studiengebühren, wäre wünschenswert. Aber das ist in Wahlkampfzeiten wahrscheinlich zu viel verlangt.