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Studie fordert: Frühkindliche Bildung verbessern. +++ Ein Loblied auf die Grundschule. +++ Fernsehen leidet an Kindermangel. +++ Angelos langer Schulweg.

Von Armin Himmelrath | 25.11.2005
    Die ungleiche Verteilung der Bildungschancen für deutsche Schüler lässt sich am Besten mit einem Ausbau des frühkindlichen Bildungssystems bekämpfen. Das legen jedenfalls die Ergebnisse einer neuen Studie nahe, die das ifo-Wirtschaftsforschungsinstitut in dieser Woche vorgestellt hat. Als zweiten wichtigen Reformaspekt nennen die Autoren außerdem die Verteilung der Schüler auf die verschiedenen Schulformen. Dieser Schritt sollte nicht schon nach der vierten Klasse, sondern erst einige Jahre später erfolgen. "PISA hat uns zum wiederholten Mal vor Augen geführt, dass insbesondere in Deutschland die Schülerleistungen stark vom familiären Hintergrund abhängen", heißt es in der Untersuchung wörtlich. Diesen Faktor könne man mit einer besseren Förderung von Kleinkindern und längerem gemeinsamem Unterricht wie in der Grundschule weitgehend ausschalten.
    Die Studie kann herunter geladen werden unter
    http://www.cesifo-group.de/link/ifosd_21_3.pdf

    Ein Loblied auf die Grundschule singt auch der Verband Bildung und Erziehung, VBE. Die Primarschulen seien die erfolgreichsten Schulen in Deutschland, betonte der VBE-Bundesvorsitzende Ludwig Eckinger auf einer Tagung in Würzburg. Das gute Abschneiden der Erst- bis Viertklässler bei internationalen Leistungsvergleichen komme einem Qualitätssiegel für das gemeinsame Lernen gleich, so Eckinger. Es liege deshalb auf der Hand, das Erfolgsmodell des gemeinsamen Unterrichts auszubauen. Der VBE sprach sich in diesem Zusammenhang gegen Bestrebungen aus, die bisher noch sechsjährige Grundschulzeit etwa in Berlin auf vier Jahre zu verkürzen. Ludwig Eckinger forderte außerdem, den Lehrerinnen und Lehrern an Grundschulen mehr Hochachtung entgegen zu bringen. Grundschulen seien schließlich kein Kinderkram, sondern der Einstieg in die weitere Bildungskarriere.
    www.vbe.de

    Um mehr Achtung geht es auch in einer anderen Meldung, um mehr Achtung für die Realitäten des Familienlebens nämlich. Wie das Adolf - Grimme - Institut ermittelt hat, leidet das Fernsehen in Deutschland nämlich an akutem Kindermangel. Anders gesagt: Im Fernsehen wird das Familienleben etwa von Titelhelden häufig komplett ausgespart oder aber völlig unrealistisch dargestellt. Sowohl in fiktionalen wie in nonfiktionalen Formaten finden sich auffallend selten aktuell brisante Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Bildungsniveau der Kinder oder die Erziehungskompetenz der Eltern, so die Studie, in der es wörtlich heißt: "Den Schreibern fehlt es an Ideen. Es herrscht ein Mangel an Fantasie unter den Drehbuchautoren, sie sollten mehr Mut haben etwas auszuprobieren." Stattdessen sei das bestimmende Lebensmodell der Serien, Krimis und Fernsehfilme das großstädtische Singledasein, in dem Kinder kaum vorkommen. Da ist es fast schon folgerichtig, dass die Geburtenrate in der Fernsehwelt noch weit unter der bereits sehr niedrigen deutschen Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau liegt. In fiktionalen Formaten sind bis zu drei Viertel aller Protagonisten kinderlos.

    Vielleicht hat das ja auch mit der tendenziell kinderunfreundlichen deutschen Gesellschaft zu tun. Aus Landshut in Bayern wurde in dieser Woche eine Geschichte bekannt, die zu dieser Einschätzung passt. Dort muss der siebenjährige Angelo aufgrund bürokratischer Vorschriften einen halbstündigen Fußmarsch zur Grundschule in Kauf nehmen - und das, obwohl jeden morgen ein Schulbus an ihm vorbeifährt. Das Wohnhaus liegt zwar direkt an einer Bushaltestelle, doch weil die Entfernung zur Schule so gerade eben unter den gesetzlich vorgeschriebenen zwei Kilometern liegt, muss Angelo den Weg entlang der Landstraße auch bei Schnee, Kälte und Dunkelheit zu Fuß absolvieren. Die wochenlangen Bemühungen der Mutter, eine Ausnahmegenehmigung für Angelo zu erhalten, waren bisher nicht erfolgreich.