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Pkw-Maut
"Eine Vignette ist Steinzeitalter"

Eine Vignette mache bei der Pkw-Maut überhaupt keinen Sinn, weil sie nicht sehr gerecht sei, sagte Heiner Monheim, Professor für Raumentwicklung an der Universität Trier. Er forderte im DLF eine intelligente Maut: "Wer viel fährt, muss auch viel zahlen; wer wenig fährt, zahlt wenig."

Heiner Monheim im Gespräch mit Britta Fecke | 07.07.2014
    Ein Schild mit der Aufschrift "Maut" steht an einer Autobahn, im Hintergrund fahren Autos vorbei.
    "Es macht Sinn, eine Maut für alle Straßen einzuführen", sagte Monheim. (dpa/picture alliance/Bernd Wüstneck)
    Britta Fecke: Der Plan beschränkt sich nicht nur auf die Autobahnen. Wenn es nach den Vorstellungen des Bundesverkehrsministers Dobrindt geht, sollen Mautgebühren auf allen Straßen der Republik erhoben werden. Die Empörung bei verschiedenen Interessenverbänden ist groß. Die Bundesländer stellen schon mal Forderungen und wir in "Umwelt und Verbraucher" würden die Diskussion gerne an dieser Stelle ganz nüchtern und vonseiten der Wissenschaft beleuchten mit Professor Heiner Monheim. Er ist vom Institut für Angewandte Geographie und Raumentwicklung an der Universität Trier. Herr Monheim, die Autobahnen sind der kleinste Teil des deutschen Straßennetzes. Da klingt es doch eigentlich auch ganz gerecht, wenn Bundes- und Umgehungsstraßen, also die gesamte Infrastruktur mit einbezogen werden soll.
    Heiner Monheim: Ja natürlich, zumal die Autobahnen auch von der Fahrleistung her nur für einen Teil des Verkehrs maßgeblich sind. Ein Großteil des Verkehrs findet auf Stadtstraßen, auf Gemeindestraßen statt, und da ist die Frage der Unterhaltungskosten des Bauzustandes noch viel dringender als bei den Autobahnen. Die Autobahnen sind normalerweise immer die höchste Bauklasse, also sehr solide gebaut, während wir auf kommunalen Straßen sehr oft das Problem der kaputten Brücken und der Schlaglöcher et cetera viel mehr haben. Also macht es zunächst mal einen Sinn, eine Maut für alle Straßen einzuführen und damit auch zu verhindern, dass es dieses Thema der Mautflüchtlinge gibt. Bei der Autobahnmauteinführung hat es ja sehr viele Ausweichprozesse gegeben. Viele LKW sind auf Bundesstraßen ausgewichen. Erst wenn Sie das ganze Straßennetz bemauten, dann ist diese Thematik der Mautflüchtlinge umgehbar.
    "Maut kann erhebliche Lenkungszwecke erfüllen"
    Fecke: Sie sagten es ja gerade: Die unterfinanzierten Kommunen sind für die meisten Straßen verantwortlich. Würden denn die Einnahmen reichen, um all die Brücken- und Straßenschäden zu beheben?
    Monheim: Mit dem, was im Moment in der Diskussion ist, mit einer Vignette, die im Hunderterbereich liegt, mit Sicherheit nicht. Eine Vignette macht auch überhaupt keinen Sinn, weil sie nicht sehr gerecht ist. Wer viel fährt, zahlt genauso wenig wie der, der wenig fährt. Also brauchen wir eigentlich eine fahrleistungsabhängige Maut, und andere Länder sind uns da weit voraus. Ich fang mal an mit dem Stadtstaat Singapur, der hat schon in den 60er-Jahren eine fahrleistungsabhängige Maut eingeführt und damit seine ganzen Stauprobleme gelöst. Mithilfe einer Maut geht es nicht nur darum, Geld für Straßenunterhaltung und Straßenrenovierung in die Kassen zu kriegen, sondern mit einer Maut kann man natürlich auch ganz erhebliche verkehrliche Zwecke, Lenkungszwecke erfüllen. Das macht aber dann nur einen Sinn, wenn die Maut intelligent ist. Eine Vignette ist Steinzeitalter. Und intelligente Maut: Jeder Autofahrer hat ein Navi in seinem Auto. Die Navis sind intelligente Geräte. Und so intelligent wie so ein Navi, so intelligent muss auch eine Maut sein. Sie muss in der Lage sein festzustellen, wo fährt ein Mensch gerade lang, ist das eine Gemeindestraße oder eine Kreisstraße oder eine Landesstraße oder eine Bundesstraße, und muss feststellen können, wie viel ist er da gefahren. Wer viel fährt, muss auch viel zahlen; wer wenig fährt, zahlt wenig.
    "Kommunen heillos überfordert, ihre Straßennetze sinnvoll zu unterhalten"
    Fecke: Müsste dafür sehr viel nachgerüstet werden in Deutschland, um das nachvollziehen zu können, wer wie viel fährt?
    Monheim: Eigentlich nicht. In den Anfängen unserer deutschen Mautentwicklung mussten natürlich diese ganzen Brücken über die Autobahnen et cetera gebaut werden, mit den Kameras und so. Heute sind wir viel weiter, weil sowohl die Handy-Technik, die GPS-, also die satellitengesteuerte Ortungstechnik - wir nennen das Neudeutsch Routing und Tracking, also das Nachverfolgen, wo ist jemand unterwegs -, alles das ist heute hervorragend möglich. Und jeder Mensch, der ein Handy in der Tasche hat, weiß, dass auf dieser Basis ja seine Handy-Rechnung abgerechnet wird, und jeder Mensch, der ein Navi hat, weiß, dass sein Navi intelligent genug ist, ihm zu zeigen, wo er da gerade langfährt. Jetzt brauchen wir halt nur eine Debatte über die sinnvollen Tarife, was soll denn der Kilometer bitte kosten, und wir brauchen – und da ist sehr gut, dass die Länder sich jetzt richtig einschalten; die haben lang genug geschlafen bei dem Thema -, wir brauchen natürlich auch eine Debatte darüber, was soll denn mit dem Geld passieren. Und es ist ganz klar, dass die Kommunen im Augenblick heillos überfordert sind, ihre Straßennetze sinnvoll zu unterhalten. Es fehlt in deutschen Städten massenhaft an Radwegen, es fehlt an Radstationen, es fehlt an sinnvollen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen. Wir haben jede Menge Investitionsstau und dafür brauchen wir Geld und dieses Geld sollte über eine intelligente Maut reinkommen.
    Fecke: Vielen Dank für diese Forderung nach einer intelligenten Maut – Professor Heiner Monheim war das vom Institut für Angewandte Geographie und Raumentwicklung an der Universität Trier.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.