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PKW-Maut kommt
"Ein schwarzer Tag für die deutsche Verkehrspolitik"

Aus Sicht des „Verkehrsclub Deutschland“ sei die Maut unsozial, ausländerfeindlich und ökologisch sinnfrei, so der Referent des VCD, Michael Müller-Gömert im DLF. Die Umsetzung des Plans sei allein auf das Wahlversprechen der CSU zurückzuführen. Es sei fraglich, ob die Maut nicht am Ende sogar ein Minusgeschäft werde.

Michael Müller-Görnert im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 31.03.2017
    Das Symbolfoto zeigt ein Maut-Schild neben einer vollen Autobahn.
    Jahrelang wurde gestritten, jetzt ist sie beschlossene Sache: die PKW-Maut. (imago stock&people)
    Tobias Armbrüster: Jahrelang wurde gestritten, jetzt ist sie beschlossene Sache: die PKW-Maut. Der Bundesrat war sozusagen die letzte Hürde heute. Bis zur letzten Minute war spekuliert worden, die Länderkammer könnte den Vermittlungsausschuss in dieser Sache einschalten und das Gesetz so weiter aufschieben. Aber das ist nicht passiert.
    Am Telefon ist jetzt Michael Müller-Görnert. Er ist Referent für Verkehrspolitik im Verkehrsclub Deutschland (VCD) und dieser Club versteht sich selbst als Interessenvertretung für alle Verkehrsteilnehmer und außerdem – so schreibt er es auf der Webseite – als ökologisches Korrektiv in der Verkehrspolitik. Schönen guten Tag, Herr Müller-Görnert.
    Michael Müller-Görnert: Hallo, Herr Armbrüster. Guten Tag.
    Armbrüster: Ausländer zahlen künftig auch für die Benutzung von Straßen in Deutschland. Sie werden auch zur Kasse gebeten. Ist das nicht ein guter Tag für alle Autofahrer in Deutschland?
    Müller-Görnert: Wir sind erst mal unfassbar, dass dieses höchst umstrittene Gesetz jetzt doch durchgegangen ist durch die ganzen Prozesse und in Kraft treten wird. Aus unserer Sicht ist diese Maut eine unsoziale Maut, sie ist ausländerfeindlich und vor allem ökologisch sinnfrei, weil sie keinerlei ökologische Lenkungswirkung hat. Insofern sagen wir, es ist eigentlich eher ein schwarzer Tag für die deutsche Verkehrspolitik.
    Armbrüster: Es ging ja jetzt auch gar nicht so sehr um eine ökologische Lenkungspolitik in diesem Gesetzesvorhaben, sondern zunächst mal um die Frage, wer soll dafür zahlen, dass die Straßen in Deutschland so stark belastet werden, und da hat die CSU gesagt, dafür sollen auch alle anderen zahlen, auch die, die nicht aus Deutschland kommen und trotzdem über unsere Straßen rollen.
    Müller-Görnert: Aber genau dadurch, dass die deutschen Autofahrer wieder über die Kfz-Steuer entlastet werden, sich für sie ein Nullsummenspiel ergibt, würden ja nur die Ausländer zahlen. Es ging letztendlich einzig und allein um dieses populistische Wahlversprechen der CSU, mit dem sie damals bei der Bundestagswahl angetreten sind, und das musste jetzt umgesetzt werden. Das war der einzige Beweggrund, dass diese Maut überhaupt so gekommen ist, und das finden wir unsäglich.
    "Im LKW-Bereich wird es ja schon seit Jahren vorgemacht"
    Armbrüster: Was meinen Sie denn, wie hat die CSU das eigentlich geschafft?
    Müller-Görnert: Beharrlichkeit und es wurde auch immer wieder auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Das stand ja nun mal drin. Aber da sagen wir genau, dass da die SPD es sich zu einfach macht, wenn sie sagt, okay, wir berufen uns auf den Koalitionsvertrag, da steht es drin, deswegen stimmen wir dem jetzt zu. Es wäre viel verantwortungsvoller auf Seiten der SPD gewesen, wenn sie sich für eine wirklich zukunftsgerichtete Maut ausgesprochen hätte und dann auch Vorschläge unterbreitet hätte, statt den Verkehrsminister da vier Jahre wursteln zu lassen.
    Armbrüster: Das heißt, die SPD hat hier den Fehler gemacht?
    Müller-Görnert: Sie hätte schon in dem ganzen Gesetzgebungsprozess von Anfang an klarmachen können, okay, die Maut ist jetzt im Koalitionsvertrag, dann lasst uns zusammen eine vernünftige Maut machen, die wirklich zukunftsorientiert ist und wirklich eine Lenkungswirkung auch hat, weil darum geht es ja auch. Weil wenn wir uns den Verkehr anschauen, das ist das Sorgenkind der Klimapolitik, und am Verkehr scheitern auch die Klimaziele, die nationalen, und wie das auf europäischer Ebene aussieht, das ist ja auch nicht viel besser. Insofern hätte man hier was Vernünftiges machen, das wirklich eine fahrleistungsabhängige Maut auf den Weg gebracht wird, die dann wirklich auch dem gerecht geworden wäre, dass man dort was Vernünftiges macht und nicht nur Ausländer abkassieren möchte.
    Armbrüster: Dann sagen Sie uns ganz kurz: Wie hätte denn eine ökologische Maut aussehen können?
    Müller-Görnert: Im LKW-Bereich wird es ja schon seit Jahren vorgemacht. Dort zahlen die LKW einmal emissionsabhängig, das heißt je nach Schadstoffstufe der LKW, und nach der Fahrstrecke eine Abgabe. Damit kann man eine Lenkungswirkung erzielen. Wenn man das auf die PKW umsetzt, dann kann man noch überlegen: Muss ich jetzt die Strecke wirklich fahren mit dem PKW, oder kann ich mir ein näheres Ziel suchen, oder fahre ich vielleicht mit der Bahn. Da hat man ein bisschen mehr auch mal einen Anreiz, über Alternativen nachzudenken. Denn es ist klar: Wenn wir wirklich die Klimaziele ernst nehmen, können wir uns künftig nicht so wie heute bewegen.
    Armbrüster: Letztendlich geht es ja, Herr Müller-Görnert, immer nur darum, dass der Staat Geld einnehmen muss, um bestimmte politische Projekte voranzutreiben, und da kann man jetzt sagen, auch mit dieser Maut wird der Staat Geld einnehmen, einen richtig hohen Betrag, und das kann er dann natürlich wieder in Projekte stecken, die politische Mehrheiten brauchen. Und wenn dann irgendjemand sagt, wir möchten den Ertrag aus dieser PKW-Maut gerne in ökologische Projekte stecken, in Klimaschutz oder in alternative Verkehrsentwicklung, dann ist das ja auch eine Möglichkeit. Also möglicherweise doch alles nicht ganz so schlimm, wie Sie es zeichnen?
    Müller-Görnert: Das ist die Frage, ob es bei der jetzigen Form der Maut überhaupt großartig Geld zu verteilen gibt. Denn es gibt ja verschiedene Untersuchungen, die belegen, dass vielleicht gar nichts mehr übrig bleibt, wenn es nicht sogar ein Minusgeschäft wird. Insofern ist das alles höchst fragwürdig und das zeigt auch, dass es nicht zukunftsgerichtet ist. Oder aber dann wird eine Bundesregierung irgendwann mal sich hinstellen und langsam die Sätze heben und dann auch vielleicht die Mautfreiheit für die deutschen Autofahrer aufheben. Wer weiß es.
    "Glaube, es geht nicht um die Art der Abgabe, sondern darum, dass das natürlich einseitig ist"
    Armbrüster: Jetzt gibt es bereits einige Partner von Deutschland in der EU, die gesagt haben, sie werden sich das ganz genau überlegen, ob sie das wirklich so akzeptieren wollen, oder ob sie dagegen Klage einreichen wollen in Luxemburg, gegen diese deutsche PKW-Maut. Ist das eigentlich in Ordnung, dass andere Länder dabei mitreden wollen, welche Art von Abgabe wir hier in Deutschland erheben und welche nicht?
    Müller-Görnert: Ich glaube, es geht nicht um die Art der Abgabe, sondern es geht darum, dass das natürlich sehr einseitig ist, wenn nur der ausländische PKW-Fahrer eine Maut zahlen soll und die heimischen eigentlich wieder komplett entlastet werden. Das widerspricht dem Grundgedanken der EU des freien Warenaustausches, des freien Personenverkehrs und es hat schon einen Diskriminierungscharakter und das ist mit EU-Recht nicht vereinbar. Insofern hat uns das jetzt auch gewundert.
    Armbrüster: Das ist ja immer sehr schnell gesagt, Diskriminierungscharakter. Es geht hier ja letztendlich darum, dass eine Steuer abgeschafft wird - das ist ja durchaus das gute Recht des deutschen Gesetzgebers – und dass diese Steuer durch eine andere Abgabe ersetzt wird. Eigentlich ein völlig normaler politischer Vorgang. Was kann man von ausländischer Seite dagegen wirklich sagen?
    Müller-Görnert: Ich meine, de facto wird es ja so. Nur die ausländischen PKW-Fahrer müssen dann für die Straßennutzung zahlen, und das kann nicht im Sinne sein. Und es ist sehr durchsichtig, dass man sagt, wieso, alle zahlen erst mal, aber die Deutschen kriegen es über die Kfz-Steuer zurück, das ist doch unsere Sache, was passiert. Das ist ein bisschen durchsichtig, da macht man sich es zu einfach. Insofern kann ich gut verstehen, wenn andere Länder sagen, okay, das ist so nicht korrekt, da werden wir gegen vorgehen. Es hat auch keiner verstanden, wie es dazu kam, dass die EU-Kommission mit diesen leichten Änderungen, die letztendlich keine wirklichen Änderungen waren, grünes Licht gegeben hat.
    Armbrüster: War das wieder die geschickte Beharrlichkeit der CSU?
    Müller-Görnert: Wir wissen nicht, mit welchem Faustpfand man dort auf Brüsseler Ebene gespielt hat.
    Armbrüster: Wie groß schätzen Sie denn die Chancen ein, dass das Ganze jetzt wirklich noch auf dem juristischen Wege gekippt wird?
    Müller-Görnert: Es kommt darauf an, ob jetzt Länder wie Österreich, die ja bereits angekündigt haben, das einfach zu prüfen, dann wirklich vor dem Europäischen Gerichtshof klagen werden. Das könnte das Ganze vielleicht noch mal verzögern. Da muss man schauen, was passiert dann und welche politischen Mehrheiten haben wir vielleicht nach der nächsten Bundestagswahl, dass das Ganze dann doch noch mal auf den Prüfstand kommt und dann hoffentlich komplett eingemottet wird, oder man wirklich sagt, okay, wir machen jetzt den großen Wurf und machen eine zukunftsgerichtete PKW-Maut.
    "Ich glaube, es geht weniger um die Höhe des Betrages als um dieses Symbolische"
    Armbrüster: Sie beschäftigen sich ja beim VCD auch sehr viel mit Verkehrsströmen in Deutschland. Was ist eigentlich dran an diesem Argument, dass durch diese PKW-Maut jetzt tatsächlich der Grenzverkehr in Mitleidenschaft gezogen wird? Kann es tatsächlich sein, dass sich einige, Franzosen, Belgier und Luxemburg das jetzt wirklich zweimal überlegen, ob sie zum Shoppen über die deutsche Grenze kommen oder nicht, nur wegen ein paar Euro, die sie zahlen müssten?
    Müller-Görnert: Das muss man natürlich abwarten. Das hat auch einen Symbolcharakter und ich glaube, es geht weniger um die Höhe des Betrages als um dieses Symbolische, dass man sich jetzt darum kümmern muss, so eine Vignette zu erwerben oder diesen Betrag zu zahlen, was ja letztendlich auch eine Art Hindernis ist, dass man über die deutsche Grenze fährt. Die Beträge sind nicht so hoch und jemand, der ein sparsames Auto hat, der ein Euro-V-Auto hat, der muss auch gar nicht so viel zahlen. Der holt sich dann vielleicht die Jahresvignette. Aber trotzdem: es ist und bleibt aus unserer Sicht keine geschickte Lösung.
    Armbrüster: Rechnen Sie da mit Einbußen für die Einzelhändler in Grenzregionen?
    Müller-Görnert: Es kommt wie gesagt darauf an, wie viele Leute es wirklich davon abhält, häufiger nach Deutschland zu fahren. Auf jeden Fall ist es ein schlechtes Image.
    Armbrüster: Die Mautgegner in Deutschland, die haben sich ja jahrelang auf die Grünen verlassen. Was für ein Bild haben die gezeigt in dieser ganzen Debatte, in dieser ganzen Geschichte?
    Müller-Görnert: Die Grünen haben von Anfang an ganz klar diese Art der Maut abgelehnt und sind insofern standhaft geblieben, weil so kann man keine Politik machen.
    Armbrüster: Sie haben sich heute im Bundesrat enthalten mit ihrer Landesregierung.
    Müller-Görnert: Wenn man die Vereinbarung hat, wenn ein Koalitionspartner eine andere Meinung hat, dann ist es nun mal die Vereinbarung, dass man sich dann enthält. Insofern muss man das irgendwo auch akzeptieren.
    Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk in den "Informationen am Mittag" Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland. Ich danke Ihnen vielmals für das Gespräch.
    Müller-Görnert: Ja, gerne! – Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.