Dienstag, 16. April 2024

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Pläne in Mecklenburg-Vorpommern
"Umweltstiftung ist faktisch eine Gazprom-Stiftung"

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff hält die geplante Umweltstiftung in Mecklenburg-Vorpommern für eine "Fake-Stiftung". 99 Prozent des Geldes komme direkt von der Nord Stream 2-AG. Die Stiftung diene damit allein dem Vorhaben, die Pipeline in der Ostsee fertigzustellen, sagte er im Dlf.

Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit Dirk Müller | 14.01.2021
Alexander Graf Lambsdorff während einer Sitzung des deutschen Bundestags
Der Aufbau dieser Stiftung habe allein einen Zweck: "Die Rettung von Nord Stream 2", meint Alexander Graf Lambsdorff (imago/Christian Spicker)
Der Schweriner Landtag hat in der vergangenen Woche den Weg zur Gründung einer landeseigenen Stiftung freigemacht. Sie soll laut Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in erster Linie Projekte im Umwelt-, Natur- und Klimaschutz fördern. Sie könne aber auch wirtschaftlich aktiv werden - und somit die Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2 in der Ostsee vorantreiben. In diesem Fall würde die Stiftung als eine Art Zwischenkäufer für noch benötigte Maschinen und Materialien fungieren. Damit sollen mögliche Sanktionen der USA gegen beteiligte Firmen umgangen werden. Die am Bau beteiligten Unternehmen hätten dann keine direkten Geschäftsbeziehungen mehr mit der Nord Stream 2 AG. Die USA befürchten eine zu große Abhängigkeit der europäischen Partner vom russischen Gas.

Finanzielle Beteiligung der Nord Stream 2 AG

Mecklenburg-Vorpommern steuert rund 200.000 Euro Stiftungskapital bei, die größte Zuwendung von zunächst 20 Millionen Euro stammt jedoch von der Nord Stream 2 AG. Kritik gab es deshalb bereits von den Grünen und von Umweltvebänden. Grünen-Parteichefin Anna-Lena Baerbock sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", es sei ungeheuerlich, dass mit russischen Geldern eine Stiftung unter dem Deckmantel des Klimaschutzes finanziert werde. Die Stiftung diene einzig und allein dazu, die Pipeline in der Ostsee fertigzustellen.
Das sieht auch FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff so. Faktisch sei die Stiftung eine Gazprom-Stiftung, sagte er im Dlf. 99 Prozent des Geldes kämen direkt von der Nord Stream 2 AG, die Gazprom gehöre. "Das ist eine Tarnorganisation, die hier aufgesetzt worden ist." Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wähle eine Verschleierungs-Taktik - "um die letzten Kilometer der Pipline hinzubekommen". Graf Lambsdorff glaubt allerdings nicht an den Erfolg dieser Taktik. Der Schutz der Unternehmen vor Wirtschaftssanktionen der Amerikaner werde nicht gelingen.
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Das Interview im Wortlaut:
Dirk Müller: Ist diese Stiftung eine Fake-Stiftung?
Alexander Graf Lambsdorff: Das muss man so sagen. Frau Schwesig bezeichnet sie als Umweltstiftung. Faktisch ist es eine Gazprom-Stiftung. 99 Prozent des Textes der Satzung drehen sich zwar um Klima- und Umweltschutz, aber 99 Prozent des Geldes kommen direkt von der Nord Stream 2 AG, die ja Gazprom gehört. Und Gazprom darf sowohl den Geschäftsführer wie auch die Geschäftsgrundsätze des Wirtschaftsbetriebes dort bestimmen. Also mit anderen Worten: Ja, das ist eine Tarnorganisation, die hier aufgesetzt worden ist. Das hat mit einer realen Umweltstiftung wenig zu tun.
Müller: Das wäre demnach eine Lüge, die wir von der Ministerpräsidentin hören.
Graf Lambsdorff: Ich glaube, es ist eine Verschleierungstaktik, die sie da wählt, tarnen und täuschen, um den Versuch zu machen, die letzten Kilometer der Pipeline hinzubekommen. Ich glaube, dass das keinen Erfolg haben wird. Ich glaube, dass das Ziel, was Manuela Schwesig da verfolgt, nicht erreicht werden kann, also der Schutz der Wirtschaftsunternehmen vor Sanktionen der Amerikaner. Ich sehe nicht, dass das gelingen kann, weil die amerikanische Gesetzgebung an der Stelle relativ klar diejenigen Unternehmen in den Blick nimmt, die an einen Wirtschaftsbetrieb liefern, und da ist völlig egal, ob der von einer Stiftung betrieben wird oder nicht.

"Gemeinwohlorientierte Stiftung ist das nicht"

Müller: Aber warum soll eine Umweltstiftung nicht gegründet werden, wenn man fest davon überzeugt ist, dass Nord Stream 2 wichtig ist und kommen soll?
Graf Lambsdorff: Wenn man eine Umweltstiftung gründen will, dann kann man das machen. Das gibt es ja in anderen Ländern auch. Das Land Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat eine Stiftung Umwelt und Entwicklung. Die finanziert sich aus dem Landeshaushalt. Die verfolgt Ziele der Entwicklungszusammenarbeit und des Umweltschutzes.
Müller: Aber die wird nicht gesponsert.
Graf Lambsdorff: Die wird nicht von Gazprom gesponsert oder von irgendeinem anderen Unternehmen und kein Wirtschaftsbetrieb hat dort das Recht, die Geschäftsgrundsätze zu bestimmen. Mit anderen Worten: Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe, mit dem ich ja sonst meine Reibereien habe politischer Natur, hat schon recht. Eine gemeinwohlorientierte Stiftung ist das hier nicht.
Müller: Darauf kommt es jetzt in dem Fall an, oder kann es auch eine politisch instrumentalisierte Stiftung sein?
graf Lambsdorff: Na ja. Wenn es eine Stiftung ist, die gemeinnützig sein will und entsprechend auch steuerlich behandelt wird, dann muss sie ja bestimmte Erfordernisse erfüllen. Aber wenn man sich die Satzung mal anschaut – und das habe ich getan -, dann ist vollkommen klar, welchem Zweck dieses Unternehmen von Frau Schwesig dient. Das ist einzig und allein die Rettung von Nord Stream 2. Man kann darüber ja unterschiedlicher Meinung sein. Man kann sagen, das ist richtig, man will das zu Ende bauen. Aber dann ist eine solche Stiftung ein Vehikel, das hier gewählt worden ist, mit dem den Menschen Sand in die Augen gestreut werden soll. Und wenn 200.000 Euro aus dem Landeshaushalt kommen, aber 20 Millionen von Gazprom, dann sieht man ja doch sofort, worum es hier geht.

"Deutsch-russische Beziehungen angespannt"

Müller: Aber wir haben ja viele "unliebsame" Investitionen aus dem Ausland, je nach Perspektive, aus Saudi-Arabien, aus Russland, aus China. Das passiert ja auch und es wird weiterhin betrieben.
Graf Lambsdorff: Wenn es Investitionen gibt, die wirtschaftlich klar sind, in Unternehmen, die normal besteuert werden, dann ist dagegen ja auch nichts zu sagen. Ich glaube, was völlig vergessen wird und was in der Debatte im Landtag in Schwerin ja auch überhaupt nicht erwähnt worden ist von Frau Schwesig, ist die Tatsache, dass das Ganze natürlich in eine Zeit fällt, in der die deutsch-russischen Beziehungen enorm angespannt sind. Es ist nichts von ihr gesagt worden zum Tiergarten-Mord, zu den Hacker-Angriffen auf den Deutschen Bundestag und insbesondere nicht zur Situation von Alexej Nawalny, der vergiftet aus Russland hier in der Charité wieder gesund gepflegt worden ist und am Sonntag nach Moskau zurückfliegen will.
Müller: Aber was kann Gazprom dafür?
Graf Lambsdorff: Ich meine, die Gazprom AG gehört ja zu über 50 Prozent dem russischen Staat und es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass beispielsweise der russische Staat verantwortlich ist für die Vergiftung von Alexej Nawalny. Wir haben im Herbst die Duma-Wahlen. Deswegen haben wir als Freie Demokraten ja auch vorgeschlagen, wir wollen ein Moratorium für den Bau von Nord Stream 2, also erst mal einen Stopp, bis klar ist, dass es in Russland wieder möglich ist, sich demokratisch normal zu betätigen. Gazprom ist ein russischer Staatskonzern. Gazprom ist ein Instrument der russischen Außenpolitik. Insofern einfach so zu tun, als ob Gazprom ein Wirtschaftsbetrieb wäre, wie das, wie ich finde, ja die auch aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Bundeskanzlerin lange getan hat, ist einfach falsch.
Müller: Aber das tut der Fußballverein Schalke 04 auch. Was sagen Sie denen?
Graf Lambsdorff: Deswegen habe ich mich vor einigen Jahren mit Clemens Tönnies auch heftig gestritten, weil ich Schalke aufgefordert habe, das Sponsoring durch Gazprom zu beenden. Das fand Herr Tönnies wenig amüsant. Ich will jetzt nichts zur sportlichen Situation von Schalke sagen, aber Gazprom ist dort immer noch an Bord. Ich halte das für falsch.
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Zusammenarbeit UEFA-Gazprom beenden

Müller: Herr Tönnies ist von Bord. Das heißt, noch mal eine Initiative nicht mehr mit der Aufschrift eines russisch finanzierten Staatskonzerns aufzulaufen in der Bundesliga?
Graf Lambsdorff: Ich hielte es für richtig, wenn Schalke diese Entscheidung treffen würde. Ich hielte es übrigens auch für richtig, wenn die UEFA ihre Zusammenarbeit mit Gazprom beenden würde, denn Gazprom sponsert ja auch die Champions League. Ich glaube, wir müssen uns über eines wirklich klar sein: Das russische Verhalten, das Verhalten der russischen Regierung in den letzten Jahren ist eines, das auf das Auseinanderdividieren der Europäischen Union gerichtet ist, und es ist, glaube ich, nicht in unserem Interesse, ein solches Unternehmen durch solche Propaganda-Instrumente wie Sponsoring von großen Sportvereinen, von Wettbewerben, aber auch von Tarnstiftungen von Frau Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern zu unterstützen.
Müller: Heilt denn nicht Geld in vielen Fällen und gerade auch in der Politik die Wunden?
Graf Lambsdorff: Nein, ich glaube das nicht, weil das, was hier dem Ganzen zugrunde liegt, ist ja einmal das bilaterale Verhältnis zwischen Deutschland und Russland. Aber wir dürfen bitte eins nicht vergessen: Das geht mir in der deutschen Diskussion oft unter. Nord Stream 2 ist ja kein isoliertes Projekt. Das ist ja nur die nördliche Umgehung von Polen und der Ukraine. Wir haben ja im Schwarzen Meer genauso eine Pipeline, die versucht, die Ukraine im Süden zu umgehen. Das heißt, was Russland hier betreibt, ist Geopolitik mit energiewirtschaftlichen Mitteln. Die Länder zwischen Russland und der Europäischen Union sollen erpressbar gemacht werden, indem man ihnen die Transiteinnahmen entzieht. Das gilt für den Norden mit Nord Stream 2, das gilt für Türkstream im Süden und die Transadria-Pipeline. Mit anderen Worten: Das Ganze ist ein geopolitisches Projekt, und das können 20 Millionen Euro nicht heilen.
Müller: Nun ist es ja so, Herr Lambsdorff: Wenn man sich die Zahlen dort anschaut, die uns jedenfalls vorliegen. Danach sollen acht bis neun Milliarden für diese Pipeline bereits investiert, verbaut worden sein, 90 Prozent der Rohre verlegt. Ist es wirtschaftlich nicht katastrophal und fahrlässig, das Ding jetzt vor die Wand zu fahren?
Graf Lambsdorff: Ja! Deswegen haben wir als Freie Demokraten ja auch gesagt, dass wir keinen sofortigen Rückbau verlangen, sondern einen Baustopp, ein Moratorium, bis wir in den deutsch-russischen und in den europäisch-russischen Beziehungen wieder eine gewisse Normalisierung haben. Wenn wir eine Änderung des Verhaltens der russischen Regierung sehen, insbesondere gegenüber der Ukraine – ich habe über die völkerrechtswidrige Annexion der Krim nicht gesprochen, ich habe noch nicht über den Donbass gesprochen. Das sind ja alles Dinge, die in einem Zusammenhang stehen. Und ich glaube, es wäre richtig, den Russen die Chance zu geben, ihr Verhalten zu ändern. Dann kann man auch darüber reden, ob man die Pipeline zu Ende baut oder nicht. Aber in der aktuellen Situation ist es sicher der falsche Weg.

"Deutsche Politik ein rücksichtsloser Alleingang"

Müller: Bei Äpfeln und Eiern gibt es ja Sanktionen gegenüber Russland. Beim Gas schauen wir da nicht so richtig hin?
Graf Lambsdorff: Bei Äpfeln und Eiern sind es russische Sanktionen gegen unsere Landwirtschaft. Das wird immer verwechselt. Wir haben von der Europäischen Union Sanktionen gegen bestimmte Finanzunternehmen und gegen bestimmte Unternehmen der Energiewirtschaft sowie gegen einige Einzelpersonen in Russland, also keine umfassenden Wirtschaftssanktionen, und daraufhin hat die Russische Föderation ein Embargo auf europäische Produkte der Landwirtschaft verhängt. Es ist also ganz wichtig, das auseinanderzuhalten. Da hier ist eine russische Maßnahme, nicht eine europäische, was die Landwirtschaft betrifft.
Müller: Sanktionen gegen einzelne Personen und Finanztransaktionen. Die Gaslieferung soll trotzdem stattfinden?
Graf Lambsdorff: Ich meine, Russland ist im Großen und Ganzen ein verlässlicher Gaslieferant. Das ist nicht das Thema. Aber es gibt ja Pipelines, die über Land gehen, die durch Polen gehen, die durch die Ukraine gehen. Deswegen ist es ja nicht so, dass wir als Deutschland hier nur irgendwie mit den Amerikanern ein Problem hätten. Die diplomatische Einbettung dieses Projektes Nord Stream 2 ist seit vielen, vielen Jahren ein echtes Desaster. Die Skandinavier sind dagegen, die Balten sind dagegen, die Polen sind dagegen, die Amerikaner sind dagegen. Wir sind im Grunde in dieser Frage völlig isoliert. Und wenn Sie in Brüssel mal sprechen mit Menschen, die sich damit befassen, dann sagen die, im Grunde ist die deutsche Politik hier ein rücksichtsloser Alleingang zu Lasten und gegen den Willen aller anderen europäischen Partner.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.