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Plagiatsverdacht

Das Internet ist als Informationsquelle aus Uni- und Wissenschaftsbetrieb nicht mehr wegzudenken. Kein Problem, solange die Quellen angegeben werden. Bei Plagiatsverdacht drohen Prüfungsausschluss oder sogar die Aberkennung eines Titels.

Von Ludger Fittkau | 21.02.2011
    Seit rund zehn Jahren existieren die sogenannten "Regeln für gute wissenschaftliche Praxis" der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG. Nach diesen Regeln richten sich heute viele deutsche Hochschulen, auch die Technische Universität Berlin. Professor Klaus Petermann ist dort Mitglied des Untersuchungsausschusses für wissenschaftliches Fehlverhalten. Er nennt einige Kriterien für das Handeln der Hochschule bei Betrugsverdacht:

    "Die Regeln sind sehr klar formuliert. Die Kriterien betreffen die Falschangaben, sie betreffen die Verletzung geistigen Eigentums - das heißt, Falschangaben wären im Grunde Fälschung, Verletzung des geistigen Eigentums wäre praktisch die Frage des Plagiats. Es betrifft im Grunde Sabotage, dass man also möglicherweise die Forschungsarbeit anderer behindert. Das sind dann die wesentlichen Gesichtspunkte, nach denen wir ermitteln, ob wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt.""

    Wenn, wie im Fall zu Guttenberg, der Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt, setzen viele Hochschulen ein Verfahren in Gang, das einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sehr ähnelt. Anzeigeerstatter und Beschuldigter werden von einer Kommission unter Vorsitz eines Ombudsmannes gehört. Wenn nötig, werden externe Fachgutachter hinzugezogen. Ein solches Verfahren kann monatelang dauern. Professor Klaus Petermann:

    ""Parallel natürlich gibt es häufig auch den Fall, das Gerichte mit derartigen Fragen befasst sind. Dies würde dann den Vorrang haben vor unseren Hochschul-Ombudsgremien, den Untersuchungsausschüssen der laufenden Universitäten, weil eben die Untersuchungsausschüsse nicht in laufende Gerichtsverfahren eingreifen sollten.""

    Plagiate bei Abschluss- und Doktorarbeiten werden strenger verfolgt als Täuschungen von Studierenden bei schlichten Semesterabschluss-Prüfungen. Katrin Köhler, Plagiatsforscherin an der HTW, der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin:

    ""Wenn es um studentische Plagiate geht, ist es normalerweise der Fall, das der Professor das selber regelt. Wenn es sich um kleinere Sachen handelt, kann es sein, dass einfach das Fach wiederholt werden muss. Wenn es um massive Sachen geht, wie eine Abschlussarbeit, dann ist es an vielen Universitäten sehr unterschiedlich geregelt. An der HTW ist es halt so, dass es eine Fälschung ist und man von weiteren Prüfungsleistungen ausgeschlossen wird."

    Oft wird der Name eines studentischen Fälschers auch im Fachbereich bekannt gemacht, um weitere Täuschungsversuche zu unterbinden. Harte Fakten dazu, wie umfangreich im Wissenschaftsbetrieb plagiiert wird, gibt es jedoch nicht. Schätzungen gehen von 15-30 Prozent aller wissenschaftlichen Arbeiten aus, bei denen Abkupfern eine Rolle spielt, dass also ohne Quellenangabe fremde Textbausteine übernommen werden.
    Plagiatsforscherin Katrin Köhler hat weltweit Software-Systeme getestet, mit denen Texte automatisch auf Plagiate hin gescannt werden können. Fünf der untersuchten rund 30 Programme waren in der Lage, etwa 60-70 Prozent der Plagiate zu finden, stellte Köhler fest. Diese Systeme werden hierzulande bislang nur sporadisch eingesetzt.

    "In den USA ist das halt üblich, die nutzen solche Software-Systeme. Das ist in Deutschland halt auch schwierig, weil der Urheber hat ja das Recht an den Sachen, das heißt, man braucht immer das Einverständnis der Studenten. Und da ist es eben schwierig, das zu bekommen. Und es ist auch eine ethische Frage. Wenn man bei jedem von vorneherein sagt, du könntest plagiieren, dann ist das halt schwierig. Wenn man den Verdacht hat, kann man das gut mit solchen Systemen auch testen, die dann auch dafür geeignet sind. Wir haben insgesamt fünf, die dafür geeignet sind, aber ich würde immer von diesem Generalverdacht abgehen."

    Software, die sich mit Plagiaten beschäftigt, wird allerdings nicht nur für die Suche nach Fälschungen verwendet. In einigen Fällen ist mit diesen Programmen sogar eine Verführung zur Täuschung verbunden, stellte Plagiatsforscherin Katrin Köhler von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin fest:

    "Da gibt es tatsächlich wirklich Betrüger, also Software-Systeme, die dann gleichzeitig noch Ghostwriting anbieten."

    Katrin Köhler fordert, dass die Erziehung zum korrekten wissenschaftlichen Arbeiten bereits in der Schule beginnen muss. Denn gerade das Internet lädt zur schnellen Übernahme fremder Inhalte ein, die allzu oft ohne sauberen Nachweis verwendet werden, nicht erst im Wissenschaftsbetrieb. Beim Fall Guttenberg liegt der Fall jedoch anders. Hier steht gravierendes wissenschaftliches Fehlverhalten im Raum. Klaus Petermann von der TU Berlin zu den Konsequenzen, die vergleichbare Verfahren bereits hatten:

    "Im Extremfall könnte es natürlich dazu kommen, dass ein Titel aberkannt wird. Solche Verfahren sind auch an anderen Universitäten schon gelaufen."


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