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Planetenjagd

1995 warteten Astronomen mit einer Sensation auf: In 40 Lichtjahren Entfernung entdeckten sie den ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Seitdem haben die Forscher mehr als 500 dieser Exoplaneten aufgespürt – fast alles Gasriesen ähnlich wie Jupiter und Saturn.

Von Frank Grotelüschen | 07.08.2011
Kepler-10b. Sternbild: Drache. Entfernung: 560 Lichtjahre. Umlaufdauer: 0,8375 Tage. Größe: anderthalbfacher Erdradius. Masse: viereinhalbfache Erdmasse. Oberflächentemperatur: 1600 Grad.

"5, 4, 3, 2, engine start, 1, 0 – and lift-off of the Delta II rocket with Kepler, on a search for planets in some way like our own."

"Es war einfach nur fantastisch. Ein unbeschreibliches Gefühl, als die Rakete zündete und ins Weltall startete – mit einem Satelliten an Bord, an dem wir jahrelang gearbeitet hatten. Man kann sagen, dass der Geist aller Leute, die ihn gebaut hatten, mit in den Weltraum geflogen ist. Es war wunderschön."

Bill Borucki steht in seinem Büro am Ames Research Center in Kalifornien, einem Forschungszentrum der Nasa. Versonnen schaut er auf ein Foto an der Wand. Eine Rakete. Sie startet von Cape Canaveral aus in den Nachthimmel, am 6. März 2009 um 22 Uhr 49 und 57 Sekunden. An Bord das Weltraumteleskop Kepler.

"Die ersten Signale erreichten uns später als erwartet. Es hatte Schwierigkeiten gegeben, als sich der Satellit von der Rakete abkoppelte. Er war hin- und hergetaumelt und hatte eine Störung gemeldet. Doch dann schaltete Kepler auf die Reserveelektronik, und alles funktionierte wie geplant."

Bill Borucki, Chefwissenschaftler der Kepler-Mission. 72 Jahre alt. Klein, drahtig, energiegeladen. Ein Vierteljahrhundert lang hatte Borucki beharrlich an seiner Vision gearbeitet: einem Satelliten, der nach extrasolaren Planeten sucht, nach Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Ob es solche Exoplaneten überhaupt gibt, war lange Zeit reine Spekulation – bis Forscher 1995 mit einer Sensation aufwarteten.

"1995 wurden die ersten Planeten entdeckt, die um andere Sterne kreisen als um unsere Sonne."

51 Pegasi. Sternbild: Pegasus. Entfernung: 40 Lichtjahre. Als der Genfer Astronom Michel Mayor das Licht von 51 Pegasi analysiert, bemerkt er etwas Seltsames: Der Stern bewegt sich, schwingt alle vier Tage ein wenig vor und zurück. Die einzige Erklärung: ein Planet im Orbit von 51 Pegasi. Umlaufdauer: 4,2 Tage. Größe: elffacher Erdradius. Masse: 150-fache Erdmasse. Temperatur auf der Oberfläche: 1000 Grad.

Die Entdeckung von Mayor markierte den Auftakt. Überall auf der Welt richteten Forscher ihre Teleskope auf fremde Sterne. Bis heute haben sie mehr als 500 Exoplaneten entdeckt. Eine Erfolgsgeschichte. Doch mit Bodenteleskopen lassen sich nur sehr große Planeten aufspüren – zumeist gigantische Gasbälle wie Jupiter oder Saturn. Leben scheint auf solchen Gebilde ausgeschlossen. Borucki:

"Letztlich geht es darum, erdähnliche Planeten zu finden. Planeten, die lebensfreundliche Bedingungen bieten. Denn würden wir solche Planeten finden, könnte es sein, dass auch anderswo Leben existiert. Dann wäre der Mensch vielleicht gar nicht so einzigartig wie wir immer denken. Und um das herauszufinden, müssen wir mit unseren Teleskopen in den Weltraum. Denn von der Erde aus können wir die Sterne oft gar nicht sehen. Entweder ist es zu hell oder es ist bewölkt. Im Weltraum dagegen können wir 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr die Sterne beobachten, und zwar immer dieselben Sterne. Im All verpassen wir nichts."

Ein Weltraumteleskop für die Planetenjagd. Um es möglichst leistungsfähig zu machen, setzte Bill Borucki in den neunziger Jahren auf ein damals noch junges Verfahren, Transit-Methode genannt. Das Prinzip: Ein Planet, der sich von der Erde aus gesehen vor seinen Stern schiebt, verdeckt ihn für ein paar Stunden – eine Art Planetenfinsternis, winzig, doch messbar: Für ein paar Stunden, solange der Planet vor ihm vorbeizieht, müsste der Stern ein bisschen dunkler werden. Das Kalkül: den kleinen Helligkeitsunterschied sollte man messen können.

"Wir reichten bei der Nasa einen Projektvorschlag für das Weltraumteleskop ein. Er wurde abgelehnt, mit dem Hinweis, es sei schlicht unmöglich, eine derart empfindliche Kamera zu bauen. Erst nach einigen Jahren und nach weiteren Anträgen, sagte die Nasa: Na gut, wenn Ihr in der Lage seid, im Labor eine Kamera zu bauen und zu beweisen, dass sie unter Weltraumbedingungen funktioniert, sind wir vielleicht überzeugt. Sie gaben uns 500.000 Dollar für den Teststand. Doch wir mussten uns weitere 500.000 Dollar leihen, um das Ding tatsächlich zu bauen."

Der Teststand ist einige Minuten von Boruckis Büro entfernt. Zügig trabt er voran – klein, drahtig, energiegeladen. Vorbei an riesigen Hallen, stummen Zeugen der Vergangenheit. Ames ist das zweitälteste Forschungszentrum der Nasa, eine Autostunde südlich von San Francisco, 3000 Menschen arbeiten hier. Eine der Hallen beherbergt den größten Windkanal der Welt. In ihm wurde einst der Spaceshuttle getestet. Dahinter eine Start- und Landebahn mit Riesenhangars aus einer Zeit, als hier noch Luftschiffe erprobt wurden.

Borucki öffnet die Tür zum Laborgebäude. In den Gängen stapeln sich alte Computer, Drucker, ausrangierte Elektronik. Die hochmoderne Nasa – an diesem Tag wirkt sie wie eine Rumpelkammer.

"Das ist Sperrmüll. Alte Geräte, die niemand mehr braucht. Heute Nachmittag um drei wird das Zeug abgeholt."

Viel ordentlicher sieht es in Boruckis Labor auch nicht aus. Keine Hightech-Schmiede, eher eine Bastelstube.

"He made this work!"

Bill Borucki begrüßt einen seiner Mitstreiter: Fred Witteborn, pensionierter Nasa-Ingenieur. Witteborn öffnet den Teststand – ein Aluminium-Rahmen, groß wie zwei Gefrierschränke. Darin: ein künstlicher Nachthimmel, eine Art Mini-Planetarium. Witteborn:

"Halten Sie diese Metallscheibe mal gegen das Licht. Sie sehen – die Sterne! Wir haben nämlich mit dem Laser winzige Löcher in die Scheibe geschossen – und zwar genau dort, wo am Nachthimmel die Sterne sind. Dahinter haben wir eine Lampe befestigt. Ihr Licht fiel durch die Löcher und brachte sie zum Leuchten. Dann hat ein Teleskop das künstliche Sternenlicht auf unsere Kamera gebündelt."

Die künstlichen Sterne konnte die Kamera problemlos erkennen. Doch war sie auch empfindlich genug, um zu sehen, wenn ein Planet vor einem Stern vorbeizieht? Um das zu simulieren, ließen sich die Forscher einen raffinierten Trick einfallen: Sie spannten hauchdünne Drähte vor die Löcher. Fred Witteborn:

"Mit diesen Drähten konnten wir die Planetendurchgänge simulieren. Und zwar haben wir die Drähte geheizt, sodass sie sich ein bisschen ausdehnten, um wenige Atomdurchmesser. Dadurch hat der Draht das Licht, das durch das Loch fällt, etwas stärker abgeschattet. Dieser Helligkeitsunterschied war etwa so groß wie bei einem Planeten, der sich vor seinen Heimatstern schiebt – etwa 1:100.000."

Bill Borucki geht zu einem Poster an der Wand und zeigt auf eine Messkurve. Das Ergebnis der Simulation.

"Dieses Bild hat bewiesen, dass wir tatsächlich in der Lage sind, den Durchgang erdähnlicher Exoplaneten zu beobachten. Das kam bei den Tests eindeutig heraus!"

Das war 1999. Der Durchbruch. 2001 wurde Kepler bewilligt. Im März 2009 startete der Satellit ins All. Und während zwei Pensionäre in einem Bastelkeller südlich von San Francisco von alten Zeiten schwärmen, schwebt hoch über ihren Köpfen ihr Baby im All – ein Weltraumteleskop groß wie ein VW-Bus, bestückt mit einer hochempfindlichen Digitalkamera. Das derzeit schärfste Auge der Planetenjäger – wenn auch nicht das erste. Eine anderer Satellit war Kepler zuvorgekommen.

Corot-7b. Sternbild: Einhorn. Entfernung: 490 Lichtjahre. Umlaufdauer: 20 Stunden. Größe: 1,8-facher Erdradius. Masse: 4,8-fache Erdmasse. Temperatur auf der Oberfläche: 1000 Grad.

"Corot war die erste Mission ihrer Art. Sie hat gezeigt, dass es geht."

Heike Rauer, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Berlin. Ende 2006 startet Corot ins All, ein Weltraumteleskop unter französischer Federführung. Der Preis: 160 Millionen Euro – ein Schnäppchen für eine Weltraummission. Corot ist der erste Satellit, der für die Suche nach Exoplaneten maßgeschneidert ist. Bislang hat er 25 solcher fernen Welten aufgespürt – darunter vor zwei Jahren den ersten Planeten, von dem man gesichert sagen kann, dass er nicht aus Gas besteht wie Jupiter oder Saturn, sondern aus Felsgestein wie unsere Erde. Sein Name: Corot-7b, fast doppelt so groß und fünfmal so schwer wie die Erde. Rauer:

"Ein heißer Planet, ein Planet mit etwa einem Tag Umlaufperiode um seinen Stern – entsprechend nah dran, entsprechend heiß auf der Oberfläche. Ein Kollege aus Frankreich hat dafür den Namen Höllenplanet kreiert, um einen Eindruck zu geben, wie es dort sein könnte mit ungefähr 1000 Grad Oberflächentemperatur. Da haben wir eine neue Klasse von Planeten. Eine Klasse, von der wir vorher nichts gewusst haben – heiße, terrestrische Planeten sehr nah an ihrem Stern. Und es zeichnet sich ab, dass das ein Forschungsgebiet wird, mit dem sich viele Kollegen beschäftigen: Was sind das für Planeten? Haben sie vielleicht eine Atmosphäre, verdampft Gestein von der Oberfläche? Wie sind die Planeten da hingekommen?"

Doch die Möglichkeiten von Corot sind begrenzt. Sein Blickwinkel ist zu klein, um wirklich viele Exoplaneten aufspüren zu können. Dafür ist er auch gar nicht konzipiert.

"Lift-off of the Delta II rocket with Kepler, on a search for planets in some way like our own."

Deutlich mehr ferne Welten wird Kepler finden. Seit März 2009 kreist er mit der Erde um die Sonne und starrt auf immer dasselbe kleine Himmelssegment im Sternbild Schwan. Dabei nimmt er mehr als 160.000 Sterne auf, alle sechs Sekunden ein Bild. Anfang 2010 veröffentlichen die Forscher erste Daten – die ersten von Kepler entdeckten Exoplaneten, allesamt heiße Gasriesen. Im Januar 2011 folgt Kepler-10 – der erste Felsplanet, den der Satellit gefunden hat. Ebenso wie Corot-7b ist er viel zu heiß, als dass Leben auf ihm möglich wäre. Dann, am 2. Februar, lädt die Nasa zu einer Pressekonferenz.

"Supercalofreshalisticexpialadocious!"

Euphorisch verkündet Nasa-Astronom Jack Lissauer die bislang spektakulärste Entdeckung: Kepler-11. Ein Planetensystem.

"Kepler-11 besteht aus sechs Planeten, die alle denselben Stern umkreisen. Dieser Stern ist sonnenähnlich und etwa 2000 Lichtjahre von uns entfernt. Das Licht, das Kepler heute sieht, hat den Stern zu jenem Zeitpunkt verlassen, als Julius Cäsar die Welt eroberte."

Bei der Datenanalyse stoßen die Forscher auf eine Überraschung.

"Die fünf inneren Planeten umkreisen den Stern auf sehr engen Umlaufbahnen. Alle fünf Planeten befinden sich näher an ihrem Stern als Merkur, der innerste Planet unseres Systems, an der Sonne. Wir hätten nie damit gerechnet, dass es Sonnensysteme geben könnte, bei denen so viele Planeten so eng beieinander sind."

Die Theorien der Planetenentstehung – sie müssen neu überdacht werden. Die Umlaufbahnen der Kepler-11-Planeten liegen derart eng beieinander, dass sie sich kraft ihrer Gravitation gegenseitig ein wenig aus ihren Umlaufbahnen schubsen. Diese Abweichungen konnte Kepler messen. Damit konnten die Forscher abschätzen, wie groß und schwer die fernen Planeten sind.

"Diese Planeten sind nicht riesig, nicht so groß wie Jupiter. Aber sie sind auch nicht klein. Der kleinste hat den doppelten Durchmesser der Erde, der größte ist mehr als viermal so groß. Ihre Dichte ist allerdings deutlich niedriger als die der Erde. Es sind also keine Felsplaneten. Es sind aber auch keine reinen Gasplaneten wie Jupiter oder Saturn. Sie könnten einen festen Kern besitzen – wie ein Marshmallow mit einem kleinen festen Bonbon in der Mitte."

Leben dürfte es auf keinem der Planeten geben, dazu ist es auf ihnen viel zu heiß. Inzwischen hat Kepler schon mehr als 1200 weitere Kandidaten im Visier. Doch hinter welchen dieser Kandidaten tatsächlich Planeten stecken, kann nur eine aufwendige Datenanalyse beantworten.

"Das ist unser Serverraum. Sieben Schränke mit Computern. 200 Festplatten, Speicherkapazität 138 Terabyte. Hier laufen unsere Datenanalysen."

Am Ames Forschungszentrum der Nasa macht Jon Jenkins die Tür zum Serverraum schnell wieder zu – zu laut dröhnt die Lüftung, die die Rechner kühlt. Jenkins ist mitverantwortlich für die Datenanalyse.

"Mein Job besteht darin, die Software zu entwickeln, mit der sich die Signale aus den Rohdaten von Kepler filtern lassen. Wir sprechen hier über sehr schwache Signale: Ein erdähnlicher Planet ist rund zehntausend Mal kleiner als der Stern, den er umkreist. Immer, wenn sich der Planet vor den Stern schiebt, schattet er dessen Licht ein wenig ab. Nach diesem regelmäßigen Flackern suchen wir in den Daten von Kepler. Denn das lässt auf den wiederholten Durchzug eines Planeten schließen."

Die Rohdaten von Kepler. Ins Akustische übertragen ein chaotisches Rauschen – scheinbar. Denn mit raffinierten mathematischen Methoden, sogenannten Wavelet-Analysen, schaffen es die Experten, Muster aus dem Chaos zu destillieren. Periodische Muster, beschleunigt und in ihrer Tonhöhe verändert, um sie für uns hörbar zu machen. Ein Indiz auf einen extrasolaren Planeten. Jenkins:

"Es ist so, als würde man einem A-capella-Chor zuhören, und der Bass und der Bariton haben ein paar Bierchen zuviel getrunken und singen deshalb schief und viel zu laut. Dennoch ist unser Ohr in der Lage, aus diesem Chaos die Melodie des Tenors herauszuhören."

Die Melodie des Tenors entspricht dem eigentlichen Signal – dem Kreisen des Planeten um seinen Stern. Die schiefen Töne von Bariton und Bass dagegen sind Störsignale: Sonnenflecken auf der Oberfläche des Sterns, die seine Helligkeit vorübergehend dämpfen und dadurch einen Planeten vorgaukeln können. Oder ein Doppelstern in der Nähe, auch er kann einen Planeten vortäuschen. Jenkins:

"Ähnlich wie beim A-capella-Chor gibt es verschiedene Frequenzen, hohe und tiefe. Und die Transitsignale der Planeten, die uns interessieren, haben andere Frequenzen als die Störsignale, die durch Sternenflecken oder Doppelsterne hervorgerufen werden. So funktioniert vereinfacht gesagt die Datenanalyse."

Kepler-4b. Sternbild: Drache. Entfernung: 1631 Lichtjahre. Umlaufdauer: 3,21 Tage. Größe: vierfacher Erdradius. Masse: 25-fache Erdmasse. Temperatur auf der Oberfläche: 2000 Grad.

"Bislang haben wir die Entdeckung von 1235 Kandidaten bekannt gegeben. Wir gehen davon aus, dass mindestens 80 Prozent dieser Kandidaten tatsächlich Planeten sind. Damit hätte Kepler die Zahl der bekannten Exoplaneten auf einen Schlag verdreifacht – von 500 auf 1500."

Weit mehr, als viele Experten noch vor ein paar Jahren erwartet hatten. So wie es aussieht, sind Planeten nicht die Ausnahme, sondern die Regel im Universum. Und viele von ihnen dürften der Erde ähneln – in etwa so groß, ähnlich weit von ihrem Mutterstern entfernt, mit vergleichbaren Umlaufzeiten. Doch diese Planeten sind schwer zu finden – und zwar aus einem einfachen Grund, sagt Bill Borucki.

"Wir brauchen mindestens drei Durchgänge, bevor wir sagen können: Aha, wir haben wahrscheinlich einen Planeten entdeckt und keinen Sonnenfleck oder so. Will man also eine zweite Erde mit einer Umlaufbahn ähnlich der unseren finden, muss man mindestens drei Jahre warten, bis man die drei Umläufe gemessen hat. Wir werden mit Kepler also erst in zwei bis drei Jahren genug Daten haben, um Planeten wie den unseren entdecken zu können. Was dann sehr aufregend wäre."

Immerhin: Unter den gut 1200 Kandidaten, die Kepler bislang aufgespürt hat, sind 68, die unserer Erde zu ähneln scheinen. Welten, die weder zu dicht noch zu weit entfernt um ihren Stern kreisen. Welten, auf denen es deshalb den Quell des Lebens geben könnte – Wasser.

"Every single of those environments that is inhabited.."

Margaret Turnbull, Astrobiologin, USA.

"Jede Umwelt, die von Leben besiedelt werden kann, muss eines haben: flüssiges Wasser. Ist ein Planet zu weit von seinem Mutterstern entfernt, ist alles Wasser auf ihm gefroren, und es kann kein Leben geben. Kreist er zu dicht um die Sonne, ist es zu heiß und alles Wasser verdampft – auch das ist absolut lebensfeindlich. Was sich daraus ergibt, ist die sogenannte bewohnbare Zone um einen Stern. Nur wenn ein Planet innerhalb dieser Zone kreist, kann er Wasser tragen. Und nur dadurch wird Leben auf diesem Planeten möglich."

Die bewohnbare Zone. Das wichtigste Kriterium bei der Suche nach fernem Leben. Auch die Natur des Sterns, um den ein Planet kreist, spielt eine Rolle. Denn es gibt Sternentypen, die alles andere sind als lebensfreundlich.

"Sterne, deren Leuchtkraft schwankt, dürften für die Entstehung von Leben nicht gerade günstig sein. Auch Doppelsterne gewähren keine stabilen Bedingungen für einen bewohnbaren Planeten. Ähnliches gilt für alle metallarmen Sterne. Denn um sie können sich keine metallreichen Planeten wie die Erde bilden."

Größe, Masse, Umlaufbahn und indirekt auch die Oberflächentemperatur kann Keplers Kamera liefern. Für weitere Ermittlungen sind Spektrographen gefragt – Spezialsensoren, die das Licht in seine Farben aufspalten. Sie können die chemischen Fingerabdrücke von Molekülen erfassen, aus denen die Atmosphäre eines Planeten zusammengesetzt ist. Ansatzweise ist das schon heute möglich. GJ 1214b. Sternbild: Schlangenträger. Entfernung: 40 Lichtjahre. Umlaufdauer: 38 Stunden. Größe: 2,6-facher Erdradius. Masse: siebenfache Erdmasse. Temperatur auf der Oberfläche: 500 Grad.

Dezember 2010: Im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht der Göttinger Astronom Derek Homeier mit zwei US-Kollegen das Ergebnis einer Messung mit dem VLT-Teleskop der Europäischen Südsternwarte. Die Forscher hatten den vorbeiziehenden Schatten des Planeten GJ 1214b ins Visier genommen – eine sogenannte Super-Erde: deutlich größer als unser Planet, aber von vergleichbarer Dichte – und womöglich auch aus Gestein. Homeier:

"Wenn man diese Beobachtungen bei verschiedenen Wellenlängen macht, kann man anhand der unterschiedlichen Absorptionseigenschaften bei verschiedenen Wellenlängen die Atmosphäre nachweisen. Man misst in der Abschattung, die ungefähr nur ein Prozent des Sternenlichts absorbiert, noch einmal Unterschiede von einem Hundertstel von diesem einen Prozent. Daraus können wir mithilfe von grundlegenden Modellen auf die Zusammensetzung der Atmosphäre schließen."

Eine schwierige Analyse. Und das Ergebnis hört sich ernüchternd an – zumindest auf den ersten Blick. Homeier:

"Letztlich haben wir so was wie ein Null-Ergebnis gemessen. Das schwache Signal, was wir gemessen haben, ist genauso damit vereinbar, dass man von der Atmosphäre nichts sieht. Das ist erst einmal das, was unmittelbar rausgekommen ist."

Dennoch, sagt Homeier: Das Ergebnis ist nicht ohne Wert. Denn es schließt aus, dass der Planet eine ausgedehnte Gashülle besitzt, so wie Jupiter oder Neptun. Das nämlich hätte man in den Messdaten sehen müssen. Stattdessen könnte der Planet eine kleine, dichte Atmosphäre haben, etwa aus Wasserdampf.

"Oder es könnte im weitesten Sinne eine Atmosphäre sein, die der Atmosphäre der ganz frühen Erde, bevor das Leben entstanden ist, ähneln könnte, von Gasen wie Kohlendioxid oder Stickstoff dominiert."

Das Projekt zeigt: Es ist schwierig, die Atmosphären ferner Welten zu vermessen. Bislang glückte das nur bei einer Handvoll Riesenplaneten. Bei den kleinen, erdähnlichen Planeten tun sich die Forscher noch schwer. Doch sie sind sich sicher: Existiert Leben auf einem Planeten, sollte es sich irgendwie verraten. Sauerstoff in der Atmosphäre wäre ein guter Biomarker. Er kann, so glauben die Experten, nur durch Lebewesen in die Lufthülle gelangen. In der Erdgeschichte waren es Bakterien und Algen, die per Photosynthese Sauerstoff erzeugten und im Laufe der Zeit in der Atmosphäre anreicherten. Primitivere Lebensformen könnten Methan produzieren. Auch dieses Methan ließe sich mit Spektrographen nachweisen – wobei die Forscher vor dem Problem stehen, dass Methan auch anders entstehen kann, etwa durch Vulkane. Manche Forscher denken schon weiter und schmieden kühne Pläne. Einige wollen die Polarisation, also die Schwingungsrichtung des Lichts von fernen Planeten analysieren. Blattgrün etwa, so das Kalkül, würde das Licht auf bestimmte Weise polarisieren – was sich im Prinzip messen ließe. Andere Fachleute schließlich wollen Bäume direkt über deren Schattenwurf im Lichtsignal aufspüren.

2018 soll Plato, ein Satellit der Europäischen Weltraumagentur Esa, ins All starten. Plato hat einen größeren Blickwinkel als der Nasa-Satellit Kepler und könnte für eine wahre Flut von potenziellen Zwillingserden sorgen. Etwa zur gleichen Zeit soll das James-Webb-Weltraumteleskop abheben, der Nachfolger von Hubble. Eine seiner vielen Aufgaben: die Atmosphäre von Exoplaneten unter die Lupe nehmen, sagt Esa-Wissenschaftler Malcolm Fridlund.

"Das James-Webb-Teleskop könnte Planeten untersuchen, die ein wenig größer sind als die Erde und die um kleine Sterne kreisen. Aber das dürfte sehr schwierig werden und, wenn überhaupt, nur in wenige Fällen gelingen. Doch immerhin kommen wir in den Bereich, in dem das möglich werden könnte."

Finden sich Spuren von Wasser oder CO2 in der Atmosphäre? Das könnte das James-Webb-Teleskop womöglich beantworten. Die Entdeckung von CO2 wäre bedeutsam, weil es ein Treibhausgas ist. Es könnte Planeten, die eigentlich zu kalt wären, in die bewohnbare Zone rücken. Die Erde ist das beste Beispiel für einen derart geheizten Planeten. Einen Biomarker wie Sauerstoff dagegen wird auch James Webb nicht aufspüren können. Dazu bedarf es weiterer Weltraummissionen. Fridlund:

"Eines Tages werden wir Satelliten bauen, mit denen wir erdähnliche Planeten genauer untersuchen. Dann könnten wir herausfinden, ob es auch anderswo Leben gibt. Allerdings dürfte es selbst mit diesen Spezialsatelliten nicht möglich sein, Planeten, die mehr als 100 Lichtjahre entfernt sind, nach Lebenszeichen abzusuchen. Zwar gibt es in diesem Umkreis Tausende von Sternen, also viele mögliche Ziele. Aber solange wir nicht sicher sind, können wir auch keine milliardenteuren Satelliten bauen. Wir müssen also erst einmal den nächsten Schritt gehen."

Pläne für solche Spezialsatelliten, die die Atmosphären ferner Planeten untersuchen sollen, gab es schon – den Terrestrial Planet Finder der Nasa sowie eine Esa-Mission namens Darwin. Doch beide Projekte liegen auf Eis – zu aufwändig und zu teuer. Jetzt wird man zunächst das Ergebnis von Corot, Kepler und Plato abwarten: eine umfassende Himmelskarte jener Exoplaneten, die lebensfreundliche Bedingungen bieten. Danach dann wird sich die Menschheit die milliardenschweren Spezial-Missionen leisten. Davon jedenfalls ist Bill Borucki, der Vater von Kepler, fest überzeugt:

"Ich glaube, die meisten Leute wollen wissen, was da draußen ist. Gibt es da noch andere Lebewesen? Deshalb bin ich sicher: Wenn Kepler erdähnliche Planeten findet, wird man künftige Missionen finanzieren. Denn letztlich suchen die Menschen eine Antwort auf diese Frage: Gibt es im Weltall noch andere außer uns?"

Kepler-173c. Sternbild: Drache. Entfernung: 190 Lichtjahre. Umlaufdauer: 11 Monate und 3 Tage. Größe: 1,1-facher Erdradius. Masse: 1,3-fache Erdmasse. Temperatur auf der Oberfläche: 15 Grad. Ein Planet wie unserer. Die zweite Erde.