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Plantagen in Darjeeling
Hungerlöhne für edle Tees

Tee ist Genuss. Tee pflücken ist Plackerei. Wie eine Studie zeigt, herrschen auf den Feldern im indischen Darjeeling menschenunwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen. Rund ein Viertel des Tees landet am Ende auch in deutschen Tassen.

Von Silke Diettrich | 09.07.2019
Frauen pflücken Teeblätter auf einer Teeplantage in Darjeeling im indischen Bundesstaat West-Bengalen.
Frauen pflücken Teeblätter auf einer Teeplantage in Darjeeling im indischen Bundesstaat West-Bengalen. (dpa/Dinodia)
Die Gegend sieht idyllisch aus: schneebedeckte Berghänge in der Ferne. Frauen, die im satten Grün der Teeplantagen stehen und Blätter von den Sträuchern pflücken. Aber die Arbeit ist ein Knochenjob und die meisten Arbeiterinnen und Arbeiter in Darjeeling leben wie Leibeigene auf den Plantagen:
"Wir haben hier eine Menge Probleme", sagt eine Teepflückerin im indischen Fernsehen. "Wir hungern, wir bekommen nicht genügend sauberes Wasser zum Trinken und müssen kiloweise Blätter pflücken. Und dann kürzen sie auch noch unsere Löhne."
Es sind vor allem Frauen, die den Tee pflücken. Wenn sie nicht eine vorgeschriebene Mindestmenge ernten, so steht es auch in der Studie der Rosa Luxemburg Stiftung, würde ihnen der Lohn gekürzt. Das ist auch in Indien illegal. Zumal der Lohn im Teesektor in der Region Darjeeling im Vergleich zu anderen Sektoren, ohnehin schon sehr niedrig ist. Aktuell erhalte eine Teepflückerin pro Tag umgerechnet 2,50 Euro, so die Studie der Luxemburg Stiftung. Viele Plantagenbesitzer würden den niedrigen Lohn damit rechtfertigen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter ja keine Miete zahlen würden für die Baracken, in denen sie auf der Plantage leben. Die Schulbildung für die Kinder und die medizinische Versorgung sei ebenfalls kostenlos.
Zustände wie zu Kolonialzeiten?
Auf vier Plantagen in Darjeeling, die jeweils mindestens zwei deutsche Teehändler beliefern, hat der Studienmacher Benjamin Luig recherchiert. Er hat herausgefunden, dass alle Arbeiterinnen auf den Plantagen auf staatliche Subventionen für Lebensmittel angewiesen sind. In einzelnen Fällen würden Pflückerinnen und ihre Familien auch unter Mangelernährung leiden. Dass die Teepflückerinnen auch heute noch - wie zu Kolonialzeiten dermaßen von den Plantagenbesitzern und deren Gunst abhängig seien, widerspreche sämtlichen rechtlichen Standards in Indien, sagt ein Gewerkschafter in Darjeeling:
"Von morgens bis abends schuften wir hier. Wir müssen zumindest dafür sorgen, dass der Mindestlohn gezahlt wird. Der Schweiß der Arbeiter wird nicht kompensiert, das widerspricht internationalen und nationalen Rechten, wie hier mit ihnen umgegangen wird."
Teepflückerin bekommt drei Prozent vom Endpreis
Laut Angaben der staatlichen Agentur zur Förderung des Teesektors, des Tea Board of India, werden in Darjeeling pro Jahr etwa neun Millionen Kilogramm Tee produziert. Aber nur 30 Prozent vom Endpreis würden in Indien verbleiben, steht in der Studie. Die Teepflückerin würde nicht einmal drei Prozent davon erhalten.
Sorgen machen sich die Arbeiterinnen, wie diese Teepflückerin, vor allem um ihre Kinder: "Mein Sohn soll nicht auf einer Teeplantage arbeiten müssen", sagt sie. "Ich selbst habe mein ganzes Leben auf den Plantagen gearbeitet, mein Sohn soll es mal besser haben."
Was Deutschland tun kann
Die Teefirmen in Deutschland gehören zu den wichtigsten Abnehmern für die Produzenten in Darjeeling. Rund ein Viertel der jährlichen Ernte gehe nach Deutschland. Statt die Arbeitsbedingungen der Teepflückerinnen zu verbessern, würden sie mit ihrem Preisdruck die Krise noch verschärfen.
Bislang können sich die deutschen Unternehmen auf einer rein freiwilligen Basis dazu verpflichten, dass nachhaltige Standards bei den Produzenten eingehalten werden. Was, wie die Studie beklagt, nicht ausreiche. Was helfen würde, so die Meinung des Studienmachers Benjamin Luig, sei ein Gesetz der Bundesregierung, das festschreibe, dass Unternehmen, mit Sitz in Deutschland, auch eine menschenrechtliche Verantwortung tragen in ihren Zulieferketten. Und daher gegen Menschenrechtsverletzungen vorgehen müssten.