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Plasmacocktail für EHEC-Bakterien

Gesundheit.-Im Zuge der EHEC-Epidemie wurde dazu geraten, Gemüse vor dem Verzehr zu kochen. Doch Schutz gibt es offenbar auch anders. Physiker vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik wollen dem aggressiven Keim jetzt mit kaltem Plasma zu Leibe rücken.

Von Marieke Degen | 28.06.2011
    Der Labortrakt im Krankenhaus München-Schwabing. Auf dem Tisch liegen Petrischalen, darin ausgestrichen Millionen EHEC-Bakterien vom Typ O104:H4. Ein paar Forscher mit Mundschutz und Handschuhen beugen sich über die Glasschälchen. Nicht nur Ärzte, sondern auch Physiker vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. Sie halten eine Art Taschenlampe über die Petrischalen. Aus dem Gerät zucken winzige blaue Blitze. Das ganze dauert 15 bis 20 Sekunden. Am nächsten Tag sind nur noch eine Handvoll EHEC-Erreger übrig.

    "Man konnte sie zumindest mit dem bloßen Auge auszählen. Also ausgestrichen waren so circa zehn hoch sechs, zehn hoch sieben Bakterien, und dann kann man so zwischen 10 und 100 noch auszählen. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn wir da 40 Sekunden behandelt hätten, hätte man gar nichts mehr gesehen."

    Julia Zimmermann ist Biophysikerin am Max-Planck-Institut, sie hat die vermeintliche Taschenlampe mit entwickelt. Es handelt sich um ein Gerät, mit dem die Forscher Plasma erzeugen können. Plasma ist der vierte Aggregatzustand, er kommt nach fest, flüssig und gasförmig. Plasma ist ein Gas, das sehr energiegeladen ist – und sehr reaktionsfreudig.

    "Man muss sich das so vorstellen, wie wenn ein Blitz einschlägt auf der Erde. Wenn der Blitz hier einschlägt, dann ionisiert er teilweise die umgebende Luft, und erzeugt um sich herum ein Plasma. Und das ist eigentlich nichts anderes als was wir machen."

    Das Plasma, das die Garchinger mit ihrem Gerät erzeugen, hat gerade einmal Raumtemperatur. Deshalb heißt es kaltes Plasma.

    "Wenn wir ein Plasma erzeugen, dann erzeugen wir viele kleine Miniblitze und die nehmen die umgebende Luft und ionisieren die teilweise und erzeugen dabei eine Menge von Wirkstoffen. Also da laufen 600 chemische Reaktionen ab, die dann sozusagen einen großen Cocktail ergeben."

    Dabei entstehen unter anderem Stickoxide und Ozon. Mit diesem Plasma-Cocktail lassen sich alle möglichen Krankheitserreger bekämpfen: Viren, Pilze und Bakterien, auch der EHEC-Erreger O104:H4. Wie genau Plasma die Bakterien vernichtet, ist noch nicht ganz klar. Offenbar kann es ihr Erbgut zerstören.

    "Was wir auch wissen ist, dass die Zellwand teilweise richtig aufgerissen wird und das Zellinnere nach außen laufen kann."

    Für Menschen ist das Plasma aber ungefährlich. Die Garchinger haben schon einige Plasmageräte entwickelt, bislang sind es Prototypen.

    "Aber bei einer Weiterentwicklung wären sie zum Beispiel geeignet, um direkt in diesen Industrieanlagen große Mengen von Obst und Gemüse oberflächlich zu desinfizieren, da unsere Plasmasysteme modular aufgebaut sind. Auf der anderen Seite könnte man ein taschenlampengroßes Gerät verwenden im Heimgebrauch, man könnte damit seine Lebensmittel desinfizieren, und sich somit einfach ein besseres Gefühl geben, wenn man Salat oder Gurke isst."

    Plasma eignet sich besonders für Nahrungsmittel, die man normalerweise nicht abkocht. Wie Rohkost, also Salat und Gurken, sagen die Forscher.

    "Was wir nicht gemacht haben, war EHEC auf einer Gurke aufzustreichen und die nachher wieder runterzunehmen, das wäre einfach zu gefährlich, das möchte ich keinem meiner Mitarbeiter antun, und deswegen haben wir uns auf die Agarschalen-Experimente, die man gut kontrollieren kann, reduziert."

    Plasma wirkt übrigens nur an der Oberfläche. Es kann nicht ins Gemüseinnere eindringen und das Gemüse kaputt machen. Für Gurken und Salat ist das ideal, weil die Keime normalerweise nur auf der Oberfläche sitzen. Bei Sprossen weiß man das nicht so genau. Es könnte sein, dass der Keim auch im Inneren der Sprosse vorkommt. In dem Fall könnte ein Plasmagerät gar nichts ausrichten.