Freitag, 19. April 2024

Archiv


Plastikspinne aus dem Drucker

Der Einsatz mobiler Erkundungsroboter ist oftmals zu aufwendig oder schlich zu teuer. Hätte man allerdings einfache Wegwerf-Roboter zur Verfügung, sähe die Sache anders aus. Einen Prototyp solch einer kostengünstigen Krabbelmaschine haben Stuttgarter Forscher entwickelt.

Von Ralf Krauter | 02.12.2011
    Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung liegt am Rande des Unicampus in Stuttgart-Vaihingen. Auf einem großen weißen Tisch in einer der Experimentierhallen steht der Prototyp eines spinnenähnlichen Roboters. Sein länglicher Körper hat das Format eines Druckergehäuses. Acht u-förmige Beine an den Seiten halten ihn einige Zentimeter über dem Boden.

    "Die Beinmodule, die sind nur eingesteckt, hier seitlich. Das heißt die Montage der kompletten Mechanik beschränkt sich auf acht Beinmodule nehmen, den Körper nehmen, die acht Beinmodule einstecken, zuklappen, fertig. Wenn man das vergleicht mit Krabbelrobotern, die in Feinwerktechnik hergestellt sind, wo man dann ein paar hundert Achsen, Sicherungsringe, Lagerstellen, Zahnriemchen und was weiß ich was noch, montieren muss, dann ist das schon allein dadurch ein riesen Effizienzvorteil."

    Der Diplom-Ingenieur Ralf Becker ist Experte für neuartige Produktionsverfahren zur Herstellung funktionaler Plastikbauteile. Körpergehäuse und Beine der Roboter-Spinne haben er und sein Team in einem Guss gefertigt: Die fertigen weißen Kunststoff-Bauteile inklusive aller Gelenke, Antriebe und Verstrebungen stammen aus einem schrankgroßen 3D-Drucker im Nachbarraum, wo ein Laserstrahl dünne Lagen eines feinen Polyamidpulvers Schicht für Schicht verschweißt. Kunststoff-Laser-Sintern heißt die Methode im Fachjargon.

    "Das sind einfach Antriebe, die sich drucken lassen und voll funktionsfähig sind – und durchaus auch Millionen von Zyklen aushalten. Das ist jetzt nicht so, dass diese Spinne 1000 Schritte läuft und dann bricht sie auseinander. Das Material ist ein ganz normaler technischer Kunststoff und je nach Auslegung kann man da durchaus Millionen von Zyklen fahren."

    In Bewegung gesetzt werden die Beine der Spinne mit Druckluft, die über einen blauen Schlauch in ihren Bauch strömt.

    Prozessorgesteuerte Ventile verteilen die Druckluft über Schläuche an die acht Beine. Jedes davon verfügt über zwei Faltenbälge, die sich beim Einpressen von Luft ausdehnen und über die in Plastik gegossene Mechanik für Bewegung sorgen. Einer der Pneumatikmotoren schwenkt das Spinnenbein vor oder zurück, der andere presst es auf den Boden.

    "Die Bewegung erfolgt, indem vier Beine nach unten gedrückt werden. Dadurch hebt sich der Körper an und vier Beine werden mit angehoben. Die Beine in der Luft werden vorne geschwenkt, dann wird wieder aufgesetzt und mit vier Beinen nach vorne gezogen, während die anderen Beine in der Luft sind. So bewegt sich’s praktisch im Gegentakt vorwärts."

    Noch krabbelt der Plastikroboter bloß im Schneckentempo. Sein Nachfolger soll aber schon deutlich flotter sein und auch Kurven drauf haben.

    "Für spätere Anwendungen spannend ist es sicherlich, wie hoch wir die Beine heben können und welche Nutzlast wir dabei transportieren können und wie scharf wir um die Kurve laufen können und wie lang das Ganze dann autonom betrieben werden könnte. Die nächste Entwicklung ist auf jeden Fall, Kompressor und Akkupack auch noch onboard zu nehmen. Haben wir im Moment noch nicht drin, weil wir die Nutzlast noch nicht hinkriegen. Dann kriegen wir die Beine nicht mehr vom Boden hoch. Aber das ist eine Frage der Zeit und des Sportsgeistes."

    Ralf Becker betont, dass sich künftige Erkundungsroboter auf Basis der Plastikspinne konkurrenzlos günstig herstellen ließen. Die komplette Mechanik käme für rund 500 Euro aus dem 3D-Drucker. Ergänzt um Elektronik, Kameras und Sensoren würde im Nu ein voll funktionsfähiger Krabbelroboter daraus, der gefährliches Terrain stundenlang autonom oder ferngesteuert erkunden könnte. Etwa um Erdbebenopfern unter Trümmern zu finden, um Minen aufzuspüren oder Industrieanlagen zu überwachen.

    "Bei uns intern läuft das ganze Projekt auch unter dem Stichwort Wegwerfroboter. Wenn man sich jetzt zum Beispiel eine Katastrophe mit viel radioaktiver Strahlung vorstellt, könnt man einen Roboter reinschicken. Wenn der die Treppe runter fällt, war nicht teuer, schicke ich einfach den nächsten hinterher. In die Richtung hat man da eben wesentlich mehr Potenzial."