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Podcast-Boom
Reden ist Gold

Jederzeit hören, was einen interessiert. Seit Jahren wächst das Angebot an Podcasts auf vielen unterschiedlichen Plattformen. Für die Macher geht es darum, ihre Launen und Leidenschaften einzubringen, sagt der Journalist und Podcaster Philip Banse im Deutschlandfunk.

Philip Banse im Gespräch mit Stefan Fries | 26.10.2017
    October 24, 2017 - Bydgoszcz, Poland - The Podcast application is seen on an Apple iPad on October 24, 2017.
    Kannibalisieren Podcasts irgendwann einmal das Radio? (imago / Jaap Arriens)
    Stefan Fries: Audio im Netz boomt – vor allem Podcasts. Nicht nur der Deutschlandfunk bietet neben den Radiosendungen auf Abruf inzwischen auch zwei Original-Podcasts an, die es also exklusiv im Netz gibt. Auch Online-Medien wie Spiegel online und Zeit online machen das. Genug Themen für die Podcast-Konferenz "Subscribe" am Wochenende in München. Mit dabei ist Philip Banse, der einen der erfolgreichsten Podcasts betreibt: Die "Lage der Nation", zusammen mit Ulf Buermeyer. Philip Banse arbeitet auch als freier Radioautor, gelegentlich auch für uns hier in @mediasres.
    Ihn habe ich gefragt: Woher kommt das neue Interesse?
    Philip Banse: Also ich glaube, erstmal wird das Angebot natürlich vielfältiger. Das ist ja ein ganz spezielles Angebot – dieser Podcast. Man hört halt nicht dann, wenn es ein Sender vorschlägt und man muss einschalten, sondern man kann selber entscheiden, wann man was hört. Das ist das erste. Und in diesem Segment, das sehr, sehr attraktiv ist, wächst halt das Angebot. Da gibt es natürlich die ganzen ARD-Angebote, die auch im linearen Programm laufen. Aber die ARD fängt jetzt auch an – und der Deutschlandfunk – eben auch Podcast nur für das Netz zu machen. Dazu kommen neue Anbieter, wie zum Beispiel Spiegel, Zeit-Verlag – also Print-Produkte, Print-Verlage, die ganz klassisch im Print unterwegs sind. Die fangen jetzt auch an zum Teil gleich mehrere Audio-Podcasts zu produzieren. Und es gibt eben, weil es relativ einfach ist Podcasts zu produzieren, auch wirklich eine kaum überschaubare Menge an Amateur-Podcasts sozusagen – zu allen möglichen Nischenthemen.
    Momentan noch keine Zentralisierung des Angebots
    Fries: Die Podcasts laufen auf immer mehr Plattformen. Droht da so eine Art Netflixisierung des Angebots - das heißt, man muss dann sich sehr breit aufstellen und kann nicht mehr alles zentral abonnieren?
    Philip Banse: Das glaube ich erstmal nicht, dann momentan ist es noch nicht absehbar, dass es so einen großen Anbieter gibt, wie beispielsweise YouTube im Videobereich, wo eigentlich alles stattfindet. Jetzt gibt es natürlich auch Facebook und Twitter. Also das gibt es zwei, drei große Player, die quasi den Markt beherrschen. Das sehe ich im Audio-, im Podcast-Bereich noch nicht. Es gibt sehr viele unabhängige Podcasts Apps. Es gibt zwei, drei, vier Streaming-Anbieter, die so etwas machen. Es gibt andere Plattformen, die so etwas anbieten. Es gibt die ARD, die so etwas separat anbietet. Also da sehe ich momentan noch nicht so eine Zentralisierung des Angebots. Das kann ich momentan noch nicht erkennen. Das würde sich sehr ändern, sobald Google und Facebook Podcasts anbieten würden, also so dass man bei Google und speziell Facebook Audiodateien hochladen könnte und dann daraus quasi ein Podcast entsteht. Dann würde sich das Bild massiv ändern. Aber da sind wir noch nicht.
    Fries: Sie bieten selbst einen der erfolgreichsten Podcasts im Netz an – "Lage der Nation". Darin erklären Sie Politik. Was machen Sie da als Radiojournalist, Philip Banse, anders als im Radio?
    Podcasts – viel persönlicher und meinungsfreudiger
    Banse: Wir sind viel persönlicher. Also wir sind viel, viel meinungsfreudiger. Wir haben einen journalistischen Anspruch. Das heißt, die Fakten, Tatsachen, Behauptungen, die wir dort aufstellen, die müssen stimmen. Und wenn es mal nicht stimmt, dann korrigieren wir das - Fehler passieren. Aber das ist der Anspruch, dass wir keine Halbwahrheiten, Gerüchte verbreiten. Aber wir sind eben sehr, sehr meinungsfreudig und wir sind sehr, sehr persönlich. Wir tauchen da viel, viel mehr als Menschen auf mit Schwächen und Launen und Leidenschaften und Interessen und Vorlieben, als das im klassisch öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Fall ist.
    Fries: Kannibalisieren denn diese Podcasts irgendwann einmal das Radio?
    Banse: Ja und nein. Ja insofern, als dass Menschen natürlich nur eine begrenzte Zeit haben, Medien zu konsumieren und auch Audio-Produktionen zu konsumieren. Insofern ja – wächst das Angebot, sinkt die potenzielle Zeit, sich jedem zu widmen. Aber insgesamt denke ich doch, dass sich beide Metiers extrem befruchten, weil sie von derselben Leidenschaft leben, sich an eine ähnliche Hörergruppe wenden. Und unter dem Strich denke ich, wird das der Qualität der Audio-Produktionen nur gut tun.
    Sehr große Bindung zwischen Machern und Hörern
    Fries: Am Wochenende läuft die Subcribe in München – ich habe es gesagt – die einzige Medienkonferenz für Podcaster in Deutschland. Soweit ist man also schon, dass man so eine Messe dann auch braucht?
    Banse: Ich würde es nicht unbedingt als Messe bezeichnen, ich würde es eher als Community-Treffen bezeichnen. Da kommen halt ganz viele hin, die Podcasts machen. Da kommen viele hin, die Werkzeuge für's Podcast machen, produzieren, programmieren. Aber es kommen eben auch Hörer hin und Fans und Leute, die sich austauschen wollen. Das sind einhundert, zweihundert Leute, noch sehr überschaubar. Das gibt es auch nicht erst seit diesem Jahr, sondern das läuft ja schon seit ein paar Jahren und wächst aber ständig. Das ist eben Ausdruck dieser sehr persönlichen Medienproduktion und dieser sehr großen Bindung zwischen Podcast-Machern und -Macherinnen und Hörern und Hörerinnen.
    Linear – in Zukunft nur noch für eine Minderheit der Programme
    Fries: Ist das die Zukunft des Radios - weg vom Linearen hin zum Podcast und auch hin zum Persönlichen?
    Banse: Das würde ich zumindest für viele Sendungen vermuten. Ich vermute, dass das linear produzierte Radio, wo ein Sender, eine Redaktion einen festen Ablauf von Sendungen vorgibt, die eine ganz bestimmte Länge haben, zu einer ganz bestimmten Zeit laufen, dass dieses Muster demnächst nur noch für eine Minderheit der Radioprogramm die meisten Hörer liefern wird. Das sind dann Morgenstrecken, Abendstrecken, so diese Nachrichten-, Radio-Primetime. Da macht diese Live-Sendung durchaus Sinn. Für dieses Programm werden in Zukunft auch die meisten Zuhörer erreicht werden. Ich vermute aber, dass wir ganz, ganz viele andere Sendungen, die am Nachmittag laufen oder spät in der Nacht – dass da es vielleicht auch noch ein Live-Stream, eine Live-Sendung geben wird, dass die allermeisten Zuhörer dieser Sendungen, diese Sendungen aber als Podcast on demand runterladen werden und anhören werden, wann sie das wollen und wann sie das für richtig halten. Diese Sendung wird die Live-Ausstrahlung im linearen Programm nur noch ein nettes Feature sein, was man eben so macht, weil man es kann.