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Podcast "Serial"
Online-Hörserie sorgt für neuen Prozess

Der US-Podcast "Serial" erzählt die Geschichte eines verurteilten Mörders. Den akribisch aufbereiteten Fall haben Millionen Menschen verfolgt - und seitdem wird über das Schicksal von Adnan Syed diskutiert. Vor allem über die Frage, ob er womöglich zu Unrecht im Gefängnis sitzt. Das will jetzt auch ein Gericht wissen und lässt den Fall neu aufrollen.

01.07.2016
    Adnan Syed, der wegen Mordes verurteilt wurde und dem jetzt wegen des Krimi-Podcasts "Serial" ein neuer Prozess gemacht wird.
    Adnan Syed, der wegen Mordes verurteilt wurde und dem jetzt wegen des Krimi-Podcasts "Serial" ein neuer Prozess gemacht wird. (The Baltimore Sun via AP)
    Seit 16 Jahren sitzt Adnan Syed im Gefängnis. Als Teenager soll der heute 35-Jährige seine Ex-Freundin auf einem Supermarktparkplatz aus Eifersucht erdrosselt haben. Dafür wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.
    Hauptbelastungszeuge war ein ehemaliger Mitschüler. Er hatte ausgesagt, dem damals 17-Jährigen Syed beim Verstecken der Leiche geholfen zu haben. Entscheidend für die Verurteilung waren außerdem die Ortungsdaten von Seyds Handy. Ein Experte für Funkzellen hatte vor Gericht ausgesagt, dass sich Syeds Handy in der Nähe des Ortes in das Netz eingeloggt hatte, an dem die Leiche der jungen Frau vergraben wurde.
    Versäumnisse der Verteidigung
    Ein Indiz, dessen Beweiskraft zumindest angezweifelt werden darf, denn die Ortungs-Technik gilt als nicht sonderlich genau. Syeds damalige Anwaltin verzichtete im Prozess allerdings darauf, auf diesen Sachverhalt näher einzugehen. Sie unterließ es, den Experten ins Kreuzverhör zu nehmen. Eine Entlastungszeugin, die Syed zur fraglichen Zeit ganz woanders gesehen haben will, wurde nicht vor Gericht befragt.
    Die Versäumnisse von damals sollen jetzt nachgeholt werden. Richter Martin Welch in Baltimore kündigte an, dass der Verurteilte ein neues Verfahren bekommen soll. Syeds Anwältin habe damals zwar keine Fehler gemacht, sie sei aber "unter dem Standard einer akzeptablen beruflichen Einschätzung" zurückgeblieben.
    In einer ersten Reaktion zeigte sich Syeds Anwalt Justin Brown begeistert von der Entscheidung. Er twitterte "Wir haben einen neuen Prozess gewonnen!"
    Offen ist, wann die neue Verhandlung stattfinden wird.
    Millionen Serial-Detektive
    Der Mordfall vor anderthalb Jahrzehnten war damals von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert worden. Dann nahm sich ein Radiosender des Falls an und produzierte die zwölfteilige Serie "Serial". Die Folgen wurden im Internet veröffentlich - mit weltweitem Erfolg: Die Serie wurde millionenfach heruntergeladen.
    Die Serie kombiniert investigativen Journalismus, Berichte von Beteiligten und spannende Erzählstrecken. Die Autoren werfen dabei ernsthafte Fragen auf - und meldeten Zweifel an, ob Syed in dem Verfahren fair verteidigt wurde und ob die zu seiner Belastung angeführten Beweismittel tatsächlich stichhaltig waren. Wegen des Podcasts und des Protests vieler Zuhörer beschäftigte sich die Justiz wieder mit dem Fall. Die Staatsanwaltschaft im US-Bundesstaat Maryland hatte vergeblich versucht, ein neues Verfahren zu verhindern.
    Ähnlich erfolgreich wie "Serial" ist die Netflix-Serie "Making A Murderer", ebenfalls eine Dokumentation über einen echten Fall. Hier wird der Fall des wegen Mordes verurteilten Steven Avery erzählt, der nach Ansicht der Macher der Doku unschuldig im Gefängnis sitzt. Auch sein Fall könnte im Zuge der Berichterstattung neu aufgerollt werden.
    (rm/tzi)