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Poker um Agrarsubventionen

Landwirte sowie Umwelt- und Verbraucherverbände blicken nach Würzburg. Dort treffen sich die Agrarminister der 16 Länder mit Bundesministerin Ilse Aigner. Sie sollen entscheiden, wie die von der EU gewährten Subventionen künftig an die Bauern verteilt werden.

Von Barbara Markus | 30.08.2013
    Über 300 Demonstranten haben sich vor dem Tagungshotel in Würzburg aufgestellt. "Wir haben Agrarfabriken satt" steht auf T-Shirts und Transparenten. Eine Trendwende in der Agrarpolitik fordern hier nicht nur Ökolandwirte oder Vertreter von Umwelt- oder Tierschutzverbänden ein:

    "Ich bin Endverbraucher, ich möchte ordentliche Lebensmittel haben und die dafür sorgen, die soll man unterstützen." - "… und nicht die Agrarindustrie!" - "Wir essen ja letztlich die ganzen Antibiotika mit, es muss wieder hingehen zu kleineren Betrieben." – "Weil ich keine Gentechnik will und vor allem eine vernünftige Tierhaltung und Großbetriebe nicht in die Gegend passen." – "Aigner muss jetzt endlich mal ´ne Wende zeigen, vor der Wahl bitte noch."

    Die Bundeslandwirtschaftsministerin reagiert auf die Proteste in Würzburg gelassen:

    "Zum Ersten fördern wir gar keine Tierhaltung mehr und zum Zweiten habe ich ja gerade vorgeschlagen, die ersten Hektare besser zu fördern, was hoffentlich auch passiert."

    Die ersten Hektare besser fördern, das heißt: Von höheren Flächenprämien sollen Kleinbauern profitieren – also jene regionalen Erzeuger, denen Verbraucher das meiste Vertrauen entgegenbringen. Nur wie hoch soll die Sonderprämie für die Kleinbetriebe künftig ausfallen? Was Aigner im Einvernehmen mit dem Deutschen Bauernverband vorschlägt, geht der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft als Zusammenschluss von eher kleinen Erzeugern nicht weit genug. Ihr Vorsitzender Ulrich Jasper fordert:

    "Die Möglichkeiten, die Brüssel uns bietet, voll auszuschöpfen und das heißt, nicht 1200 Euro Aufschlag pro Betrieb zu geben, sondern in die Vollen zu gehen und sagen, Betriebe können bis zu 3500 Euro Aufschlag bekommen."

    Das, meint Jasper, könnte das stille Höfe-Sterben stoppen; oder zumindest das Wachstum der Agrargroßbetriebe. Doch auch wenn sich das viele Verbraucher wünschen, in Würzburg kommt aus den fünf ostdeutschen Bundesländern ein einhelliges Nein. Dort sind aus den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR, den LPGs, besonders viele Großbetriebe hervorgegangen. Sie wollen nicht die Verlierer der Reform werden, den eher vorwiegend im Westen angesiedelten Kleinbauern nicht noch mehr zubilligen, als von Aigner vorgeschlagen, erklärt Hermann Aeikens, Landwirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt und Sprecher der Ostländer:

    "Dieser Vorschlag beinhaltet ja schon eine erhebliche Umverteilung von Ost nach West – wenn Sie das alles aufaddieren – im dreistelligen Millionenbereich. Das heißt, diese Umverteilung passiert schon und es ist die Frage, ob man diese Umverteilung noch weiter treibt."

    Die fünf Grünen-Agrarminister in Deutschland wollen es noch weiter treiben und fordern mehr Geld für gezielte Förderprogramme für den Ökolandbau und Umweltprojekte. Dafür soll die pauschale Flächenprämie gekürzt werden – diese beträgt um die 250 bis 300 Euro pro Hektar und bislang erhält sie jeder Landwirt ungeachtet der Betriebsgröße. Dem Grünen-Vorstoß erteilt Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner eine klare Absage,

    "Ich glaube, das ist ein bisschen eine Mogelpackung, was die vorschlagen, die Grünen. Denn man muss wissen: Die Mittel werden zu 100 Prozent von der EU finanziert, das sind 750 Millionen und die Länderminister werden das freudig zur Kenntnis nehmen. Denn die Länderminister sparen sich Ko-Finanzierung und damit verlieren wir allein diese Mittel von 750 Millionen Euro."

    Der Poker um die Agrarsubventionen ist voll entbrannt, vor dem Tagungshotel in Würzburg ist auch der Bauernverband in Stellung gegangen, macht weiter Stimmung gegen Forderungen nach einem "VeggieTag". Einzelne Landesverbände sprechen bereits von "Grüner Agrarideologie" und rufen zu Protesten gegen Grünen-Galionsfigur Jürgen Trittin auf, weil der im Blick auf Antibiotika in der Tierhaltung von "Drogenhandel im Stall" gesprochen hat. Gleichzeitig mahnt der Deutsche Bauernverband, den Wahlkampf doch bitte bei der Agrarministerkonferenz in Würzburg ruhen zu lassen, um zu Ergebnissen zu kommen – was wiederum Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft gar nicht verstehen kann:

    "Wir haben ja dramatische Verluste an ökologischer Vielfalt, wir haben Probleme mit Grundwasser, wir haben Probleme mit den Weltmeeren - lauter Probleme die mit von Landwirtschaft verursacht werden. Es ist doch eine erstaunliche Idee, dass man Agrarpolitik aus dem Wahlkampf raus halten soll, was soll man denn dann drin lassen? Nur Sachen, die keine gesellschaftspolitische Relevanz haben, oder wie?"